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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 8
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Keppler, Eugen: Ein neuer Führer durch das Reich der Künste
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0081

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72

blieben und inan weiß in der Thal nicht, was
mau an dein Werk mehr bewundern soll, die
durchaus sachgemäße Gruppirnng und Dis-
position , ivelche die immense Masse des verar-
beiteten Materials mit sicherer, feinfühliger Hand
zertheilt und ordnet, oder den großen Blick, der
die Hnuptphaseu der Entwicklung bis auf den
tiefsten Grund der treibenden Kräfte und ver-
borgenen Tendenzen durchschaut, oder die außer-
ordentliche Detailkenntniß, welcher keine wichtige
llntetsnchung, kein Nesnltat der nenereii Kunst-
forschnng entgangen ist, ober endlich die stilistische
Meisterschaft, mit welcher trotz des Verzichtes
ans fließende Darstellung, meist sogar ans Bildung
vollständiger Sätze, nur mit Hilfe von Schlag-
imt) Stichwvrten, von sorgsam abg-wogenen und
treffenden Epitheta wahre Kabinetstücke der
Charakterisirung einzelner Perioden, Bleister-
und Kunstiverke gefertigt tverden. Der zuletzt
genannte Vorzug zeigt am deutlichsten den großen
Abstand zwischen den gewöhnlichen Leitfäden und
diesem Grundriß. Der durch Zweck und Anlage
gebotene Verzicht auf alles breite Ansmalen,
auf Ansfüllnng der harten limrißlinien, das
Fasten an aller phraseologischen Schönheit hat
doch diesen Grundriß keinesivegs zum Skelett
abgemagert; er hat noch Säst und Blut und
Leben unb ermangelt nicht einmal der Fvrm-
schönheit, so daß die Lektüre — gewiß das Höchste,
was man von einem Grundriß erwarten kann
— keine Langetveile erzeugt, sondern spannt und
unterhält, ja znm Genuß ivird. Da haben >vir
wahrlich nicht nur ein trockenes, seelenloses Re-
gister von Namen und Daten, kein mageres
Excerpt ans größeren Kunstgeschichten, sondern
auf jeder Seite und in jedem Satz begegnen
wir der lebendigen Persönlichkeit des Verfassers,
welcher aus seinem Innersten heraus spricht und
sein eigenstes uns mitteilt, welcher nicht Urteile
nachspricht, sondern selbst urteilt, welcher jeden
Zoll in der Knnstforschnng gewonnenen festen
Bodens kennt und auf schwankem, unsicheren
Grunde behutsam auflritt, >vie es einen: gewissen-
haften und besorgten Führer geziemt. Dabei
ist vom Anfang bis zum Ende des Buches kein
Nachlaß der Darstellungskraft des Verfassers zu
bemerken; mit den sich in: Laufe der Kunstent-
wicklung steigernden Anforderungen und Schtvie-
rigkeiten tvächst auch seine Kraft und Lust und
sie entfaltet sich am siegreichsten gerade an den
allerschwersten Aufgaben, die Maler und Maler-
schnlen des Mittelalters und der späteren Zeit
zu charakterisiren, oder das proteusartige Wesen
der Spätslile in feste Merkmale und Gruppen
zu bannen. Vollends die Charakteristiken eines
Raphael, Michelangelo, van Eyck, Dürer u. a.
können als literarische Filigranarbeiten bezeichnet
tverden, oder vielleicht besser noch als monu-
mentale Mosaikbilder, ivelche durch ihre klaren
Umrißlinien und durch den Schrnelz der Farben
und Lichter das Auge erfreuen.

Daß jeder mit jedem der hundert und hundert
Urteile einverstanden ist, läßt sich natürlich nicht
erwartet:; aber das Zeugnis; tvird inan den:
Verfasser nicht verweigern, daß sein Uriheil nie
dilettantisch und vorlaut klingt, sonder:: den
vollen Brnsttvi: der inner:: Ueberzengnng und

eines gewiegten Sachverständnisses verräth. Einige
Einzelbemerkungen mögen vielleicht für eine
sicher bald nöthig iverdende iveitere Auflage
willkonnnei: sein. Daß die ägyptische Kni:st viel
eingehender und verständiger beurteilt tvird, als
gewöhnlich geschieht, hat mich mit großer Frelide
erfüllt, ivelche der begreifen wird, welcher die
Betrachtungen über sie in meinen „Wander-
fahrten und Wallfahrten in: Orient" gelesen hat;
ich wünschte, daß auch die ägyptische Kleinkunst
noch berücksichtigt werde, welche hoch über der
S. 36 erwähnten griechische!: steht. — Dem
Abriß über die griechische Plastik wären nun
auch einzuverleiben die Sarkophage voi: Sidon
in: Museum zu Konstantinvpel. — Die Er-
klärung der zweichörigen Klosterkirchen S. 126
ist unrichtig oder doch ungenügend. — Als
wichtiges Moment, das die Wcitereickwicklung
der gothischei: Architektur in: Sinne einer immer
größeren Durchbrechung der Manertvände beein-
flußte, sollte das Aufblühen der Glasiualerei
nicht unerwähnt bleiben. — S. 144 ist statt
Mauresinünster Mauersmünster oder Manrus-
münster, statt Faurdan Fanrndai:, statt Korn-
burg Kvmbnrg zu lesen. Das Münster in Frei-
burg i. Br. S. 184 hat keinen Viernngsthurm,
sondern eine Vierungsknppel, zlvei Thürme nicht
über dem Querschiff, sondern an den Ostseiten
des Qnerschiffs.

Die Darstellung des Verfassers umfaßt noch
das ganze 18. Jahrhundert und nitterläßt nicht,
die Weiterentwicklung der Kunst ii: unseren:
Jahrhni:dert tvenigstens auzudentei:. Vielleicht
ivird sich aber der Verfasser doch in weiteren
Auflagen dazu verstehen müssen, den Faden noch
tveiler zu verfolgen, so schwierig dies auch sei,:
mag. Gerade das didaktische Interesse, das ihm
in erster Linie steht, wird dies gebieterisch ver-
langen. Wer einigermaßen ein Verständnis hat
für die Unsumme von Arbeit, ivelche in diesem
Werke steckt und vollends für das große Maß
von. Entsagung und Selbstbescheidung, welche
dabei erforderlich tvar, ivird dem Verfasser
wärmsten Dank wissen. Anfängern und Fort-
geschrittenen auf dem Gebiet der Kunstwissen-
schaft tvird das Buch bald ein thenrer Freund
und ein unentbehrlicher Berater werden.

Prof. Keppler.

Literatur.

Die Ausmalung der Stiftskirche zu Königs-
lutter. Braunschweig, Benno Göritz.

Die Wiederherstellung der romanischen Stifts-
kirche zu Königslutter hat in der stilgerechten
Ausmalung des Innern ihren Abschluß gefun-
den. Die großartige Bilderreihe, in engem An-
schluß an den ursprünglichen Gedankengang (so-
weit sich derselbe aus den alten Gemälderesten
ergab) von A. v. Essenwein entworfen, hat Ad.
Qnensen, Hofmaler ii: Braunschweig, mit sach-
kundiger Hand ausgeführt. Den Inhalt der-
selben schildert obige schöne Broschüre, die wir
allen Freunden monumentaler Malerei ange-
legentlich empfehlen.

Stuttgart, Buchdruckern der Akt.-Zes. „Deutsches Valksblatt".
 
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