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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 8
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Vorschlag zu einem neuen Kirchenbaustil
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Bach, Max: Der angebliche Ravensburger Bildschnitzer Friedrich Schramm, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0077

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70

und unbegründet, praktisch unbrauchbar.
Die theologische und biblische Grundlage
seines Nesormplans ist eine reine Fiktion.
Daß die Apokalypse an der angezogenen
Stelle Andeutungen oder Normeir für den
nentestamentlichen Kirchenban geben wolle,
ist ein abstruser Gedanke; auch ist es
durchaus nicht richtig, daß der Seher aus
Patmos die Kirche ,,i>'. materieller Gestalt
eines überaus Pracht- und prunkvollen
Tempels darstelle" (S. 15); er stellt sie
vielmehr dar unter dem Bilde einer Stadt
und beschreibt lediglich deren Umfassnngö-
nianern und Thore. Das Bild einer Stadt
kann aber unmöglich zum Vorbild eittes
Tempels genommen werden, vollends wenn
in der apokalyptischen Schilderung noch
ausdrücklich gesagt ist: „tuib einen Tempel
sah ich nicht in ihr, denn Gott der Herr,
der Allmächtige ist ihr Tempel ltnb das
Lamm" (Vers 22). Die symbolische Be-
gründnng des Verfassers taugt eben)o-
wenig. Daß das Quadrat die Vollkom-
menheit sinnbilde, ist auch nichts als eine
symbolische Fiktion; viel eher könnte man
ans der geläufigen Anschauung, wornach
die Kreislinie die vollkommene ist, den
Rundbau als vollkommenste Kirchenanlage
ableiten. Die Krenzesform kommt in dem
Grundriß gar nicht zur Ausprägung; es
müßten denn nur die vier Treppenanlagen
die Funktion haben, sie ansznsprechen.
In der Gliederung: Unterbau, Mittelbau,
Krönung ein Abbild der Dreieinigkeit fin-
den zu wollen, ist ebenso spintisirende
Spielerei, wie die Motivirnng der durch-
aus rechtwinkligen Anlage mit dem Ge-
danken, daß das Gotteshaus ein Symbol
der Kirche sein müsse, diese aber den Be-
ruf habe, durch die Rechtfertigung die
Menseben gerecht und gerade zu machen
(S. 12). Solche flimmernde, fchilleri.de
Allegorien, solche geistreichelnde Wortspiele
taugen nicht zu tragenden Gliedern einer
gesunden kirchlichen Architektur.

Was den Stil der Reformkirche an-
langt, so ist einmal die ausschließliche Zu-
lassung des romanischen vom Verfasser
durchaus unzulänglich begründet. Sodann
aber ist sein Reformban gar nicht ro-
manisch; Wesen, Grundcharakter, Konstruk-
tion des romanischen Stils ist vollständig
verlassen, man müßte denn nur das Wesen
dieses Stils im Rundbogen der Fenster

und Thüren beschlossen glaube». Mit viel
mehr Recht wäre dieser Stil etwa als
Frührenaissance zu bezeichnen.

Die angeblichen praktischenVortheile dieser
Kirchendisposition verwandeln sich bei ge-
nauem Zusehen in ebensoviele Unznträg-
lichkeiten. Der Altar wird in die Mitte
gestellt, einmal weil die Mitte der Ehren-
platz sei — warum stellen denn Könige
und Kaiser dann nicht auch ihren Thron
im Andienzsaal in die Mitte hinein? —
sodann weil so die Aufmerksamkeit der
Gläubigen konzentrisch auf Einen Punkt
gerichtet sei und so ihre Andacht nur ge-
winnen könne. Gerade das Gegentheil wird
wahr sein; wenn der Altar in die Mitte
der Schlnßwand gerückt ist, dann sind alle
Blicke ans ihn gerichtet, und dann ist der
Andacht Vorschub geleistet, denn es fällt
der durchaus störende Umstand weg, daß
sich die Andächtigen beständig ins Gesicht
sehen. Die Predigt wird in solcher Kirche
schon zur akustischen Unmöglichkeit, ob der
Prediger von einem der Eckwinkel des Ge-
bäudes ans oder von der Höhe eines
Portals herab rede. Die Beleuchtung des
Jnnenranms wird zur größten Schwierig-
keit, vollends wenn Glasmalereien die
Fensterösfnnngen füllen, denn die letzteren
empfangen kein unmittelbares Licht, son-
dern nur mittelbares durch zehn Meter
tiefe Vorhallen.

Legen wir den unglücklichen Versuch
ad acta und verlieren wir mit solchen
Originalitäten die kostbare Zeit nicht.
Was Noth thnt, ist ein ernstliches Nach-
denken darüber, in welcher Weise unsere
erprobten alten Stile und Kirchenanlagen
mit Geist gehandhabt und manchen gegen
früher etwas veränderten Bedürfnissen und
Verhältnissen organisch angepaßt werden
können. —

Der angebliche Ravensburger Bild-
schnitzer Friedrich schramm.

Von Max Vach in Stuttgart.

Der Name dieses Künstlers tritt erst-
mals auf in Grüneisen und Manch, Ulms
Knnstleben im Mittelalter (Ulm 1840),
wo es Seite 64 anläßlich der Besprechung
der schwäbischen Bildschnitzerschule heißt:
ein merklicher Fortschritt der Skulptur
bestehe in der Aneignung des besonderen
 
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