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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 8
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Probst, Josef: Ueber den Stand der Plastik in Oberschwaben während des 16. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0074

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rieveit, welche die Kunstgeschichte auch auf
dein Gebiete der Plastik in der gleichen
Zeit und Gegend gemacht hat.

Herr Tr. Karl Schäfer am german-
ischen Nationalmusenm in Nürnberg, ver-
öffentlicht in den „Mittheilnngen" (1895
S. 41) eine wichtige Abhandlung, in wel-
cher er unter Berücksichtigung eines Ar-
tikels in dem Archiv für christliche Kunst
(1895 Nr. 1, 2) seine Ueberzengung ans-
spricht, daß zweifellos zwei Skulpturen
des Nürnberger Nationalmuseums, die
schon vor Bode und Münzenberger abge-
bildet worden sind, von der gleichen
Werkst alte, sogar von der gleichen
H a n d herrühren, wie einige Skulpturen
in der Sammlung Dnrsch zu Rottweil
(Lorenzkapellel. Unter diesen legen be-
sonders die Nr. 60 und 72 eine Ver-
gleichung mit den Nürnberger Skulpturen
nahe. Während aber von letzteren die
Herkunft ganz unbekannt ist, stammen die
Skulpturen der Lorenzkapelle, nach Angabe
bei Dnrsch, aus der Bodeuseegegend
(Wangen am Unterste) und reihen sich
derselben mehr oder weniger noch eine
größere Anzahl an, die vom Bodensee weg
bis in die Gegend von Biberach zerstreut
sind, worüber die angeführten Nummern
des Archivs für christliche Kunst zu ver-
gleichen sind.

Zusammenfassend spricht sich Dr. Schäfer
dahin aus, daß der bisher anonyme Meister
(Schule) eine tüchtige, einheimische Kraft
in der Bodenseegegend um die Zeit von
1510—1535 gewesen sei, daß er mit dem
„Meister von Mößkirch" manche Ver-
wandtschaft zeige; daß für Ravensburg
als damaligen Sitz einer oder mehrerer
Werkstätten vorerst die meiste Wahrschein-
lichkeit spreche, und daß der Einfluß der-
selben sich auch weiterhin geltend machte.

Damit gewinnt der bisher noch sehr
vage Begriff einer „Bodeuseeschule" (Burk-
hard!) schon jetzt eine konkretere Gestalt
und größere Bedeutung. In der Aufeinan-
derfolge der Dezennien von ca. 1520 —1550
war der Knustbetrieb in Deutschland keines-
wegs ganz ungünstig, mehr jedoch nur für
die Malerei als für die Plastik. Erstere
fand in Nürnberg noch Pflege durch die
sog. Kleinmeister, auch in Augsburg, ob-
wohl sich von hier weg der jüngere
H. Holbein frühzeitig nach Basel und daun
nach England wandte; auch am Rhein

wirkten noch einige Maler, wozu noch der
Meister von Mößkirch hinzntritt. Aber
für die Plastik ergaben sich kaum ir-
gendwo feste Anhaltspunkte. Wenn Bode
in seiner Geschichte der deutschen Plastik
diesen Zeitraum gar nicht ausscheidet, was
bei der Malerei doch allgemein geschehen
ist, so ist daran wohl nur der fast abso-
lute Mangel an deutschen Werken der
Plastik schuld; denn die sog. „Puppen-
altäre" die in Westphalen und in den
Rheinlanden ans dieser Zeit vorhanden
sind, haben sich, nach Beissel, zum größten
Teil als Jmportwaaren aus Brüssel und
Antwerpen erkennen lassen, während die
einheimische Plastik auch hier darniederlag.
Für die Plastik dieser Zeit besteht somit
fast nur die Gießerwerkstätte von Peter
Bischer in Nürnberg, f 1529 und seiner
Söhne, sowie des Till Riemenschneider
daselbst, ch 1531. Daß auch in Ober-
schwaben dieser Zweig der bildenden Kunst
noch fortgedanert habe, wagte man kaum
zu ahnen, da gerade hier die Bilderstür-
merei die größte Ausdehnung gewonnen
hatte.

Ob man nun die ans dieser Zeit stam-
menden Skulpturen als eine Nachblüthe
der gothischen Periode anffassen wolle oder
aber als ein Erzeugnis der Frührenaissance,
darüber kann man verschiedener Ansicht
sein. Der Stil des fünfzehnten Jahr-
hunderts hat nicht plötzlich aufgehört,
sondern sich naturgemäß in verschiedenen
Bestandteileil auch noch ferner fortgesetzt;
aber auch der Stil der Renaissance ist
sicher nicht ganz unvorbereitet eingedrnngen,
sondern schrittweise. Der Verfasser hat
selbst früher mehr Wert auf die noch ans
der vorhergehenden Periode herüberge-
nommenen Merkmale gelegt, weil sie augen-
fälliger sind; jetzt aber möchte ich mich
mehr dahin neigen, den neu anftretenden
Eigenschaften eine größere Bedeutung bei-
zumessen. Die neu auftvetcnben Keime
scheinen, wenn auch noch unentwickelt,
doch mehr Beachtung zu verdienen als
die, wenn auch umfangreicheren, Züge
einer schon im Schwinden begriffenen
Periode. Der Umstand, daß ein Werk
schon einige Dezennien über das fünfzehnte
Jahrhundert hinansfällt, darf jedenfalls
nicht dazu verleiten, demselben, vom Stand-
punkt der Kunstgeschichte ans betrachtet,
eine Minderwertigkeit beizumessen. Die-
 
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