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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 1
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Detzel, Heinrich: Die alten Wandgemälde im Chore der Pfarrkirche zu Ehestetten: (OA. Münsingen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0008

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den einfachsten Andeutungen versteht es
so unser Dreister, die tiefsten Charakter-
züge zn geben.

Auf der südlichen Wand endigt die
Bilderreihe mit einem sogenannten:

7. Miserikordienb ild, das un-
mittelbar über dem Spitzbogen des kleinen
gothifchen Fensters angebracht ist. Man
sieht solche Erbärmde-Bilder, die, wie auch
hier, dem Ecce homo in mancher Hin-
sicht ähnlich, aber nicht mit ihm zu ver-
wechseln sind, oit in Verbindung mit den
Passionsbildern. Alan sieht ans ihnen
Christus mit den Wundmalen entweder im
Mantel frei, oder am Fuße der Kreuzes,
oder in halber Figur im Grabe stehend;
hier in Ehestetten hat der Maler statt deö
Grabes den Bogen des gothifchen Fensters
benutzt und Christus in halber Figur über
demselben erscheinen lassen. Der Künstler
wollte mit diesem Bilde gleichsam, wie in
einem Compendinm, die gesammte Passions-
nnd Todesgeschichte des Heilandes noch
einmal zusammenfassen und in einem
Bilde darstellen. Es war dies Bild im
Mittelalter sehr beliebt.

Die noch fehlenden Passionsbilder an
dieser Seite sind sämmtlich zerstört und
nur noch geringe Reste sind gefunden
worden. An der Ostwand dagegen findet
sich noch erhalten:

8. Die Agiferstehung Christi.
Wir sehen hier in diesem Bild, das sich
unterhalb^ derj Gesangennehmnng am Chor-
senster befindet, ganz den gleichen Christus- >
typns wie in dem Miserikordienbild. Chri-
stus ist mit demselben Mantel bekleidet,
der den Leib sichtbar läßt; die Rechte
erhebt er segnend und die Linke hält die
Anserstehttngsfahne. Die beiden Wächter,
der eine mit einer Lanze, der andere mit
einer Stachelkeule versehen, sind in Schlaf
versunken. Den Künstlern des Mittel-
alters hat bei unserem Gegenstände immer
das Hervortreten ans dem Grabe viel
Schwierigkeit gemacht; am unbeholfensten
zeigen sich besonders jene altdeutschen
Darstellungen, in denen Christus gewöhn-
lich «--den einen Fuß bereits auf den Rand
des Sarkophages setzt, den andern aber
noch in der Tiefe des Grabes stehen hat
oder den rechten Fuß aus dem Boden
außerhalb des Grabes bereits anfstellt,
während der linke noch im Grabe steht.

Unser Künstler hat beides vermieden: er-
läßt beide Füße innerhalb des Grabes
und stellt Christus in demselben schreitend
dar, gleichsam als wolle er ansschwebend
sich erheben.

In der unteren Abtheilnng der Ost-
wand , links vom Chorfenster, beginnen
die Scenen ans dem Leben Mariens unb
ist als erste sichtbar:

9. Mariä V er k ü n d i g n n g. Wir
sehen die heilige Jungfrau ans einem
Betschemel knieen vor einem anfgeschlage-
nen Buche, unter dem ein Tuch ansge-
breitet ist; voll Ueberraschung breitet sie
ihre Hände ans und richtet ihr Angesiebt
dem erscheinenden Engel entgegen. Dieser
nimmt eine feierliche Siellnng an, erhebt
sprechend die Rechte und in seiner Linken
trägt er ein großes Spruchband. Die
ganze Komposition ist sehr einfach ge-
halten und der Künstler beabsichtigte
offenbar, die Verkündigung mehr als
Mysterium denn als historische Be-
gebenheit darznstellen. Deßhalb beschränkte
sich seine Wiedergabe des Gegenstandes
mit Beiseitelasfnng aller untergeordneten
Dinge nur ans die zwei Personen, Maria
und den Engel. Er wollte in der Ver-
kündigung einen Theil des Erlösnngswerkes,
also den Anfang desselben, darstellen und
dieser Darstellung also einen spezifisch christo-
logischen Charakter geben, daher die ein-
fache, alle Nebennmstände fern lassende
Auffassung, die sich mit dem einfachen
Berichte des heiligen Lukas ohne Herbei-
ziehnng der legendarischen Nachrichten be-
gnügt. Jkonographisch eigenthümlich ist,
wie der Maler die Jncarnatien bildlich
anzndeuten sucht: außerdem daß, wie im
Mittelalter oft geschieht, in den über-
schattenden Strahlen vom himmlischen
Vater herab ein Heilandsseelchen mit
Blitzesschnelle fährt, sieht man »och über
diesem Kinde ein kleines Kreuz und dar-
über die Taube. Das Bild des himm-
lischen Vaters fehlt zwar, ist aber offen-
bar durch die Wolken und durch das aus
denselben bis zur heiligen Jungfrau herab-
reichende große Spruchband ersetzt. Wir
hätten also auch in diesem Verkündigungs-
bilde noch ein anderes, höchstes Gebeimniß
zu erkennen, nämlich die thatsächliche
Offenbarung der Trinität.

Zwischen dieser Darstellung von Mariä
 
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