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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 7
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Schiller: Die Wandgemälde in der Frauenkirche zu Memmingen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0073

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— 60

Minder leicht verständlich ist nnr der
vierte Bogen ans der Evangelienseite.
Der Ordnung gemäß müssen wir die dort
angebrachten Sprüche ans den zehnten
Glaubensartikel beziehen, dem Inhalt nach
auf die Mutter Gottes: Hvhel. 6, 9.
Zs. II, l. Lnk. l, 32. Lnk. 1, 35.
Genes. 3, 15. Lnk. 1. 31. Will man
nicht der unwahrscheinlichen Bermnthnng
Braun's („Ehr. Kunstblatt" 1891 S. 25)
beistimmen, wonach diese Sprüche neben
den dritten Glaubensartikel bestiinmt ge-
wesen und nnr durch Versehen neben den
zehnten gekommen seien, so bleibt nur
die Erklärung übrig, der Künstler bezw.
[ein Auftraggeber habe den Gedanken ans-
drücken wollen, Maria sei als Mutter des
Erlösers aitch Urheberin des in und durch
Christus erfolgenden Sünden nach lasses.
Zn ferne liegt der Gedanke dem Katho-
liken nicht. Doch ist seine Verwendung
in dem Zusammenhänge, der hier vorliegt,
eine knnstgeschichtliche Seltenheit.

Eine weitere Merkwürdigkeit in diesem
reichen Bilderkreise ist die vereinzelte
Stellung eines kirchlichen Lehrers,
des h l. Bernhard, inmitten der übrigen
Glanbenözengen, die alle der heiligen Schrift
entnommen sind. Sie erklärt sich eben
ans dem großen Ansehen, welches gerade
dieser große Kirchenlehrer im Mittelalter
genoß, und ist ganz katholisch.

Eine dritte Eigenthümliebkeit ist — oder
besser — war die Darstellung des hl. Petrus
m it Pa pst kro ne (und Papstmantel).
Sie ist ja sehr leicht verständlich, aber
immerhin selten. Dem protestantischen
Stadtpfarrer und verdienten Urheber der
Restauration der Frauenkirche in Mem-
mingen, Braun, war diese Eigenthümlich-
keit so unausstehlich, daß er trotz dem
Proteste des bayerischen Landeskonservators,
Prof. Seitz, die Tiara einfach zustreichen
ließ. Sei es! Die biblische und geschicht-
liche Thalsache des Primats, des Papst-
thnms Petri ist damit nicht aus der Welt
geschasst! — Billig wundern muß man
sich nur, daß dieser Herr nicht den ganzen
Fund wieder znstreichcn ließ, ist er ja
doch ein wuchtiger Zeuge gegen daö be-
liebte Vornrtheil der Protestanten, wonach
das Bibelwort in der katholischen Kirche
des Mittelalters vollständig in Mißkredit
gekommen und erst durch die „Refouna-

l toreu" wieder zu Ehren gebracht worden
sei. Stadtpfarrer Braun zeigt (1. c.) aller-
dings, daß auch er die Wucht dieses Zeug-
nisses empfindet. Er sucht es abzuschwächen.
Was er aber zur anderweitigen Erklärung
findet, ist zu gesucht, um überzeugen zu
können.

Doch wir wollen die Bilder nnr nach
ihrem künstlerischen Werthe beurtheilen.
Dieser ist bedeutend.

Die Charakteristik der Apostelgestalten
ist voll Kraft und Feinheit, das Colorit
prächtig, die Ornamentik voll Schwung
und Geschmack. Die Gemälde waren nr-
sprünglich wohl noch besser in Zeichnung
und Farbe; inöbesoiwere dürste letztere
von einer gewissen Schärfe, die sie in der
Uebermalung zeigt und die auch der jetzige
Restaurator beibehält, frei und die >L>chat-
tirungeu etwas leichter, flacher gewesen
sein. Im übrigen muß die Restauration,
soweit sie vollendet ist, als gelungen be-
zeichnet werden. Sie liegt in den Händen
des Münchener Malers Haggenmiller und
steht unter der Oberaufsicht des könig-
lichen L a u d e s k o u s e r v a t o r s.

11. Die Malereien der Seiten-
schisse u ud d es Ch v rs.

I. Was in den Seitenschiffe n an
Gemälden ansgedeckt ist, steht in keinem
Zusammenhänge mit den eben geschilderten
Darstellungen des Hauptschiffs.

1. Die in das nördliche Seitenschiff
einspringende Thurmwand, deren untere
Fläche durch eine Thüre gelheilt ist, trägt
einen zusammenhängenden Cyklns von bild-
lichen Darstellungen.

Zuoberst zeigt sich, von einem Spitz-
bogen umrahmt, das Bild Gottvaters,
der segnend die Hände ausbreitet. Unter
ihm wölbt sich ein Regenbogen und wer-
den Sonne, Mond und Sterne sichtbar.
Daran schließen sich nach unten Sinn-
bilder der allerseligsten Jungfrau; wie
Jerusalem, Bethlehem, der Morgenstern,
der brennende Dornbusch, das Vließ Ge-
deons, die Palme, der elfenbeinerne Thurm,
das Einhorn. Sie bilden die Einleitung
zum Lebe n M a r i ä, welches in 2 Reihen
dargeskellt ist uub 1-1 Scenen umfaßt:

1. Joachims Opfer. 2. Joachim in der
Einöde mit Engel. 3. Anna im Frauengemach
und ein Engel (Freudenbotschaft). 4. Joachiin
und Anna begegnen sich vor der goldnen Pforte.
 
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