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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 6
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Die Bemalung unserer Kirchen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0056

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50

Händen itnb wirkliche Künstlerhände zur
Verfügung sind, nicht nach dem Beispiel
unserer Vorfahren Bild an Bild reihen
unb nicht mit eng aneinander gedrängten
Kompositionen die Wände füllen. Damals,
als das Volk noch nicht lesen konnte und sich
in der Kirche noch keiner Gebetbücher be-
diente, als von religiösen Bildern in den
Händen und in den Wohnungen des Vol-
kes noch keine Rede war, mußte für all
dies die monumentale Malerei (im Bunde
mit der Tafelmalerei und der Skulptur)
eintreten. Da galt es den Raum zu
sparen und ausznnützen, womöglich ans
die Tafeln der Kirchenwände einen ziem-
lich erschöpfenden Anschannngönnterricht
über die vorzüglichsten Heilsthatsachen und
Heilswahrheiten, eine Biblia pauperum
anznmalen, die Augen und Gedanken de-
rer, welche hier beim Gottesdienst ver-
sammelt waren, nutzbringend zu beschäfti-
gen. Das alles ist hentzutag doch wesent-
lich anders geworden. Die monumentale
Malerei ist entlastet worden durch viele
andere Hilfskräfte, welche sich mit ihr in
jene Aufgaben theilen. Daher brauchen
wir es nicht mehr ans Häufung der hei-
ligen Darstellungen abzusehen; wir können
freier über diese Wände verfügen und uns
begnügen mit wenigen, aber möglichst voll-
kommen ausgesührten Kompositionen, de-
nen wir die für sie geeignetsten Wand-
flächen Vorbehalten. Denn es gibt in der
That Wandtheile, welche sich hiefür weni-
ger eignen, sollten sie auch im Mittelalter
oder iu späterer Zeit doch beigezogen wor-
den sein. Als solche Wandtheile sind zu
bezeichnen einmal die untersten, sowohl
wegen der Gefahr der Zerstörung durch
Feuchtigkeit oder durch körperliche Berühr-
ung, als deßwegen, weil es etwas gegen
die Würde verstößt, wenn heilige Gestalten
und Sceuen sich sozusagen am Boden
Herumtreiben. Als weniger geeignet wird
man vernünftigerweise bezeichnen müssen
die obersten Regionen hoher Kirchenwände,
weil hier angebrachte Gemälde, falls sie
nicht unverhältnißmäßig groß ausgeführt
werden, ohne Opernglas gar nicht mehr
zu sehen sind; wir können aber nicht
wünschen, daß das Volk mit dem Gebet-
buch auch das Opernglas mit in die Kirche
bringe, und wir malen unsere Kirchen auch
nicht für reisende Engländer und Kunst- i

jünger, die mit einem solchen versehen sind.
Als weniger geeignet heben wir auch —
trotz des Beispiels der Barock- und Zopf-
malerei unb trotz weitverbreiteter gegen-
theiliger Anschannngen — hervor die Fel-
der eines ebenen oder slachgewölbten Pla-
fonds , namentlich in Kirchen von ziem-
licher Höhe oder auch von sehr geringer
Höhe. Denn die Besichtigung solcher Pla-
fondbilder ist mit so vielen Schwierigkeiten
verknüpft, daß sich die großen Ausgaben
für dieselben nicht rechtfertigen lassen;
diese Schwierigkeiten würden sich noch stei-
gern, wollte man das von Semper-Knhn
(S. 60) vorgeschriebene Gesetz befolgen
unb die Figuren im Plafond mit den
Köpfen nach der Thüremit den Füßen
nach dem Altäre richten.

4. Wenn man von figürlichen Male-
reien absehen will und muß, erfordert
eine wahrhaft k ü n st l e r i s ch e Aus-
malung unbedingt die Ueberklei-
dnng und Ueb erspinnung der
Wände mit farbigem Ornament
von unten bis oben? muß i m m e r
ein Ornament unmittelbar ins
andere überleiten? darf nirgends
eine größere eintönige Fläche
übrig bleiben, welche nicht min-
destens durch eingezeichneteQua-
d r i r u n g o r n a m e n t i r t wäre?

Diese Fragen werden vielfach bejaht.
So auch von Kuhn. „Daß eine Wand-
fläche," so lesen wir hier (S. 54), „nicht
nackt bleiben darf, sollte sich eigentlich von
selbst verstehen. Es gibt aber Herren,
selbst unter den Kunstkennern, die für
nackte Wandflächen schwärmen und beson-
ders die Quadrirnng von der Wand ver-
bannt wissen wollen. Eine größere Wand-
fläche darf nie ohne Ornament bleiben.
Eine nackte kahle Wand, die dem Ang
keinen Rnhepunkt gewährt, wirkt höchst öd
und langweilig und gleicht einer baumlosen
Ebene." Kuhn citirt dann Reichensperger
(„monotone Wandflächen sind möglichst
fern zu halten") und Fisenne; letzteren
nicht ganz mit Recht, denn er redet aus-
drücklich von großen weißen Flächen,
die bei einer Bemalung nicht Vorkommen
dürfen, was unbedingt richtig ist.

Diese Anschauung ist nach meiner tiefsten
Ueberzengnng innerlich unbegründet und
krankhaft. Selbst wenn die Mittelalter-
 
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