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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 11.1893

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Nr. 12
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Beck, Paul A.: Die schwäbische Skulpturschule im germanischen Museum zu Nürnberg, [2]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15910#0124

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112 —

und auch Aehulichkeit mit der der vorerwähnten
Madonnafigur hatte.

Literatur.

Die Engel des Melozzo da Forli.
Farbenholzschnitte von H. rurd R. Kn öf-
ter. Kunstverlag von Julius Schmitt
in Florenz. Größe: 18 und 21 cm, ans
dunkelblauem Grund, oben rund mit
Golddecken. Preis unaufgezogen ä 8,60 M.;
in braunem Passepartout mit weißer Facette
n 7,20 M.z irr geschnitzten Nutzholz-
rahmeu n 16 M.

Dem himmlischen Reigen der Engel Fiesoles,
ivelchen wir im Archiv vvrgeführt haben, läßt
Julius Schmitt neuerdings zwei Engel des Me-
lozzo da Forli folgen. Sie gehörten ursprüng-
lich zu denr berühmten Bilde der Himmelfahrt
Christi, einem Freskogemälde, welches die Halb-
kuppel des Chores der Kirche 8s. Apostoli
schmückte. Als 1711 diese Kuppel zerstört wurde,
flüchtete man ins Treppenhaus des Quirinal
die Hauptgestalt, den segnend auferstehenden
Christus mit einer Schaar von Engeln; zehn
Bruchstücke mit musicirenden Engeln und vier
Apostelkopfe wurden iu der Stanza capitolare
der Sakristei von St. Peter geborgen. An
letzterem Ort sind auch die Originale des Engels
mit der Mandoline und des Engels mit der
Handtrommel, deren wunderbar feine Reproduk-
tionen von den Meisterhänden der beiden Knöfler die
neueste Publikation des rührigen Verlegers bilden.

Beide Engel sind als Halbfiguren gegeben
nnb auf zwei Blättern als Pendants zn-
sammengepaßt. Auch im Original ist der Man-
dvlinenengel nicht in ganzer Gestalt zu sehen;
er sitzt vielmehr so auf einem Wolkenthron, daß
bloß seine rechte Seite, sein ganz nach vorn ge-
wendetes Gesicht und der obere Theil seines
rechten Fußes, der die Mandoline zu tragen hat,
sichtbar ist, im übrigen aber die Füße von der
Wolke verhüllt werden. Sein hellblaues Gewand
hebt sich nur leise ab von dem blauen Firmament;
durch den unten geschlitzten Aermel dringt iu
reichen Falten das weiße Hemdchen hervor; von
den Hüften an deckt ihn ein hellbraunes Ober-
gewand, das sich weit ausbauscht. Sein Antlitz
wird man so leicht nicht wieder vergessen können;
von einer Ueberfülle von Locken umrahmt, leuchtet
es dem Beschauer mit den vollen, festen und
doch weichen Zügen und den großen Mandel-
augen bis ins Herz hinab; sein Gesicht ist ganz
Musik, Ohr und Seele versunken in die der
Mandoline entströmenden Melodieen, und bestrebt,
diese Melodieen im reinsten Einklang zu hallen
mit der Musik der andern Engel. Ein Stück
seines großen Flügels ist noch zu sehen und was
von rechts ins Bild hereinschwebt, ist das flie-
gende Gewand eines größeren, zur Seite des
Heilands schwebenden Engels; dasselbe stört
nicht, sondern nimmt sich auf dem Kunstblatt
wie ein herabwallender Vorhang aus.

Der Engel mit der Trommel ist auf dem
Original eine ganze, schwebende Gestalt: hier

sehen mir ihn in etwas mehr als Halbfigur;
gerade genug, um eine Vorstellung zu erhalten
von dem ebenso kräftigen wie reichen Schwung,
mit welchem er gen Himmel schwebt. Er hält
seine Trommel hoch empor an sein Antlitz, das,
umwallt und umfluthetvon den fliegenden Haaren,
ganz in Exstase leuchtet; der Mund ist halb
offen, die Augen nach oben gewendet; die Züge
sind noch voller und weicher als die des andern
Engels, und mehr weiblichen Charakters. Sein
Gewand ist hellroth, der eine Aermel grünlich
mit geschlossenem Schlitz; am linken Arm hat
sich der Schlitz geöffnet und das weiße Hemd
den ganzen Oberarm überfluthet.

Melozzo und Fiesole sind zeitlich nicht sehr
Iveit auseinander; ersterer >var 17 Jahre alt,
als Fiesole starb. Aber wieviel liegt zwischen
beiden und welch verschiedenen Familien gehören
die Engel Fiesoles und die Melozzos an! Fiesoles
zart hingehauchte, ätherische Gestalten sind ver-
weht für immer; man vermochte nicht mehr,
wie er, aus einer Formenwelt zu schöpfen, welche
mehr der Intuition, als der Betrachtung des
wirklichen Lebens entnommen war. Fiesoles
Engel sind himmlische Visionen, vom Künstler-
geiste herabcitiert und soweit mit Körperlichkeit
überkleidet als nötig; Melozzos Engel sind der
Erde entstammte Wesen, vom Künstlergeist be-
schwingt und in die Lüfte gehoben. Aber das
muß zugegeben werden: obwohl Melozzo in den
Regionen irdischen Lebens seine Motive sucht,
er bleibt nicht in ihnen befangen und gefangen;
so sehr er das sinnlische Element und die
Körperlichkeit betont und mit so kräftiger Plastik
er es in dem vertieften Ramir zur Geltung
bringt, — es ist eine reine Sinnlichkeit, keine
fleischliche, und er weiß sie dem geistigen Ele-
ment unterzuordnen. Auf diesen Gesichtern und
Gestalten, durch welche ein so volles, überquellend
fröhliches Leben pulsiert, liegen doch die ver-
klärenden Reflexe einer höheren Idee, eines christ-
lichen Geheimnisses; das Spiel und der Jubel
dieser Engel ist nicht aus der Tiefe, er komnit
von oben und trägt nach oben. So entschieden
wir daher für das Haus Gottes und für den
Altar den Engeln Fiesoles den Vorrang ein-
räumen, so gern nehmen mir die Engel Melozzos,
vollends in Copien, welche Formen und Geist
und den ganzen Schmelz des harmonischen Colo-
rits der Originale so vollkommen und unge-
schwächt wiedergeben, so gerne nehmen wir sie in
unsere Häuser ans und so sehr sind wir überzeugt,
daß auch sie dazu bienen können, dem irdischen
Leben zum Aufschwung nach oben zu verhelfen.

Hirt einer Aunfibeilage:

Entwürfe für Taufsteine.

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Ein Abmdmahlkiild,

älteres Gemälde, Größe ca. f,50 X! l,00 rn,
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f. christl. Kunst".

Stuttgart, Buchdruckerei der Akt.-Ges. „Deutsches Volksblatl".
 
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