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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 3
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Rueß, Bernhard: Die Baugeschichte der Klosterkirche von Schussenried, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0036
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28 —

Regulär- und Laikalgotteshanö und wurde
zn einer bloßen Pfarrkirche. Weil der
Reichsdepntationshanptschlnß daS Schussen-
rieder Klosterbesitzthum der gräflich Stern-
bergschen Familie zusprach, gieitg an sie
auch die Verpflichtung zur Unterhaltung
unseres Heiligthums .über. Da aber auno
1835 durch Kauf die Herrschaft an den
Staat Württemberg gelangte, so ruht die
Banlast gegenwärtig bei der Königlichen
Finanzverwaltnng. Eine Ablösung hat
nicht stattgesunden; die Gemeinde zeigte
dazll bisher auch noch keine Luft.

An bangeschichtlichen Vorkommnissen
sind ans unserem Jahrhundert folgende
anznmerken: 1807 Entfernung des Krenz-
altares, um in dem Ehor der Kirche Platz
für die Schulkinder zu gewinnen; 1808
Ausbesserung der Stuckaturen und Ma-
lereien an dem Chorgewölbe, welche den
3. Juli nnd 11. August des Jahres durch
Wetterschläge gelitten hatten; diese hatten,
ohne zu zünden, den Weg durch den
Thurm herab genommen nnd am Plafond
des Presbyteriums und am St. Augnstin-
altar einigen, übrigens nur geringen Scha-
den angerichtet; den 30. November und
1. Dezember 1818 Beseitigung des Chor-
gilters; den 5. September 1831 Tranö-
serirnng des Taufsteines in die Mitte
des Gotteshauses, derselbe war früher beim
Eingang ins Langhaus links hinter den
Kirchenstühlen der Frauen gestanden;
1837 wurde das Kirchengewölbe mit einem
von Zimmermeister Walser gefertigten
Bretterboden gedeckt; 1875 Schaffung
eines neuen Zuganges zum Gotteshaus
reebter Hand, weil in Folge Errichtung
einer Irrenanstalt im neuen Kloster die
linke Seitenlhüre außer Gebrauch gesetzt
wurde. Im Sommer 1885 faitb eine
allerdings nicht durchgreifende Restauration
statt: das Innere des Gotteshauses wurde
von Schmutz nnd Staub gereinigt, die
Wände nnd Pfeiler wurden mit weißer
nnd farbiger Tünche neu versehen, die
Deckengemälde ausgebessert, die Vergol-
dungen theilweise erneuert, vorn in den
Abseiten zwei nnbenützte Beichtstühle ab-
gebrochen; an den Platz des rechtsseitigen
kam 1887 eine Lonrdesgrotte, an den Ort
des linksseitigen eine Rnhe-Christistatne. Um
die Mitte der achtziger Jahre unb bald
darauf erhielt der Tabernakel eine reichere

Verzierung nnd der Hochaltar ein fixes
Antependinm von Müller ans Sanlgan;
an den dem Mittelschiff zngekehrten Seiten
wnrdeil die Pfeiler mit Heiligenstatnen,
von Lott in Rottenbnrg geschnitzt, unb
die Kirchenwände im Februar 1889 mit
Stationenbildern geschmückt. Diese Nen-
beschassnngen ans dem vorigen Decenninm
winden mit freiwilligen Beiträgen bestritten.

Im Juni 1893 kam an die West-und rheil-
weise auch an die Südanßenseite der Kirche
eilt metertiefes Cement-Trottoir, um die
Feuchtigkeit vom Gemäuer abznhalten. J>n
September deö gleichen Jahres wurde der
Chorboden mit farbigen, ans dem Oster-
ritterschen Geschäft in Stuttgart bezogenen
sog. Einziger Plättchen belegt. Die vier-
eckigen Sandsteiuplatteit, welche feit Jahr-
hunderten im Presbyterium als Boden-
belag gedient hatten, fanden im 2O Garten
der Franenabteilnng der Anstalt eine Ver-
wendung. Der neue Chorbodenbelag kam
auf rund 1100 M. zu stehen.I

Rückschanend auf die Bangeschichte
unseres Gotteshauses müssen wir gestehen:
Die geringen Hilfsmittel des Klosters in
seinem Kindheitsalter, die durch die Greuel
des 30jährigen Krieges heransbeschworene
zeitweilige enorme Rot des Reichsstistes,
die Unzulänglichkeit mancher thätig ge-
wesener Meister, der ans Abwege geralhene
Knnstgeschmack mehrerer Auftraggeber nnd
die Vielheit der auf den Bau nnd die
Innenausstattung Einfluß nehntenden
Köpfe ließ ein stilreines, einheitliches,
wahrhaft großartiges Werk nicht z>t Stande
kommen. Mag übrigens auch das Kirchen-
gebände trotz einzelner lobenswertheil Par-
thieen im allgemeinen der sonstigelt einfluß-
reichen Stellung des freien, unmittelbaren
Reichsstiftes nicht völlig entsprochen haben,
heutzutage nach außen hin als stillos er-
scheinen und im Innern der Gang seiner
Baugeschichte selbst einem knnstgenbten Auge
ohne vorherigen Einblick in die schriftlichen
Dokumente dunkel bleiben, so ist ilns dieses
Heiligthlim dennoch thener nnd ehrwürdig
wegen seines hohen Altars nnd wegen des
Reichthnms an Gnaden, welcher sich daselbst
während mehr als sieben Jahrhunderten in die
Seelen von geistlich nnd weltlich ergossen hat.

0 Vergleiche Chronikeinträge des Ezkvnven-
tuateu Pfarrer Löwe und die Chronik des
f Mesners Fr. Pcwer Nnez in Schussenried.
 
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