Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Your session has expired. A new one has started.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

DOI issue:
Nr. 2
DOI article:
Keppler, Eugen: Der Tabernakel zu Weilderstadt, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0017

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
12

bert und eine Uebersicht über beit Reichthum
gestattet, wird denn auch der Eindruck
einer wahrhaft großartigen Pracht erzielt.

Da aber au letzterer das eigentliche
Bildwerk, die Figuren unseres Tabernakels
den größten Antheil haben, so wäre unser
Urtheil über denselben nicht abgeschlossen,
wenn wir nicht auch ihre Art und Aus-
drncksweise würdigten. Es ist begreiflich,
daß sie besonders die Züge ihrer Zeit
tragen. Sie sind an und für sich in guten
Verhältnissen gebildet, meist mit prächtig
charakterisierten Köpfen ansgestattet; sie
oerrathen, namentlich Moses und Paulus,
ein Natnrstndium, das bis zur feinsten
Nachbildung der Adern geht, aber ihre
Haltung ist zn bewegt. Da die Künstler
des Darok ihren Vorbildern anch die
ihnen von Hans aus fremde südländische
Geberdesprache entlehnten, wurden sie
manierirt, daher ihnen die ungezwungene
Auffassung und Darstellung des Menschen-
leibs immer unmöglicher wurde. Wenn
diese in der herrlichen Gruppe des Elias
mit dem Engel, wie uns scheint, doch ge-
lungen, so zeigt sich darin besonders die
nicht gemeine Begabung unseres Lands-
manns. Das Gezwungene und Gespreizte
in Moses und Paulus: bei den Engels-
gestalteu mit Säule und Kreuz wird es
vollends zur Verrenkung. Die zwei freien
Evangelistenfiguren sind würdevoll, aber
theatralisch und in dem Abendmahl dürfte
das Ueberschwengliche, namentlich in der
Geberde des Petrus von einer gewissen
Süßlichkeit nicht freizusprechen sein. Doch
finden wir (wie schon oben angedeutet)
das Ueberschwengliche als solches deßwegen
hier nicht aus dem Wege, weil es galt,
die Gluth der Empfindung dem Beschauer
unmittelbar zur Anschauung zu bringen.
Aus dem Manuaregeu dagegen spricht uns
mehr jene gleichmäßige Ruhe an, die wir
an antiken Bildwerken bewundern. Beide
große Reliefansichten zeigen gleich glückliche
Gruppirung und gleiche technische Voll-
endung. Unsere Bemerkungen über letzteren
Punkt dürfen wir vielleicht durch ein Kunst-
urtheil ergänzen, das sich auf eine andere
Arbeit bezieht, aber eben in unserem Falle
den Nagel auf den Kopf trifft. „Das-
jenige, was für eine Reliefdarstellnng als
unerläßliche Regel gilt, daß sie einem Bilde
gleichsehe, welches statt durch Farbe durch

einen je nach dem Platz der Objekte höheren
oder flacheren Auftrag von plastischer
Masse entstanden ist, diese Regel ist hier
mit Strenge beobachtet. Dabei ist nicht
ansgeschlossen, daß solche aufgetragene
Masse sich je nach den Umständen bis zu
ganz frei gearbeiteten Stücken loslöst (vgl.
der weineinschenkende Jünger). Im Gegen-
theil wird die Wirkung hiedurch bedeutend
kräftiger, so lange die hochreliefirten Theile
die Fläche nicht verlassen. Unser Meister
überschreitet anch hierin die Grenzen des
guten Geschmackes nicht."

So haben wir an ihm einen ebenso
tüchtigen Bildhauer als Architekten, einen
ungewöhnlichen Künstler, wenn auch ein
Kind seiner Zeit. Im Dekorativen beweist
er theils eine Feinheit des Geschmacks,
theils eine Unerschöpflichkeit der Erfindung,
einen Ueberreichthnm an Phantasie, wie er
im Zeitalter unserer Kunstschulen leider
nirgends mehr gedeiht, und im Figürlichen
bethätigt er ein Können, eine Kraft, ein
Leben, die ihm unter den Nachahmern des
gewaltigen Michelangelo einen Ehrenplatz
sickern. Mögen auch bis jetzt die Kunst-
schriftsteller über ihn schweigen, sie werden
lernen müssen, seinen Namen auszusprechen.
Ein solches Unikum, wie es die kleinste
unserer mittelalterlichen Freistädte in diesem
Tabernakel besitzt, an künstlerischem wie
an religiösem Ernste gleich hervorragend,
verdient um so mehr von uns hochgeschätzt
zn werden, als es die Frucht einer Zeit
ist, in der alles geistige Leben theils im
Ersterben, theils dem Ersterben nahe war.

Wir fügen hier noch an die Beschreibung
eines weiteren, viel einfacheren, aber immer
noch würdigen Sakramentshauses ans der
Renaissancezeit, vgl. die Beil, der ^letzten
Nummer.

Dasselbe befindet sich in der Pfarrkirche
in Glatt in H v h en z o lle rn. Es ist
eine Stiftung des Ritters Reinhard von
Neuneck, Herren zn Glatt, der zweimal
ins heilige Land wallfahrte, sich um die
Erhaltung des katholischen Glaubens in
Glatt sehr verdient machte und im Chor
der Kirche begraben liegt. Derselbe starb
1551; das Sakramentshaus trägt die Jahr-
zahl 1550. Es hat eine glückliche Anlage
und gute Verhältnisse; seine Höhe beträgt
3,30 m; die Ornamentik ist einfach, aber
geschmackvoll. Figürlichen Schmuck zeigt
 
Annotationen