Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Gedanken über Raphaels Cäcilia
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0034

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Museum zu Dresden wird Dionigi Eal-
vaert aus Antwerpen (gest. 1619) zuge-
schrieben; eine dritte in der Pinakothek in
München stammt aus Bologna. Von dem
Stiche Marc-Antonios werden wir nachher
sprechen.H Die in der Knnstbeilage enthaltene
Wiedergabe kann natürlich nur eine sehr
unvollkommene Vorstellung von der Com-
position ermitteln, aber immerhin der Be-
sprechung einigermaßen als Grundlage
dienen.

Was gibt uns das Bild zu schauen?
Aehnlich wie Raphaels Verklärung oder
Dispnta oder Madonna von Foligno ver-
theilt sich auch das Cäcilienbild in zwei
Regionen oder Sphären, eine irdische und
eine überirdische. Oben öffnet sich der
Himmel und im vollen Sonnenlicht himm-
lischer Glorie erscheint ein Sängerchor,
der ans den Wolken sich mit seinen Roten-
hesten niedergelassen hat, sechs Engel, nicht
in schwerer Körperlichkeit dnrchgebildet,
sondern visionär verschwebend und verweh-
end. Von da geht alles Licht und Leben
des ganzen Bildes ans; man sieht es
förmlich von oben herniederflnthen und
herniederthanen, auf die fünf Gestalten,
welche unten stehen.

Cäcilia in ihrer Mitte zieht zuerst
den Blick auf sich. Eine überaus liebliche,
jungfräuliche Gestalt, in anmutigster Stel-
lung und fürstlich reicher Gewandung. Die
ganze Seele hat sich bei ihr ans dem
Körper ins Antlitz und ins Auge zurück-
gezogen, welches voll inneren Glückes und
ganz in Seligkeit getaucht sich nach oben
wendet und sich badet in den Harmonien,
welche von oben herabwogen. Sie ist in
Vision und Exstase der Wirklichkeit ent-
rückt, nur mehr Ang und Ohr für eine
andere Welt. Eine Empfindung von un-
endlicher Tiefe und Stärke beseelt ihr
Antlitz; aber keine Unruhe des Affekts
flackert in ihrem Auge, zittert in ihrem
Gesicht, zuckt durch ihren Körper; vielmehr
ist es ein Gefühl vollbefriedigter Seligkeit,
welches Gestalt, Gesicht und Auge in un-
bewegliche Ruhe bannt, die Glieder löst,
Zle Regung und alles Bewußtsein des
irdischen Daseins anfhebt. Unbewußt und

, ') Crowe und Cavalcaselle, Raphael,
sein Leben und seine Werke, llebersevnng von
C. Aldenyofen, Leipzig 1883. II. 289 ff.

nur mehr mechanisch halten die Hände die
kleine Orgel, welche sie eben gespielt,
welche aber mit den Armen sich abwärts
gesenkt hat, so daß einige ihrer Pfeifen
sich gelöst haben und im nächsten Augen-
blick zu Boden fallen werden.

Gleich ihr hat die Welt und die Um-
gebung vollständig vergessen der hl. Panlns
zu ihrer Rechten. Aber seine Gestalt, un-
gemein wuchtig und imposant, ein Bild
höchster geistiger und körperlicher Kraft,
bildet im übrigen den stärksten Contrast
zu ihr. Die linke Hand, welche zusammen-
gefaltete Blätter umschließt, stützt sich ans
das blanke Schwert, und auf der Hand
und dem Schwertknans ruht der Ellbogen
des rechten Armes. Das mächtige Haupt
mit dem dichten Haarschmnck und den
scharf charakterisirten Gesichtszügen senkt
sich und schmiegt sich in die rechte Hand;
das Auge ist halb geschlossen. Während
Cäciliens Antlitz ganz nach oben gewendet
ist und gleich einer verschlossenen Blume
die Düste ihrer süßen Empfindungen, als
Echo der himmlischen Musik emporsendet,
ist das Gemüth Pauli in sich gesammelt
und verschlossen. Auch er steht ganz unter
dem Banne und Zauber der Engelsgesänge,
aber er lauscht dem Widerhall derselben
in seiner tiefsten Seele und verarbeitet die
Gefühle und Gedanken, welche sie in ihm
wecken, in tiefster Brust. Was kein
Auge gesehen, kein Ohr gehört, in keines
Menschen Herz eingegangen ist, das hat
auch ihn der Erde völlig entrückt, aber
mit der Energie des Mannes und des
Denkers hat er die gewaltige Erschütterung,
welche es in ihm hervorrief, bewältigt
und er überläßt sich nun einem abgrund-
tiefen Sinnen und Träumen.

Ganz anders die Gestalt der h l. Magda-
lena, welche rechts das Bild abschließt.
Sie ist voll Bewegung und äußeren Lebens.
Im Eilschritt der Freude eilt sie herbei,
ihr kostbares Rardengefäß mit beiden
Händen vor sich tragend. Auch ihr haben
die himmlischen Weisen das Herz mit
Wonne erfüllt, aber ihre Freude drängt
nach außen, sie braucht Zeugen, sie will
sich andern mitteilen, und so schaut sie ans
dem Bild heraus auf die Beschauer und
ladet die Erdenpilger ein zum Mitgennß
des Concertes. Freuet euch mit mir, so
mahnt ihr seelenvolles sprechendes Auge,
 
Annotationen