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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 5
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Schiller: Das Vereinsbild der heiligen Familie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0054

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44

feinen Gebrauch macht, alle Bilder, welcbe
Jesus, Maria nnd Joseph in irgend einer
Situation ihres verborgenen Lebens, ihres
Lebens zu Nazareth, zur Anschauung
bringen. Als unzulässig erscheinen jene
Kompositionen, die uns die heilige Familie
etwa im Stalle von Betlehem, bei der
Beschneidung, bei der Darstellung im
Tempel, ans der Flucht nach Aegypten
zeigen; denn diese Begebenheiten gehören
nicht zum eigentlich sogenannten „ver-
borgenen Leben Jesu". Desgleichen scheinen
die Bilder ausgeschlossen zu sein, auf
welchen die heilige Familie uuvoll-
stäudig dargestellt ist, also alle die zahl-
reichen Bilder, welche nur die Mutter mit
dem Kinde zeigen. — Eine andere Frage
aber ist:

2. Welche Darstellungen der heiligen
Familie sind (nicht bloß zulässig, sondern
auch) zweckmäßig? oder — um mich
des in dem citirten Paragraphen der
Vereinsstatuten gebrauchten Ausdrucks zu
bedienen: welche sind dem Geiste des
Vereins, der mit den Zwecken des Vereins
identisch ist, entsprechend?

lieber die Zwecke des Vereins handelt
Ziffer 1 der Statuten. Das Statut
lautet: „Der Zweck des Vereins besteht
darin, die christlichen Familien der heiligen
Familie von Nazareth zu weihen und die-
selbe als Gegenstand besonderer
Verehr u n g u n d N a ch a h m u u g v o r
Augen zu haben, indem man vor
einem Bilde derselben ein tägliches Gebet
verrichtet und den herrlichen Tugenden
nachstrebt, in welchen sie allen, zumal
aber dem Handw erkerstaud e, als
Beispiel voranleuchtet."

Der Zweck des Vereins ist also ein
zweifacher: die Verehrung und die Nach-
ahmuug bezw. die Betrachtung des Tngend-
beispiels der heiligen Familie, die Ver-
ehrung, um ihres mächtigen Schutzes und
Segens für die eigene Familie theilhastig
zu werden, die Betrachtung des Tugend-
beispiels, um Erleuchtung und Antrieb
zur Uebung der Familientugeudeu zu er-
halten. Der Zweck des Nereins-
b i l d e s aber ist dieser: z u r V e r e h r u u g
und Betrachtung der heiligen
Familie fortwährend a u f z u s o r -
deru und beides zu erleichtern
und zil s ordern.

Daraus ergeben sich unmittelbar die
Bedingungen für die Zweckmäßigkeit des
Vereinsbildes:

Der Geist des Vereins der christl. Familien
verlangt, daß das Vereinsbild sei: erstens
ein A n d a ch t s b i l d , welches wirklich zur
Verehrung einladet und die Andacht fördert;

zweitens ein Tugend spiegel, der
die hauptsächlichen Familientngenden Jesu,
Mariä und Josephs deutlich und erbaulich
vor Augen stellt.

Eine weitere Begründung dieser Sätze
ist wohl nicht nöthig.

So gehen wir dazu über, einige der
bedeutendsten Darstellungen der heiligen
Familie an der Hand der gewonnenen
Normen auf ihre Zweckmäßigkeit für den
frommen Verein zu prüfen.

In meinem „Hausmusenm der klassischen
Malerei", dem „klassischen Bilderschatze"
(herausgegeben von Reber und Bayers-
dorser bei Fr. Bruckmann, München, bis
jetzt ca. 1050 Blätter in Großfolio,
photomechanische Ausnahmen nach den
Originalien) finde ich 15 Darstellungen
der heiligen Familie, von Rafael (2),
Corregio, Michel Angelo, Signorelli, del
Sarto, Franciabigio, Brouzino, Tizian
(je 1), von Rembrandt (2), von Gossaert
und Van Scorel (altniederl. Schule),
Schonganer und Dürer (je 1).

Von der Mehrzahl dieser Kompositionen
gilt, was Professor Or. Keppler in den
„histor.-polit. Blättern" 1885 (S. 100)
über Rafaels Madonnenbilder schrieb: „Es
ist zu unterscheiden zwischen religiösen
j Bildern im engeren und strengeren und
! solchen im weiteren Sinne. Zu der ersten
Klasse gehören die Kirchen- und Altar-
bilder, jene Andachtsbilder, welche au
öffentlichem, heiligem Orte der Devotion
des Volkes zu dienen haben. Von ihnen
sind zu unterscheiden solche Bilder, welche
ebenfalls religiöse Gegenstände zum Vor-
wurfe, zum Ziele haben, aber nicht für
die Kirche nnb öffentliche Andacht, sondern
fürs Haus, für die Familie, für die
Privaterbauuug geschaffen sind. Es sind
dies sozusagen religiöse Genrebilder im
reinsten nnb heiligsten Sinne des Wortes,
Genrebilder, die vom gewöhnlichen Sebeit
Ansgang nehmen, an seine Sceuen und
Vorkommnisse den goldenen Faden des
christlichen Glaubens und Fühleus an-
 
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