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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 1
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Detzel, Heinrich: Die alten Wandgemälde im Chore der Pfarrkirche zu Ehestetten: (OA. Münsingen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0006
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krönnng. An der südlichen Wand
oben sieht man: die Geißelung und Ecce
liomo; ein Misericordienbild ist noch über
dem andern gothischen Fensterchen ange-
bracht. An der u 111 e r n Reihe d e r
Ostwand sind zn erkennen: Noli me
tangere (?), Auferstehung (Fenster), Ma-
riä Verkündigung, Maria und Joseph;
an der südlichen Wand unten:
Mariä Heimsuchung (Fensterchen), An-
betung der Hirten und Weisen; an der
Westseite des Triumphbogens ist wahr-
scheinlich noch die Erscheinung des Engels
bei der hl. Anna zn erkennen und an der
Nordwand die Beweinung Jesu. Wir
hätten also im Ganzen 15 Darstellungen
und wollen nun die gut erhaltenen einer
eingehenderen Würdigung unterziehen.

1. Christus am Oelberg. Wir
sehen den Heiland in einer Abtheilnng des
Gartens Gethsemani knieend, ganz nahe
an der geschlossenen Gartenpforte. Seine
Hände hat er betend erhoben, sehnsüchtig
richtet sich sein Auge nach oben. Falten-
reich fließt das violette Obergewand über
die in tiefe Trauer versunkene Gestalt.
In Bewegung und Miene lesen wir deut-
lich die Worte: „Mein Vater, wenn es
möglich ist, so nimm diesen Kelch hinweg
von mir, doch nicht mein, sondern Dein
Wille geschehe.'^ Während der Meister
diese tiefste Ergriffenheit der innersten
Seele erkennen läßt, indem sein allwissen-
der Geistesblick ja die ganze Tiefe des
Leidens voraussieht, hat die Jünger der
Schlaf überfalle». Sie sind etwas rück-
wärts gestellt und nicht ungeschickt grup-
piert; auch sieht man deutlich, wie ihr
Gesichtsausdrnck je besonders charakterisirt
ist. Eine Bereicherung der Scene dadurch,
daß man ans der Ferne Judas und seine
Schaar heranziehen läßt, sieht man hier
nicht, obwohl dieses Motiv auch schon im
Mittelalter vorkommt; nur die Bäume des
Oelberges sind im Hintergründe angedentet.

2. Die Gefangennahme Jesu.
Die Gefangennehmung Jesu erzählt der
Evangelist Matthäus in Verbindung mit
dem Verrath des Judas als eine zusammen-
hängende, fast ununterbrochene Handlung.
„Und also gleich zn Jesus herantretend,
sprach er (Judas): Sei gegrüßt, Rabbi!
Und er küßte ihn. Und Jesus sprach zn
ihm: Freund, wozu bist du gekommen?

Da traten sie herzu und legten Hand an
Jesus und nahmen ihn fest" (Matth. 26,
49. 50). Genau nach diesen Worten
sehen wir schon eine der ältesten Dar-
stellungen unseres Gegenstandes gegeben
und auch die meisten späteren Bilder treten
in dieser Auffassung vor unser Auge. Hier
aber bei dem Ehestettener Meister finden
wir die Gefangennehmung Jesu bloß für
sich allein dargestellt ohne die Scene des
Verrathes. Die ziemlich signrenreiche Kom-
position zeigt als Mittelpunkt den gött-
lichen Meister: ansrecht und voll Würde
steht er da und wird von einem der
Schergen, der wie der neben ihm stehende
in mittelalterliches Ritterkostüm gekleidet
ist, gebunden. Leider, daß das Antlitz
des Heilandes zn Grunde gegangen ist;
nur noch die Haupthaare sieht man ans
die Schultern herabfallen. Links vom
Heilande haut Petrus dem bereits zn
Boden sinkenden Malchns das Ohr ab
und zwar gegenüber der späteren Zeit in
noch ziemlich ruhiger Weise. Spätere
Darstellungen nämlich, besonders solche
der oberdeutschen Schule, bringen vielfach
eine große Bewegung in unsere Scene
mit allerhand unwürdigen Motiven, be-
sonders widrig ist oft die Episode des
Ohrabhauens gegeben. Die deutschen Pas-
sionsbilder wollen offenbar den Kampf
zweier Mächte, der Hölle mit dem leiden-
den Erlöser, widerspiegeln, sie wollen
zeigen, wie sich die ganze Wnth der Unter-
welt gegen den Gottmenschen richte. Allein
dieses Streben und diese Richtung werden
nicht selten auch zur Gefahr, so daß Würde
und Heiligkeit der Sache darunter leidet.
Das zeigt sich besonders gerade bei den
Gefangennehmungsbildern. Da sieht man
oft, wie dem Herrn ein Strick um den
Hals geworfen und er sortgezerrt wird,
wie er an den Haaren gerissen und mit
Stricken geschlagen, wie er angespieen,
verspottet und verhöhnt wird. Die Scene
mit Petrus uub Malchus artet oft in der
Art aus, daß der Apostel förmlich ans
dem Kriegsknecht kniet oder sich gar mit
ihm ans dem Boden herumbalgt. Unsere
Darstellung ist dem gegenüber eine ganz
würdige: die ganze, ziemlich streng sym-
metrische Komposition offenbart die edle,
göttliche Ruhe des Erlösers gegenüber der
ihn umgebenden Rotte von Soldaten und
 
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