Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

DOI Heft:
Nr. 8
DOI Artikel:
Keppler, Paul Wilhelm von: Gedanken über die moderne Malerei, [neue Folge, 2]
DOI Artikel:
Keppler, Eugen: Ein neuer Führer durch das Reich der Künste
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0080

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
71

lich es war nicht nöthig, das; ein Max Klinger
in „Malerei unb Zeichnung" (Leipzig 1895) einen
Feldzug gegen die Priiderie als Bedrohung der
Kunst nnlernahrn. Der in der Sezession Früh-
jahr 1894 ansgestellte „Akt" von Th. Hummel
zeigt die rasfinirte Liederlichkeit im Bunde mit
scheußlicher Häßlichkeit und erbärmlicher Zeich-
nung. Albert Keller, dessen „Legende derhl. Julia"
nur das letzte Rial gebrandmarkt haben, wagt
es zum zweiten Mal in noch empörenderer
Weise, das Martyrium zu solchen Zwecken zu
mißbrauchen; sein „Mondschein" stellt eine Ge-
kreuzigte dar in raffinirt unanständiger Haltung.
Das ivird nur noch iiberlroffen von Frankreich,
von einem Felicien Rops, von dessen Grenel-
thaten Mniher — leider ohne ein einziges Wort
sittlicher Entrüstung — in seiner „Geschichte der
Malerei im XIX. Jahrh." Bd. III S. 598 ff.
berichtet: „Ans dem Blatte „Der Calvarienberg"
kniet vor dem Kreuze, an dem der Heiland
hängt, eine moderne Magdalena und blickt in-
brünstig, nicht mit religiöser Inbrunst, hinauf;
sie empfindet eine hysterische Wollust im Anblick
dieses nackten menschlichen Fleisches. Und der
Gekreuzigte beginnt spöttisch zu lachen, sein Ge-
sicht verzieht sich zu yankeehaftem, fannischem
Ausdruck. Die Arme löseir sich vom Kreuz und
umschlingen das erschreckte, sich in Krämpfen
tvindende Weib." Seine „Versuchung des
hl. Antonius" und eine lveitere Parodie des
Krenzbildes ist von so entsetzenerregender Geil-
heit unb Frivolität, daß ich Anstand nehme, ein
Wort weiter darüber zu sagen. Noch trauriger,
als daß dies in Frankreich gemalt werden konnte,
ist sicher das, daß der deutsche Kunstkritiker
nicht ein Wort des Abscheus dafür findet, sondern
seine Besprechung mit dem bewundernden Aus-
druck schließt: „Nur Baudelaire, Bärbel) d'An-
röville imb Edgar Poe haben für die geheim-
nißvolle Allmacht der Wollust solche Töne
gefunden."

Nun aber eine auf den ersten Blick völlig
überraschende und verblüffende Erscheinung. Die
unter deni Bann des Naturalismus, Impres-
sionismus, und, theilweise wenigstens, des
Jmmoralismus lebende moderne Kunst erzeugt
ans sich heraus, wie in der Litteralnr so auch
in der Malerei, einen Neu-Idealismus, der
ihrem Wesen ganz fremd zu sein scheint?) Wer
hätte noch vor Kurzem es für möglich gehalten,
daß ans den Krautgärten und Nübenfeldern
moderner Malknnst die blaue Blume der Roman-
tik sprossen würde? daß diese Kunst, die sich
ganz in die Schollen des Erdbodens eingegraben
hatte und es für oberste Pflicht hielt, sie nmzn-
ackern und nmzupslügen, die mit Vorliebe auf
der Gasse und in der Gosse sich hernmtrieb, die
alles Glauben und Denken an etwas Uebersinn-
liches und llebernatürliches verhöhnte und per-
horreszirte, — daß sie so plötzlich den Flug
wagen würde ans solchen Niederungen in höhere
Welten? Freilich es sind nur Wenige, welche
einem solchen Anfstreben und Ausschweben

lobensweithen, energischen Eingreifens sei es
der Jurypolizei oder der staatlichen Sittenpolizei.

Z R. Mnther l. c. Kap. V S. 444—659.

huldigen; viele erklärten sich offen dagegen und
sahen bange durch diese Richtung alle Errnngen-
schasten der Neuzeit in Frage gestellt; die Mehr-
zahl der Maler bilden auch heute noch die
Krautjunker und Erdarbeiter, die Prosaiker, deren
höchstes Ideal der natürliche Sonnenglanz ist,
oder die ihre Paletten mit den schmierigen Farben
der niedrigsten Wirklichkeit füllen. Aber jene
Minderzahl ist sehr beachtenswerth und die durch
sie inaugnrirte, freilich auch nicht antochthon in
Deutschland entstandene, sondern ans England
und Frankreich imporiirte Kunst wird, wenn
nicht alles trügt, eine neue Phase in der Ent-
wicklung der modernen Malerei. einleiten.

(Schluß folgt.)

i£in neuer Führer durch das Reich
der Künste.

Je gewaltiger in den letzten Dezennien das
Material der Knnstforschnng angeschwollen, je-
mehr die Zahl der Detailnntersuchnngen und
Spezialwelke >vie der umfangreichen und um-
fassenden Bearbeitungen der Kunstgeschichte ange-
wachsen ist, um so dringender wurde das Bedürf-
nis; nach kurz und rasch orientierenden Cvmpen-
dien, welche namentlich den Anfänger auf diesem
ungemein reichen Gebiet zurechtleiten können,
den gegenwärtigen Stand der Forschung präcis
fixiren und einen Ueberblick über die ganze
Entwicklung verstatten. Diesem Bedürfnis; haben
viele Federn sich zur Verfügung gestellt; die
Zahl der neueren Grundrisse und Leitfäden ist
beinahe Legion. Aber seine volle Befriedigung
hat jenes Bedürfnis; doch erst gefunden durch
eine neuere Publikation, die man als vollkommen
bezeichnen darf, soweit das Wort überhaupt ans
menschliche Leistungen anwendbar ist. Ihr ge-
bührt eine eingehendere Besprechung und wärmste
Empfehlung.

Ihr Titel ist: Grundriß der Kunstge-
schichte. Ein Hilfsbnch für Stndirende. Ans
Veranlassung der königlich preußischen Unter-
richtsverwaltung verfaßt von Dr. Friede i ch
Freiherrn Goeler von Ravensburg.
Mit 9 in den Text gedruckten Figuren. Berlin
Karl Dnncker 1894 XIII. und 418 2. Preis:
drosch. 6 M., gebd. 6 M. 75 Pf. lieber ihre
Eigenart, welche eben ihre Superiorität über
alle bisher erschienenen Grundrisse der Knnst-
geschichte begründet, orientirt die Einleitung.
Der Verfasser bezeichnet es hier als sein Be-
streben, einen möglichst concenlrirten Inhalt in
möglichst kurzer, knapper und prägnanter Form
zu geben und dadurch eine größere Summe
von positivem kunstgeschichllichen Wissen zu bieten,
als die gewöhnlichen Werke gleicher Art; ferner
die wichtigsten Erscheinungen mit relativ großer
Ausführlichkeit zu verfolgen, minder wichtiges
kurz abznthun oder ganz ausznscheiden; endlich
den Hauptnachdrnck zu legen auf eine möglichst
systematische, klare und übersichtliche Einteilung
und Gliederung des Stoffes, um so das Werk
seinem nächsten didaktischen Zweck so gut als
möglich anznpassen.

Diesem gesunden Programm Jj± der Verfasser
von der ersten bis zur letzten Seite getreu ge-
 
Annotationen