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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 2
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Keppler, Eugen: Der Tabernakel zu Weilderstadt, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0015

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10

„Welch süßes Glück, Dein Bild sich ein-
zuprägen,

Die Worte Deines Mnndes aufznfasseu!
O selig, die an Deinem Mahle saßen,

O selig, die an Deiner Brust gelegen!"

Ein schöner antiker Kopf stützt als Kon-
sole die Hängplatte in der Mitte und sen-
det einen zierlichen Abhängling bis in den
Bogen der Abendmahlsnische herein, das
Untere mit dem Oberen schön vermittelnd.
In dem schmalen Streifen zwischen den
Sänlenanfsätzen liest man: Qui manducat
hunc panem, vivet in aeternum.

Sind unten die Standbilder von Moses
und Paulus so angebracht, daß sie vom
schmalen Unterstück zum breiten Mittelstück
überleiten helfen, so bahnen umgekehrt die
auf den Kröpfen des Hauptgefimses (in der
Verlängerung der Säulen) stehenden freien
Engelsfignren mit Lanze und Leiter die
jetzt nothwendig werdende Verjüngung an.
Sie flankiren den von Hermen getragenen
schmäleren Obertheil, der in ziemlich quadrati-
schem Feld das glanzvolle Hochrelief des
Mannaregens enthält: eine ©nippe von
Männern und Frauen, eine mit ihrem
Kleinen im Arm, welche in den wechselndsten
Stellungen den ans der Wolke strömenden
Segen aufsammeln, während im Hinter-
grund die Zelte der Wüste auftanchen. In
der Mitte der Sammelnden erkennt man
Moses und Aaron, majestätisch anfgerichtet.
Letzterer betet gerade die in der Wolke er-
schienene Herrlichkeit des Herrn an (vgl.
2. Mos. 16, 9 ff.). Das Bild wird von
der Inschrift überragt: Jo. VI, Patres
vestri manducaverunt Manna et mortui
sunt. — Zwei Voluten über dem Kranz-
gesims mit sitzenden Figuren (Engeln, die
wieder Leidenswerkzenge tragen) dienen als
krönender Aufsatz des Ganzen. Zuoberst
sehen wir auf einem Postamente, das auf
zwei(ausnahmsweise) naturalistischen Köpfen
ruht, das Standbild des segnenden, die Sie-
gesfahne haltenden Christus. Die Mitte
des Giebelfeldes nimmt ein Relief: die drei
Wanderer ans dem Wege nach Emans ein;
es ist nur zu Faden geschlagen, setzt sich
ziemlich anorganisch auf einen Engelskopf
auf und zeigt, außer einem Spruchband
darüber, soviel wie gar keine Umrahmung;
letzteres besagt: Cognoverunt eum in
fractione panis. Das übrige Ausfüllsel
zwischen den Voluten ist vollends kraus,

während diese selbst in schönem Schwung
das Schlußstück einleiten und mittels der
darauf sitzenden Engel zum Höhepunkt des
Ganzen, zur imposanten Gestalt des Sie-
gers über Tod und Hölle emporführen.
Als praktischer Kopf scheint sich der Meister
in diesen obersten Regionen nur um die
ins Auge fallenden Umrisse gekümmert, das
Kleine aber, als von nuten doch nicht wahr-
nehmbar, absichtlich unvollendet gelassen zu
haben.

Aber hier in der Unvollendnng trium-
phirt gerade sein Gedanke. Aus der Tiefe
ausgehend, erreicht er hier seinen Höhe-
punkt. Unten der iu der Wüste verschmach-
tende Elias: oben der Sieger über Elend
und Tod; unten die menschliche Unfähig-
keit, ans dem Weg zum Himmel nur einen
Schritt weiter zu kommen: oben die voll-
endete Beselignng des Menschen, die auch
sein leibliches Leben in die Klarheit auf-
nimmt. Ein Mittel aber, zu dieser Höhe
zu gelangen, zu der uns der Retter den
Weg geebnet, ein Unterpfand, daß wir dort-
hin gelangen werden, haben wir an dem
Himmelsbrode: nicht an dem, welches die
Väter in der Wüste gegessen, die gestorben
sind; nicht an dem, welches der Engel dem
Propheten reicht und welches ihn befähigte,
sein irdisches Ziel, den Berg Horeb, zu
gewinnen, sondern an jenem, welches „die
Mittheilnng des Leibes des Herrn" und
der Herr selbst ist. — Hier im Tabernakel
hat er seinen Thron. Engel umgeben ihn
beständig und beten ihn voll Entzücken an;
die Leidenswerkzeuge aber tragen sie, weil
er uns im allerhl. Sakrament das Ge-
dächtniß seines Leidens hinterlassen hat.
„So oft ihr," sagt der Apostel, „dieses
Brod esset und diesen Kelch trinket, sollet
ihr den Tod des Herrn verkünden, bis er
kommt." Genießen wir es und wir werden
fühlen, daß sich unsere Schwachheit in
Stärke verwandelt und die Feinde unseres
Heils werden nutzlos gegen uns kämpfen
und wenn wir in der traurigen Wüste
dieses sterblichen Lebens Jesus Christus
nachgefolgt sind, so wird an uns die Ver-
heißung in Erfüllung gehen: „Ich bin das
lebendige Brod, das vom Himmel herab-
gekommen ist; wer von diesem Brode ißt,
wird ewig leben." — Eine steinerne Pre-
digt, die je nach dem Bildungsgrad oder
vielmehr nach der Empfänglichkeit des Be-
 
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