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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 4
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Die kirchliche Kunst in ihren Beziehungen zum geistlichen Schauspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0044

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36

zu reden haben, wiewohl die Akten hier-
über noch nicht geschlossen werden können,
da die mittelalterliche Predigt nach dieser
Seite noch zn wenig durchforscht ist (vgl.
Historisches Jahrbuch 1883, 161 ff.).

In den ersten acht Jahrhunderten finden
sich noch keine Darstellungen der Kirche
und Synagoge, sondern nur deren erste
Ansätze und Steine, vor allein in der
Personifikation der Kirche. Daß diese sich
schon im zweiten Klemensbrief c. 14 findet
und daß die Clavis Scripturae unter Me-
lito's Namen erst in der Karolingerzeit
entstand, ist dem Verfasser sicher inzwischen
bekannt geworden (vgl. Kraus, Gesch. der
christl. Kunst I, 107. 127 ; Bardenhewer,
Patrologie, S. 115). Den eigentlichen
Anfang jener Darstellungen verlegt der
Verfasser ins 9. und 10. Jahrhundert.
Er ist der Ansicht, daß ihre ersten Wur-
zeln in der Liturgie, namentlich der Messe
und des Charfreitagö zn suchen sind,
glaubt dann aber, daß ans ihre weitere
Ansbildnng und Verbreitung der unter
dem Namen des hl. Augustin lausende
dialogus de altercatione ecclesiae et
synagogae ganz wesentlichen Einfluß ge-
übt habe, näherhiu nicht dieser Dialog
selbst, sondern vielmehr dessen scenische
Ausgestaltung, in welcher er guv Zeit
Ludwigs des Frommen (814—840) in
Frankreich wahrscheinlich als kräftiges
Mittel einer aus Eindämmung der Ueber-
macht der Juden und Einschränkung ihrer
Privilegien gerichteten Aktion zur Ver-
wendung kam. Das sind zunächst mehr
oder weniger Vermuthungen, vom Verfasser
ausdrücklich als solche betont.

Auf ganz festem historischem Boden be-
wegt sich die Untersuchung erst vom
11. Jahrhundert an. Da aber hier gleich-
zeitig ein anderer Bilderkreis, der aus
dem Prophetenspiel hervorgeht, sich mit
dem der Kirche und Synagoge entwickelt
uub auch verflicht und verschlingt, so wird
zunächst dieser besprochen, und zwar an
der Hand einer tüchtigen Studie von Sepet.
Dem Prophetenspiel liegt ebenfalls eine
psendo-augustinische Schrift zu Grunde,
der sermo contra Paganos, Iudaeos et
Arianos, und dieser behandelt in seinem
mittleren Theil das gleiche Thema wie die
Altercativ. In diesem gegen die Juden
gerichteten Theil nehmen viele Zeugen,

heilige und nichtheilige Personen (Jesajas,
Jeremias, Daniel, Moses, David, Haba-
knk, Simeon, Zacharias, Elisabeth, Jo-
hannes Baptista, Virgil, Nabuchodonosor,
die Sibylle) nach einander das Wort, um
die Juden des Unrechts und Unglaubens
zn überweisen. Nach Sepet wäre dieser
Theil in Frankreich zunächst als Lesestück
an Weihnachten in liturgischer Anwendung
gewesen; dann hätte er bald den Nahmen
des Sermo gesprengt und sich zum gottes-
dienstlichen Drama entwickeln, eben zum
Propheteuspiel, welches sich als Haupt-
bestaudlheil in das geistliche Schauspiel des
Mittelalters einfügte. Weber gibt zu
Sepets Studie sehr interessante Nachträge,
welche das Propheteuspiel, spätestens vom
12. Jahrhundert au, auch in Deutschland
in reichster Blüte zeigen. Die ersten bild-
lichen Darstellungen desselben und die erste
gemalte Darstellung eines Passiousspieles
vermuthet er in den von Kraus herausge-
gebencu Fresken von St. Angelo in Formis,
wonach der Anfang des italienischen
Mysterienspieles aus dem 13. (wie bisher
angenommen wurde) ins 11. Jahrhundert
vorzurücken wäre.

Näherhiu denkt sich Weber den histo-
rischen Verlauf so: etwa um die Wende
des ersten Jahrtausends nimmt Frankreich,
Italien, vermuthlich gleichzeitig auch Deutsch-
land, nicht viel später auch England und
Spanien, etwa auf Beschluß einer Synode
oder auf besonderen Erlaß des Papstes
hin (??), den Sermo als Lektion in die
Liturgie des Weihuachtsfestes aus, und
zwar zum Zwecke der Judenbekämpfung
und Jndenbekehruug; die dramatische An-
lage dieses Sermo führte von selbst zu
einer Ausgestaltung desselben zu einem
wirklichen Drama, mit welchem man über-
dies die scenische Lust des Volkes befrie-
digen und altheidnische scenische Gebräuche
durch Christliches ersetzen konnte. Die
Altercatio dagegen hielt sich zunächst lange
innerhalb engerer Grenzen, — der Ver-
fasser glaubt die Gegend zwischen Mosel,
Maas und Schelde mit den angrenzenden
Theilen Frankreichs als ihr Gebiet be-
zeichnen zu können, — und breitet sich
sammt dem aus ihr hervorgegangeuen
Streitspiel der Kirche und Synagoge erst
mit den: Anfang des 12. Jahrhunderts
weiter aus. Mit den zeitgeschichtlichen
 
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