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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 10
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Der Chor der ehemaligen Klosterkirche in Blaubeuren, [1]
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Beck, Paul A.: Weitere Kunstbeziehungen zwischen Oberschwaben und Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0104

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des großen Meisters mag wohl der Sohn
unter Mithilfe anderer nach dem Plan
des Vaters das Werk ansgeführt haben.
Was die Gemälde des Altars anlangt,
so scheint soviel aus den bisherigen Unter-
suchungen als sicher hervorzugehen, daß
mehrere Maler dabei mitgewirkt haben,
die aber nicht mehr genau agnoscirt wer-
den können; man nannte schon B. Strie-
gel, Jakob Acker, Stöcker; fast zweifellos
ist aber Zeitblom's Pinsel betheiligt und
gab er die Direktive.

Jnschriftlich ist als des jüngeren Sür-
lin Werk bezeugt das Chorgestühl und
der Levitendreisitz. Das erstere ist im
Ganzen von schlichtem Bau, zweireihig an-
geordnet, mit fünf drehbaren Lesepulten
versehen und an den Wangen, Doggen,
Miserikordien mit zahlreichen Brustbildern,
Menschen- und Thierköpfen von znm Theil
komisch-grotesker Bildung geschmückt. Unten
sehr kräftig gebaut, verklingt es nach oben
in einer wunderbar zarten und zierlichen
Krönung. Der vortretende Baldachin des
Dorsals läßt über jedem Stallnm einen
mit Ornament besäumten Halbkreisbogen
sich aufwölben. Von diesen Rundbögen
steigen strenger stilisirte Krabbengiebel mit
Schlußblumen auf; aber diese sind durch-
wachsen von Ziergiebeln aus Rebzweigen,
welche schlank, luftig und fröhlich sich in
die Lüste schwingen und mit Blattwerk,
Ranken und Trauben besetzt sind. Von
entzückender Schönheit muß dieser ab-
schließende Zierkranz gewesen sein, als er
noch von den etwa vierzig Statuettchen
durchzogen war; dieser beraubt erscheint
er etwas zu stark gelichtet und durch-
löchert. Noch viel reichere und kunstvollere
Anlage zeigt der Levitendreisitz mit fast
überkühn aus dein Walde von Ziergiebeln
ausschießenden Baldachinthürmchen; leider
ist auch sein Statuenschmnck fast ganz
verschwunden; von dem Stammbaum Christi,
der sich einst durch die Krönung hindurch-
wand, ist bloß noch die Figur des schlum-
mernden Jesse unter dem Baldachin er-
halten. (Schluß folgt.)

Weitere Aunstbeziehungen zwischen Ober-
schwaben und Tirol.

Von Amtsrichter a. D. Beck.

Nach K. Atz's „Kunstgeschichte von Tirol rc."
(Bozen, im Selbstverlag, 1885, S. 376 vgl. mit

N. Vischers „Studien zur Kunstgeschichte", S. 462)
befinden sich zu Schwaz in Nordtirvl außer
den 24 angeblich von dem ziemlich apokryphen
„Frater Wilhelm aus Schwaben" herrührenden
etwas früheren Temperastücken aus der Leidens-
geschichte Christi im Zugangsflügel zum Kreuz-
gange des Franziskanerklosters fünf meist übel
verrestaurierte Bilder angeblich von Bernhard
Stri(e)gel aus Memmingen mit Darstellungen
von der Verkündigung Mariä, der Geburt und
Taufe Christi, Maria auf der Mondsichel und
einer Landschaft mit auf die Erlösung bezüg-
lichen allegorischen Gestalten und Inschriften im
Stile Mich. Ostendorfer's, ähnlich einem das
göttliche Werk der Erlösung darstellenden, in
Atz's „Kunstfreund" (neue Folge, 7. Jahrgang,
1891, Nr. 6, S. 23) abgebildeten Freskenbilde
des ebengenannten Meisters an einem Hause zu
Bruneck. Nach Atz a. a. O. wäre weiter deni
einen oder andern dieser fünf Bilder die Jahr-
zahl 1589 beigefügt, was aber nicht auf den
B. Striegel, dessen Schaffenszeit in die Jahre
1460—1528 fällt, passen würde. Von diesem
Maler, welcher erst in den 1880er Jahren sozu-
sagen entdeckt wurde und welcher bis dahinwiel-
fach als „Meister der Sammlung Hirscher" (in
welcher er vorzugsiveise vertreten war Z, dann
und wann auch als „Wildensteiner Meister" lief
und welchem auf die Entdeckung hin eine Reihe
bislang nicht bestimmter Gemälde zugeschrieben
wurde, lagen im Jahre 1886 auf der kunst-
historischen Ausstellung zu Augsburg über 20
Bilder vor, von welchen allen photographische
Aufnahmen durch Photograph Hans Bischofs ans
Memmingen gemacht wurden,— quasi eine Spezial-
ausstellung für sich, wie sie noch niemals irgend-
wo zusammengebracht worden ist. Unter andern:
waren daselbst von dem nun auf einmal anf-
gekommenen Künstler zu sehen aus der Stutt-
garter Staatsgalerie Gemälde mit der Darstellung
der Dornenkrönung, Beweinung, Verkündigung,
Krönung, Flucht nach Aegygten, Grablegung,
sowie ans der Stuttgarter Staatssammlung
vaterländischer Kunst- und Alterthümer ein
aus der Hirscherschen Sammlung stammender
Cyklus von Mariendarstellungen, als Geburt,
Eintritt in den Tempel, Heimsuchung, Dar-
stellung im Tempel. Die Heimath des Malers,,
der Magistrat von Memmingen, sandte eineil
doppelthürigen Altarschrank aus dem Jahr 1500;
Donaueschingen die Heilung eines Besessenen
durch St. Veit sowie das Bildniß des Grafen
Joseph von Montfort; Schloß Zeil die Evan-
gelisten Matthäus und Lukas, Johannes und
Markus, wozu noch eine Reihe niehr oder weniger
beglaubigter Bilder aus Privalbesitz kam. Die
Striegel bildete:: in Memmingen eine ganze
Maler- (und auch Bildhauer-)Familie und werden
insbesondere außer Bernhard noch Ivo und (zwei
bis drei) Hans St. und auch ein Clans (Wolf)
St., von welch letzterem 15 Bilder in der Frauen-

i) Namentlich befand sich in derselben ein
alter, ursprünglich in der evangelischen Stadt-
pfarrkirche zu Jsny gestandener Flügelaltar
von B. St., dessen Geniälde nunmehr in die
Berliner Galerie (Kat. Nr. 563 a—d, 583) über-
gegangen sind.
 
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