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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 4
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Keppler, Eugen: Gedanken über Raphaels Cäcilia
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0033

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Archiv für christliche Ärmst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst.

Uerausgegebeir und redigirt von Stadtpfarrer Keppler in Freudeustadt.

Verlag des Rotteuburger Diözesan-Auustvereius,
für denselben: der Vorstand Pfarrer Detzel in St. Lstristina-Ravensbnrg.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für JL 2.05 durch die württembergischen {Ji 1.90
im Stuttgarter Bestellbezirk), M. 2.20 durch die bayerischen und die Reichspostanstalten,

4 fl. 1.27 in Oesterreich, Frcs. 3.40 in der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden

. auch angenommen von allen Buchhandlungen, sowie gegen Einsendung des Betrags direkt IvJv/N«
non der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstraße 94, zum
Preise von Ji. 2.05 halbjährlich.

Gedanken über Raphaels Läcilia.

Von Professor K e p p l e r.

Es gibt Werke der Kunst, bei deren
erstem Anblick blitzartig die Erkenntniß in
uns anslenchtet, daß wir einer Großthat
der Kunst, dein Werke eines Genies gegen-
überstehen. Und wieder gibt es andere,
welche keineswegs schon beim ersten An-
schanen großen Eindruck auf uns machen,
sondern erst bei längerer Betrachtung und
hingebendem Studium die Blüchenkelche ihrer
Schönheit entsalten und unserem Geist
ihre Geheimnisse offenbaren. ■

Raphaels Cäcilia gehört zweifellos in
die erste Klasse. Niemand, der einiger-
maßen ein knnstliebendes und knnstgeübtes
Auge hat, wird beim ersten Blick ans
dieses Gemälde ein anderes Gefühl haben,
als daß hier ein genialer Meister, eine
höhere Offenbarung der religiösen Knnst
in seinen Gesichtskreis tritt.

Aber es wäre nnn doch sehr verfehlt,
würde man es bei diesem ersten, vielleicht
mächtigen und überwältigenden, doch immer-
hin noch vagen und unklaren Eindruck
bewenden lassen und nach Damenweise
oder nach Art der Ungebildeten mit dem
Ausruf: schön, herrlich, großartig seine
Betrachtung des Bildes abschließen. Das
unbestimmte Gefühl, der allgemeine Ein-
druck muß zum Urtheil geklärt werden.
Wir müssen uns Rechenschaft zu geben
suchen, worin denn die Größe und Be-
deutung des Werkes liegt, inwiefern und
in was sich Geist und Hand des genialen
Künstlers verräth, wo das Geheimniß der
Unsterblichkeit des Werkes liegt und der
mächtigen Wirkung, welche seit Jahrhun-
derten von ihm ansströmt und dem Niemand
sich entziehen kann, der in seine Nähe
kommt. Wir dürfen nicht nur mit beut
leiblichen Auge die Schönheiten 'des Bildes

abweiden, sondern müssen mit Geist und
Seele uns in dasselbe vertiefen, mit ihm
reden und es befragen, hinter der sinn-
lichen Hülle die Seele suchen, Schleier um
Schleier heben, bis wir zur Idee des Bildes
vorgedrungen sind und sie zurückverfolgt
haben in den erfinderischen und schöpfer-
ischen Geist des Meisters. Das erst heißt
wahrhaft die Knnst genießen und so erst
wird ein Kunstwerk zu unserem unverlier-
baren geistigen Eigenthnm.

Unterziehen wir uns dieser lohnenden
und erfrischenden Arbeit. Das Gemälde, in
dessen Schönheiten wir »ns Verliesen wollen,
wurde 1516 von Raphael in Rom voll-
endet und in der Kapelle der hl. Cäcilia,
einer Seitenkapelle der dreischifsigen go-
thischen Kirche S. Giovanni in Monte in
Bologna ausgestellt als Altarbild. Es ist
7K Fuß hoch, Fuß breit und ur-
sprünglich aus Holz gemalt. Im Jahr
1798 wurde es wie so viele Knnstschätze
Italiens nach Paris verschleppt, dort 1803
durch den Maler Hacqnin von Holz ans
Leinwand übertragen und grausam restau-
riert; 1815 durfte es nach Bologna zu-
rückkehren, aber nicht mehr an seinen
ursprünglichen Standort. Vielmehr wurde
es aufs neue gereinigt, von einigen Ueber-
malnngen Hacqnins befreit und in der
Gemäldesammlung untergebracht, deren
Perle es nnn bildet. Trotz vieler Un-
bilden, welche es erlitten, ist das Gemälde
doch leidlich erhalten; schwer gelitten hat
freilich die Farbenharmonie, namentlich in
den oberen Theilen; sie ist ihrer größten
Feinheiten und zartesten Wirkungen ver-
lustig gegangen. Es wurden viele Copien
gefertigt, von welchen aber keine das
Original auch nur entfernt erreicht; die
beste ist die von Guido Reni, jetzt Altar-
bild der zweiten Kapelle rechts in 3. Luigi
de’ francesi in Rom; eine zweite im
 
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