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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 13.1895

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Nr. 10
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Erste Ausstellung der deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15912#0093

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84

Mappe: „Gewiß ist ein weiter Weg von
Victor von der F o r st (der eine im
strengsten Stile gezeichnete Krenzignngs-
grnppe ausgestellt hat) bis zu Lev Sam-
b erg er: aber haben nicht im Dome zn
Orvieto neben Fiesole's überirdischen
Wesen auch Lnca Signorelli's kraft-
volle Gestalten ihre Berechtigung? Und ein
Anderes ist es, für die Kirche, ein An-
deres für nnsere Wohnräume oder Museen
malen. Unsere Gesellschaft ist and) nicht
der Meinung, daß die gesammte moderne
Knnstübnng tiichls als eine große Ver-
irrung, ein Abfall von der Schönheit, ein
Kampf gegen die Religion sei; im Gegen-
theil, sie ist sich des großen Fortschritts,
welchen die Kunst in Technik, Anfsassen
und Empfinden errungen, wohl bewußt,
wie sie andererseits das Schwinden innigen
Glanbenslebens und kindlich frommer Un-
schuld tief beklagt. Darum sucht sie dem
Kunstfreunde die ihm vielleicht unbekannte
Darstellnngsweise der modernen Schule
vertraut zn machen, während sie dem Künstler
gegenüber die berechtigten Forderungen der
Religion, des Glaubens, der Sittlichkeit
vertritt."

Wer die gewaltigen Prophetengestalten
Samberger's länger betrachtet, wird finden,
daß sich der ganz bedetuende Meister tief
iit die Schöpfungen der großen Alten, be-
sonders der Spanier, versenkt hat, daß er
sie allerdings selbstständig verarbeitet nnb
mehr in modernes Denken und Empfinden
nmgesetzt hat.

Es kommt immer auch atls ben Gegen-
stand der Darstellung, ans das Thema,
an, ob es eilte mehr freiere oder strengere
Richtnng ertrage. Wenn Mathias
Streicher in seinem „Pieta" betitelten
Broncebildchen diese moderite Richtnitg in
ihrem ganzen Eclat einhält und das Gaitze
tnehr der Vorbereitung einer anatomischen
Seclion ähnelt, als dem von der hl. Jnng-
frait betrauerten Leichname, beni so viel
dargestellten und so viel mißhandelten Ves-
perbilde, so zeigt der Künstler nur (eine
ganze Unzulänglichkeit für die innere Bc-
wältigting eines so tiefernsten religiösen
Gegenstandes. Das Bildchen hat zndein
in seiner ungeschlachten Behandlung nicht
einmal den Reiz der Nettheit. Nicht we-
lliger können wir uns auch mit der gemal-
ten „Piela" von Jos. Fellermayer

befrennden: hat er schon die Figuren blau
in blau gemalt, so umgibt er noch das
Ganze mit einer großen blauen Brühe, die
anwidert. Wir sehen es als einen der
besonderen Vorzüge unserer Ausstellung an,
daß tlicht viel weitere Exemplare dieser
modernen, extravaganten San<;emalerei vor-
handen sind. Wie ganz anders und an-
sprechend wirkt das prächtig gemalte
Bildchen „St. Barbara" von Kaspar
Schleibner; er geht mit gutem Ge-
schmack und mit technischem Verständniß ans
den Geist der Altdeutschen ein.

In ganz vorzüglicher Weise ist die
Plastik in unserer Ansstelknng vertreten
nnb gleich der elfte Saal birgt christ-
liche Kunstwerke von hoher Vollendung.
Allen voran stellen wir nitbedingt die
„Rosa mystica" von Maria Heinrich
Wadere, die wohl den nieisten unserer
Leser schon ans der vorjährigen Mappe
bekannt sein wird. Wadere wird in der
biographischen Beigabe zn der Mappe mit
Recht ein glühend fühlender Dichter nnb
als sein vollendetstes, ans sprödem Material
geformtes Gedicht seine „ntystische Rose"
genannt. Die Darstellung ist so anfzn-
fassen: „eben ist der Erzengel Gabriel
dem Kämmerlein wieder eiltschwebt, wo er
die Betende mit der frohen Botschaft über-
rascht hatte, daß'sie in der Kraft des hl.
Geistes die Mtltter deö Erlösers werden
sollte. In überirdischer Seligkeit, wie in
Ekstase, nnb doch sich der Tragweite der
Engelsworte klar bewußt, kniet sie am
Boden. Durch den Mund des göttlichen
Boten hat die Jungfrau nun das süße Ge-
heimniß voll erfaßt; das beweist nicht bloß
ihr sanft, mit unnachahmlicher Innigkeit
zum Herzen geneigtes Haupt, sondern auch
die Haltung der iu zarter Erregung zit-
ternden Hände und der leise Anschluß der
Arme an den Leib. Die ganze anmnt-
volle Gestalt, deren feine Bewegung in
allen Theilen, den unerläßlichen Anfor-
derungen der Kunst entsprechend, den Ge-
wändern die Richtung gibt, erzittert in
Glückseligkeit unter dem Gedanken: ,Großes
hat er mir gethan, der Mächtige, von nun
an werden mich selig preisen alle Ge-
schlechter"." Jeden Beschauer wird die Rein-
heit und Formvollendung dieses Hauptes
fesseln. Die ganze herrliche Gestalt und
ihre innere Auffassung ist ein untrügliches
 
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