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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 7
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Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurirte Kirchen, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0064

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uiib Oberschenkel bedeckt von einem häre-
nen, zottigen Gewände, mit ledernem Gür-
tel; als Vorläufer, als Prophet und Zeuge
Christi trägt er ein Kreuz ans Rohr, an
dem gewöhnlich ein Spruchband mit den
Worten »Ecce agnus Dei« hernieder-
hängt. Dieser hergebrachten Tradition in
der äußern Gestalt und dem äußern Auf-
treten des Täufers ist auch, mit Ausnahme
des Spruchbandes, Fugel gefolgt, er wußte
die ganze Größe des gewaltigen Bnßpre-
digers dem Betrachter vor Angen zu füh-
ren. Mit gewaltiger Stimme, das zeigt
seine äußerst lebhafte Aktion an, zeichnet
und straft er mit der Strenge der alten
Propheten das gleißend lügenhafte Wesen
der Pharisäer: „Vippernbrnt! wer unter-
wies euch zu fliehen vor dem bevorstehen-
den Zorne? Bringet nun würdige Frucht
der Buße!" (Matth. 3, 7. 8.)

Eine Menge Volkes, Männer und
Frauen, sitzen und steheit um ihn herum,
erkenntlich auch „viele von den Pharisäern
und Sadduzäern"; auch seine Schüler ha-
ben ihr: begleitet und halten sich in seiner
Nähe auf. Es läßt sich bei Betrachtung
der einzelnen Figuren nicht verkennen,
welch' gewaltigen Eindruck das drohende
Wort des heiligen Bnßpredigers auf die
Menge ansübt: „Schon ist die Axt an
die Wurzel der Bäume gelegt. Jeglicher
Baum sofort, welcher nicht gute Frucht
bringt, wird ansgehauen und in das Feuer
geworfen" (Matth. 3, 10). Die größte
Aufmerksamkeit und Ergriffenheit zeigt sich
ans den Gesichtern der Zuhörer, aber auch
Unbußfertigkeit, ja der tiefgehendste Haß
und Groll bei den Gestalten einzelner
Schriftgelehrten und Pharisäer. Die künst-
lerisch vollendet durchgearbeitete Compo-
sition ist eine würdige Verherrlichung des
Patrons der Kirche und wird auch künf-
tigen Generationen die Größe des heiligen
Bußpredigers vor Angen führen.

Als eines der bedeutendsten Werke der
kirchlichen Kunst, das bisher Meister Fngel
geschaffen, anerkennen wir unbedingt die
Himmelfahrt C h r i st i, welche er an
den großen Plafond des Schiffes in der
Kirche zu Obereschach gemalt hat. Diese
znm Himmel schwebende Christnsgestalt ist
wohl eine der großartigsten der Neuzeit
und ich wüßte keine ans unfern Tagen,
die dem herrlichen Typus eines Leonardo

da Vinci näherkäme. Nicht umsonst wird
auch von anderer Seite dieses Werk in
gleicher Weise gewürdigt, was wir daraus
ersehen, daß selbst die Leipziger „Illu-
strierte Zeitung" sich das Recht der Re-
produktion vom Künstler erworben hat.
(Wo bleiben da unsere katholischen
illustrierten Familienblätter?)

Die Berichte der Evangelien über die
Himmelfahrt Christi (Mark. 16, 19; Lnk.
24,50 — 52; Apg. 1,9—12) geben der
bildenden Kunst nur die Motive, daß der
Heiland aufwärts entschwebte, daß eine
Wolke ihn aufnahm und daß, während
die Zuschauer noch gegen den Himmel ihre
Blicke gerichtet hatten, zwei „Männer in
weißen Kleidern" (Engel) sie anredeten.
Bis zum 14. Jahrhundert gehen zwei
Arten der Darstellungen neben einander
her, die einen ganz auffallenden Unter-
schied bezüglich der Auffassung des Gegen-
standes aufweisen. In der einen schreitet
Christus, mit dem Kreuzpanier oder einer
Rolle (der Handschrift des Neuen Bundes)
in der Hand, in sehr lebhaftem Schritte
nach oben, wo sich ihm die Hand Gottes
entgegenstreckt. In der andern wird
Christus, in der Mandorla mit dem Krenz-
panier stehend oder in ihr fitzend, mit
Buch von Engeln emporgetragen. Das
Charakteristische dieser beiden Arten der
Darstellung ist also, daß in der ersten
Christus sozusagen erst im Begriffe ist,
in die himmlische Herrlichkeit einzngehen,
in der zweiten aber bereits in deren Be-
sitz ist. Einen gewaltigen Fortschritt ans
diesen Arten der Komposition hat zuerst
Giotto in der Eapella dell' Arena zn Pa-
dua gemacht, Noch lehnt sich seine Kom-
position zwar an die älteren Auffassungen
der zweiten Art an, die Christus nicht
thronend, sondern in aufstrebender, selbst-
thätiger Bewegung darstellt; eben dieses
Anfstreben ist jetzt mehr vergeistigt; nicht
mehr schreitend wie früher, sondern srei-
schwebend sehen wir ihn in weißem Ge-
wände znm Himmel sich erheben; nur leise
ist das Wort „und eine Wolke nahm ihn
ans" (Apg. 1,9) angedentet, indem die
Füße in rosige Wolken gehüllt sind. Diese
Art wurde denn auch maßgebend für alle
folgenden Jahrhunderte: sie lassen gewöhn-
lich den Heiland von einem Lichtglanze
und von Wolken umgeben zum Himmel
 
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