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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 4
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Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurirte Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0043

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— 35

welches technische Verfahren eingeschlagen
wird. Es war in den vorigen Jahrzehn-
ten fast allgemein üblich, daß man mit
Leimfarben ans die Wände gemalt hat.
Mischt man nun aber viel Leim unter die
Farbe, so springt sie leicht auf, blättert
sich und fällt ab; nimmt man wenig Leim,
so wird die Farbe ungenügend gebunden
und alle Töne entfärben sich. Bei raschem
Temperatnrwechsel aber, wo jede Kirche
wenigstens vorübergehend feucht wird, löst
sich der Leim mehr oder weniger ans, die
Farbe ist dann ohne Bindemittel und ver-
schwindet bei trockenenl Wetter im Staube,
beim Schwitzen der Kirche aber läuft sie
als eine schmutzige Brühe an den Wänden
herab.

Eine solche technische Behandlung ist
aber in Tettnang nicht angewendet wor-
den. Bei d e r B e m a l u ngderW a n d-
flächen wurde hier das Binde-
mittel der Farben ausKalk mi l ch
und Oel hergestellt, eine Technik,
welche sich bis jetzt als die dauerhafteste
bewährt hat. Ist eine frische Tünche ganz
getrocknet, so überstreicht man bei diesem
Verfahren eine Partie der Wandfläche mit
abgerahmter, mittelst Wasser verdünnter
süßer Milch, wodurch der Grund für An-
nahme der Farbe empfänglicher gemacht
wird. Ans die so präparirte Wand wird
gemalt, so lange sie von der Milch noch
feucht ist. Die Farben werden zubereitet,
zunächst die Grundfarben, indem man die
betreffende Farbe in entsprechendem Maße
mit in Wasser aufgelöstem Kalk mischt,
bis der rechte Ton erzielt ist.

Die so vor 15 Jahren behandelte Klo-
sterkirche in Mehrerau zeigt noch keine
Spur von Zerstörung, sondern die groß-
artige Farbenharmonie steht noch, wie sie
die Meister geschaffen, in völliger Unver-
sehrtheit und ungebrochener Kraft vor un-
fern Angen. Leider daß in Folge soge-
nannter gedeckter Gläser in den Fenstern
das Licht meistens ein so ungünstiges ist,
daß das wirkliche Bild der Ausmalung
dieser Kirche nicht zu seinem Rechte kommt.
Durch in ihrem Tone richtig angewendete
Kathedralverglasung ließe sich hier leicht
abhelsen!

Mit der Frage der Haltbarkeit unserer
ansgemalten Kirchen ist auf's innigste ver-
bunden die jFrage der Reinlichkeit

und Ventilation, eine Frage, die
freilich ein eigenes, aber langes Kapitel
für sich erforderte. Nur das eine sei be-
merkt: wenn eine Kirche dnrchgehends re-
stanrirt ist, wenn man neue, kostspielige
Altäre angeschafft, wenn Kanzel, Ehorge-
stühl, Orgel, überhaupt alle innere Ein-
richtung neu dasteht, wenn die Kirche de-
korativ und signral ansgemalt ist und zu-
dem noch ein schöner, ornamentreicher Bo-
denbelag ans Mettlacher oder Einziger
Steingutplatten das Ganze abschließt, fin-
det man an vielen Orten, daß dann be-
züglich der Reinhaltung der Kirche ledig-
lich gar nichts weiter geschieht, als daß „her-
kömmlicher Weise" alle Samstag der Bo-
den der Kirche ansgewischt oder ansgekehrt
wird, — ob in der Woche Kasnalgottes-
dienst stattfindet oder nicht, oder ob viel-
leicht Hunderte von Schulkindern bei
schlechter Witterung Massen von Schmutz
in die Kirche hineingetragen haben. In
fünf bis sechs Jahren ist natürlich alles
mit Staub bedeckt, in zehn Jahren sehen
die plastischen Figtlren ans, wie ein Wan-
derer zur Winterszeit, wenn große Schnee-
flocken vom Himmel fallen, — nur die
Farbe ist verschieden, aber nicht zu Gunsten
der Bilder; da hat dann die Farbe „nack-
gedunkelt", die Vergoldnitg „nachgelassen".
Denken wir uns dazu noch den Mangel
aller und jeder Ventilation, so daß nach
einem Fest- oder Kasnalgottesdienst noch
Nachmittags 3 oder 4 Uhr die Weihranch-
wolken in der Kirche stehen, aber nicht
lieblichen Wohlgernch verbreitend, sondern
in jene giftige Atmosphäre verwandelt,
welche jenen eigenthümlich modrigen Kir-
chengernch erzeugt, der den Besucher sofort
beim Eintritt anwidert. Müssen da nicht
auch Farben und Vergoldung an Wänden
und Plafonds ersticken und zu Grunde
gehen! Ferner, in wie manchen Kirchen
kommt es vor, daß Jahre und Jahre lang
nicht daran gedacht wird, den ganzen
Kirchenboden, namentlich auch unter der
Stuhlung, einmal gründlich anfzuwaschen.
In wie vielen Kirchen geschieht dies alle
Jahre auch nur einmal? Eine diesbe-
zügliche Statistik wäre interessant, für
manchen recwor ecclesiae vielleicht auch
genant.

(Fortsetzung folgt.)
 
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