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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 9
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Schwäbische Kruzifixbilder nebst Kruzifixbetrachtungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0090

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Archiv für christliche Ärmst.

Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kauft.

peraiisgegeben und redigirt von Stadtpfarrer Reppler in Frendcnstadt.

Verlag des Rottenburger Diözesan-Runstvereins,
für denselben: der Vorstand Pfarrer vetzel in St. Lhristina-Ravensburg.

Or. 9.

Erscheint monatlich einmal. Halbjährlich für M. 2.05 durch die wnrttembergischen (M. 1.90
im Stuttgarter Bestellbezirk), M. 2.20 durch die bayerischen und die Nteichspostaustalteu,
fl. 1.27 in Oesterreich, Frcs. 8.40 iu der Schweiz zu beziehen. Bestellungen werden
auch angenommen von alten Buchhandlungen sowie gegen Einsendung des Betrags direkt
von der Expedition des „Deutschen Volksblatts" in Stuttgart, Urbansstrahe 04, zum
Preise von M. 2.05 halbjährlich.

schwäbische Kruzifirbilder nebst
Rrnzisirbetrachtungen.

(Fortsetzung.)

Für das richtige Verstäudniß eines
Kreuzbildes ist nöthig, sich zu fragen, ob
dein Künstler nicht vielleicht ein bestimmter
Moment vorschwebte und welcher? ob das
„Mich durstet" oder das „Mein Gott,
mein Gott! warum hast du mich verlassen?"
das Gebet für die Feinde, oder das letzte
Vermächtniß an seine Freunde: „Weib,
siehe da deinen Sohn!" Das Einschnei-
dendste aber ist doch, ob er das göttliche
Opferlamm mitten in den Qualen, wenn
nicht gar ans der Höhe derselben, oder
erst nach beendetem Kampfe vor Augen
stellen wollte, und in letzterem Fall, ob
mit ungeschwächter Nachwirkung seiner
Todesschmerzen, oder nur leisem Nach-
zittern derselben, oder gar mit bereits
durchbrechenden Strahlen seiner nahen
Auferstehung.

Iu des Kampfes äußerste Bedräuguiß
führt uns der Kruzisixus des Blaubeurer
Kreuzganges, jetzt in der Stuttgarter Alter-
thnmssammlung, ein. Die Last der Krone
drückt das göttliche Haupt darnieder; der
Mund ist geöffnet und lechzend liegt die
Zunge über die untere Zahnreihe vor;
die Lenden, sind wie weggeschwunden. Die
geschwollenen Adern, die anfgequollene
Brust vollenden das Marterbild, das dennoch
in keinem Punkte die Schönheitslinie über-
schreitet. An dieses schließen sich nach
Auffassung und nach Schmerzeusausdruck
in abnehmender Stärke an die Kreuz-
signren von Hall, Frendenstadt, Wiblingen,
Nördlingen, Zwiefalten, Göppingen (Ober-
hofkirche), Göppingen (Sakristei) — bei
beiden die Augen soeben brechend — und,
wenn wir auch Werke zweiten Ranges
anführen sollen, Brackenheim, Täferroth,

OA. Gmünd, Altstatt-Rottweil. —■ Sturm
in voller Heftigkeit; „die Wasser sind mir
gestiegen bis an die Seele;" in Blau-
beuren (Klosterkirche) — Tod soeben ein-
getreten — und in Maulbronn — wenn
hier je noch ein Lebensfunken glimmt, wird
er alsbald erloschen sein — läßt die Wuth
der Wogen nach, aber ihr Zerstörnngs-
werk ist noch deutlich sichtbar. In den
jugendlichen Zügen des Kruzifixbildes von
Rohrdors (jetzt im Besitze des Herrn Chef-
redakteurs Kümmel in Stuttgart), in den
männlichen von Schwaigern und in den
sanften von Heilbronn hat sie sich gelegt
und was geblieben, ist der gesättigte Aus-
druck von Ruhe und Friede. Um das
letztgenannte Kruzifix weht es wie Sieg.
So sind die beiden: das des Blaubeurer
Kreuzgangs und das in der Bekrönung
des Hochaltars von St. Kilian gewisser-
maßen die Endpunkte einer Kette, welche
unsere und wohl auch noch weitere, erst
zu entdeckende Bilder des Gekreuzigten,
aneinanderreiht: zwei Extreme, die sich
gegenseitig ergänzen und zwischen denen —
bald dem einen, bald dem andern sich
nähernd — unsere unbekannten Größen
ihrer Aufgabe nachgehen, welche heißt:
Durchdringung der göttlichen Hoheit mit
menschlicher Schwachheit und Darstellung
des innersten GeiyüthSlebens in der äußern
Erscheinung.

Dabei ergeben sich die feinsten Mischungs-
verhältnisse in der Jndividualisirnng: eine
ganze Stufenleiter der leidenden Schönheit,
wo Würde und Anmnth in den verschie-
densten Akkordenverbindungen ineinander
schmelzen. — In voller Mannesschönheit
und Manneskraft ringt der göttliche
Schmerzensmann zu Wiblingen und Zwie-
falten mit dem Tode; der etwas ältliche
Manlbronner Kopf zeigt Spuren tiefen
Seelengrames, verbunden mit innigster Zu-
 
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