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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 6
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Keppler, Paul Wilhelm von: Gedanken über die moderne Malerei: neue Folge, [1]
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Busl, Karl Anton: Defensives zur Bildhauer Schrammfrage, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0059

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50

lasteten, reinen Form, des Phantasiescheines und
der Scheinbeseelung. Er antwortet: sie ivill
nnd soll durch die Darstellung und Betonung
des Menschlich-Bedeutungsvollen, des tieferen
Gehaltes und der inneren Wahrheit des Lebens,
durch Ueberleitnng aus dem Vordergrund der
Erscheinungen der Wirklichkeit in die tiefen Hinter-
gründe der Natur und des menschlichen Daseins
ein höheres Schauen im Unterschied vom sinn-
lichen Sehen vermitteln unb durch dieses Schauen
das Gefühlsleben des Menschen erregen nnd
beruhigen, beleben und reinigen. Mut dieser
Zwecksetzung, wenn sie im vollen Ernst nnd in
reiner Absicht durchgeführt tvird, kann man sich
befriedigt erklären, wenigstens lvas die profane
Kunst anlangt.

Durch Stellung und Beantwortung der Zweck-
frage erhebt sich die ästhetische Betrachtung
Bvlkelt's hoch über die von Konrad Lange,
denr Nachfolger Köstlin's in Tübingen, tvelcher,
allerdings im engen Rahmen einer akademischen
RedeH das Wesen des ästhetischen Genusses nnd
der Kunst begrifflich zu fassen sucht. Er findet
dieses Wesen in der künstlerischen bewußten
Selbsttäuschung, wobei durch illusivnstöreude
Momente sein solcher ist z. B. schon der Rahmen
des Bildes, das Postament der Statue) eine
thalsächliche Täuschung, ein wirklicher Jrrthum
ausgeschlossen wird. Der Jllusiousreiz tvird als
Centralreiz beim künstlerischen Genuß angesetzt
und neben ihm jener Reiz, tvelcher vom Inhalt,
vom Ideengehalt des Bildes ausgehen kann, für
ganz sekundär und unwesentlich erklärt. So er-
gibt sich ihm folgende Definition von Kunst:
„Kunst ist eine durch Uebung erworbene Fähig-
keit des Menschen, Andern ein von praktischen
Interessen losgelöstes, auf einer bewußten
Selbsttäuschung beruhendes Vergnügen zu be-
reiten" (S. 23). Aufgabe der Kunst ist nicht
das Schöne darzustellen, noch tveuiger Ideen
auszudrückeu oder irgendtvie praktische Zwecke
zu verfolgen, sondern lediglich „Werthe zu
schaffen, welche je nach den Anschauungen der
Zeit den Reiz der bewußten Selbstttänschnng
erzeugen" (S. 27).

Diese Auffassung enthält ein richtiges Mo-
ment, ist aber total ungenügend und unbe-
friedigend. Der Mangel liegt in der eklatanten
Verwechslung von Mittel und Zlveck, von Weg
und Ziel. Die künstlerische Jllusionserzeugung
kann doch nicht das eigentliche Wesen und das
letzte Ziel der Kunst sein. Sie ist ja nur das
Mittel, das Idiom, die Formensprache, welche
der Kunst zur Erreichung ihrer Zwecke zur Ver-
fügung steht. Die letzteren können aber nicht
aufgehen in dem Streben, anderen ein Ver-
gnügen zu bereiten; man unterschätzt Wesen und
Kraft der Kunst, wenn man sie als bloße Ver-
gnügungs-Kvmmissärin auffaßt, vollends »venu
man das Vergnügen noch ausdrücklich strenge
von jedem praktischen Interesse loslöst. Jene
Definition der Kunst ist so ungenügend, als wenn
man die Redekunst definiren wollte als die

') „Die bewußte Selbsttüufch-itng als
Kern des ästhetischen Genusses" Veit,
Leipzig 1895.

Kunst, Schallwellen von bestimmten Schwin-
gungsverhältnissen. an's Ohr anderer zu leiten,
oder die Schriftstellerei als die Kunst, dem Auge
des Menschen Buchstabenbilder vorzuführen.
Nach jener Defiuitivn die Kunstwerke taxiren zu
wollen, wäre so unvernünftig, als wenn man
die Meistertverke der Literatur oder Beredsam-
keit einzig darnach beurtheilen und würdigen
wollte, ob sie die Buchstabenbilder richtig dem.
Auge vermitteln, die Schallwellen richtig er-
zeugen. Das Absehen vom Inhalt führt hier
wie dort nvthtvendig zur Absurdität, znm
jämmerlichen Haftenbleiben an der Oberfläche,
zur Verkennung der eigentlichen Ziele und Zwecke
der Kunst. Daher denn mich die schale Er-
klärung der Entstehung der Stile der Kunst,
tvie sie von Lange (S. 30) gegeben wird; auch
hierin ist Bvlkelt's Darstellung (4. Vortrag:
„Die Stile in der Kunst") weit tiefer und
richtiger.

(Schluß folgt.)

Defensives zur Bildhauer öchranmr-
Frage.

Von Pfarrer K. A. Busl in Hochberg.

(Schluß.)

Der Altar ist k e i n M a r i e u a l t a r ,
ivie er auch in Hafners Regest nicht als sol-
cher bezeichnet ist (derselbe hätte aber richti-
ger den Altartitel beisetzen sollen, die Ein-
leitungsformel konnte er iveglassen), sondern ein
Apostelaltar. ?ln genanntem Platze stand
ein Altar dieses Titels schon im Jahre der
Vollendung der Kirche 1385. Laut Erektions-
nrkunde des Bürgermeisters und Rathes der
Stadt vom 13. November, bestätigt vom Bischof
Nikolaus von Konstanz den 4. Dezember des-
selben Jahres, Z war der Hochaltar geweiht z>t
Ehren dec Heiligen Jvdokus, Christum und
Katharina, der auf der rechten Seile den Hei-
ligen Simon und Judas, Johann Ev. und
allen heiligen Aposteln, der auf der lin-
ken Seite zu Ehren der hl. glorwürdigen Jung-
frau Maria, Johann Baptist unb des hl. Leon-
hard. lieber eine Translocirung haben wir nur
eine einzige sichere Kunde. In dem ersten Viertel
des 17. Jahrhunderts trat an seine Stelle ein
Marienaltar in einfacher Frührenaissance mit
einem (nicht mehr vorhandenen) Altarblatt von
David Mieser, seit 1868 in Oberzell, die
Pfründe aber, fast immer Apostelkaplanei, ab
nnd zu auch Beneficium zum hl. Simon und
Judas genannt, und wohl auch der dazugehörige
Altar existirte bis 1812, wo sie eingezogen und
ihre Kapitalien dem Schulfvnd einverleibt wur-
den, ein Urbar von 1642 bis 1785 liegt noch
im Stadtarchiv * 2). Der Marienaltar stand, tvie

Z Die Urkunde des Raths ist im Original mtb
zwei Abschriften, die Bestätigung des Bischofs,
in welcher erstere Urkunde reproduzirt ist, in
Abschrift vorhanden. Stadtarchiv Fascikel 1949
und 1669.

2) Urbar oder Inventar unb Beschreibung der Ka-
planei des Zwölfboten-Altars in St. Joserr Pfarr-
kirche ztlgchörigeti Höfe unb Güter. Fase. 3016 c.
 
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