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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 12.1894

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Nr. 12
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Nachrichten über in Württemberg gefundene alte Wandmalereien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15911#0117

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108

Marienkirche wirklich Reste alter Wand-
malereien. Nachforschungen im Chor, an
den Thurmwänden und an den Wän-
den des Hochschiffs und der Seitenschiffe
waren zwar resnltatlos, um so ergebniß-
reicher aber die an der Westwand der
Kirche in allen drei Schiffeil.

Bemalt fand man hier vor allem die
Lünetten der beiden Nebenportale
und zwar je mit einem Krenzigungsbild
unter Assistenz von Maria und Johannes.
Die beiden Gruppenbilder sind mtv wenig
variirt; das Kreuz hat ans dem einen und
dem andern runde Balken; der Leib des
Gekreuzigten ist sehr stark seitlich ansge-
bogen, Hände und Arme mager, das Haupt
ans den Arm niedergesnnken. Neben der
Lünette ist rechts (vom Beschauer) noch
zu sehen die Gestalt der hl. Katharina,
welche in der einen Hand das kleine Rad
trägt, die andere ans den großen Knauf
eines Schwertes stützt; links ist noch halb
erhalten ein Christophornsbild; der Heilige
stützt sich auf eineu Baumstamm, der oben
in reichem Blätterwipfel endet; sein schö-
nes Antlitz wendet sich nach oben und
schaut dem Kinde in'S Auge, welches auf
seiner Achsel sitzt in frischer, leichter Halt-
ung, das eine Händchen seinem Träger
segnend anffs Haupt legt, das andere wie
balancirend nach der entgegengesetzten Seite
ansstreckt. Demselbeli Heiligen begegnen
wir wieder rechts von der Lünette des
nördlichen Nebenportals; die Darstellung
ist hübsch variirt; hier senkt der Heilige
demüthig sein jugendlich lockiges Haupt;
das Jesuskind ans seiner Schulter schaut
anmutig ans ihn herab, legt ihm die eine
Hand ans das Haupt und segnet mit der
andern; der Baum ist hier nicht belaubt;
die untere Partie, das Wasser, welches er
mit seiner kleinen großen Last durchschrei-
tet, ist auch hier nicht mehr zu sehen.
Links von diesem Portal steht dem Chri-
stophorns gegenüber eine gewaltige, ener-
gische Gestalt mit kräftig individnalisirten
Gesichtszügen; sie hält mit beiden ansge-
streckten Händen ein langes Schwert, offen-
bar eben im Begriff, dasselbe aus der
Scheide zu ziehen; ein eng anliegendes
Kleid umwallt ein rother Mantel in gro-
ßem, weitem Wurf. Ueber dieser Gestalt
des hl. Paulus ist in etwas kleineren Di-
mensionen ein Erbärmdebild angebracht,

d. h. eine Darstellung des Heilandes in
seiner Passion, wie sie dem Mittelalter
sehr geläufig war. Mit allen Zeichen des
Schmerzes und der schmachvollen Erniedri-
gung steht er da, die Arme über dem ent-
blößten Oberkörper gekreuzt, von den Len-
den an mit rothem Mantel bekleidet, die
Füße bloß; ihm zur Seite je ein Engel
mit großer Kerze.

Leider wurde die Lünette des mittle-
ren H a n p t p o r t a l s einmal ansgebro-
chen und untermauert. So ist ihr Ge-
mälde zu Grund gegangen; weinr sie nicht
ebenfalls mit einem Krenzigungsbild aus-
gestattet war, so schmückte sie wohl einst
ein Gerichtsbild oder ein Bild des ans
dem Regenbogen sitzenden Richters in der
Mandorla. Zu diesem sah wahrscheiulich
einst der Bischof auf, welcher jetzt noch
rechts vom Portal sein Haupt so lebhaft
und graziös nach oben wendet, während
sein Genosse ans der andern Seite nach
vorn blickt. Benennen können wir beide
nicht, da sie keine andere Attribute haben
als Buch und Pednm.

Bei Untersuchung der unteren Wände
der Seitenschiffe stellte sich heraus,
daß dieselben einstens durch einen festlichen
Zug von Blendarkaden mit Sänlchen ge-
gliedert waren. Die Zwickel zwischen den
schlimm zugerichteten Arkadenbögen waren
ebenfalls mit Malereien geschmückt. Das
sehen wir noch am unteren Ende des süd-
lichen Seitenschiffes, wo noch zwei Zwickel-
felder sichtbar sind, während alle übrigen
von dem Gebälk der Nebenschiffempore
verdeckt werden. Jills unterste Feld ist
nicht ungeschickt eine sitzende Figur hinein-
komponirt mit Buch und ziemlich großem
Kreuz; wir habeu in ihr wohl nicht den
Heiland, sondern vielmehr den Apostel
Andreas zu erkennen, niib dürfen schließen,
daß alle diese Zwickelfelder mit Apostel-
(bezw. Apostel- und Propheten-)Gestalten
besetzt waren.

Weitere malerische Reste haben bewahrt
die Tympana des nördlichen unb
südlichen Seiten Portals, die den
beiden Thürmen nahegerückt sind. Ueber
dem nördlichen Portal wieder eine Kren-
zignngsgruppe, gleichen Stiles und Cha-
rakters wie die andern. Das südliche
Portal ist zweitheilig und hat zwei Lü-
netten ; die eine füllt ein Erbärmdebild
 
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