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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 14.1896

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Nr. 9
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Schwäbische Kruzifixbilder nebst Kruzifixbetrachtungen, [2]
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Krzesinski, Theophil: Zwei mittelalterliche Kunstwerke im Dom zu Gnesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.15913#0095

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82

Die bewnndernswerthe Haarbildnng haben >vir I
schon erwähnt.

2) So urtheilt Liibke über die Werke der
schwäbischen Schnle überhaupt.

„Sie sind nicht nngesnnd effekthascherisch,
vielmehr praktisch ascetischen Charakters, ivvbei
bald die Forderung andachtsvoller Versenkung
in das objektiv im Eeiste, tvenn auch unter
Viitanivendnng sinnlicher Hilfsmittel, angeschante
Marterbild des Heilandes, bald die Empfehlung
gelassenen Eingehens in die Leidensnachfolge
und willigen Aufnehmens des vom Herrn anf-
erlegten Kreuzes vorwiegen." So schreibt Zbckler
(„das Kreuz Jesu Christi") von Christusbildern
ähnlich de» unser»! Es ist dies nicht das erste-
mal, daß der gesunde Menschenverstand über die
Bilderverachtnng Herr wurde.

(Fortsetzung folgt.)

Awoi mittelalterliche Runstwerke
im Dom zu Gnesen.

Außer den bereits im „Archiv" beschrie-
benen Grabplatten enthält der Dom zu
Gnesen noch mehrere Kunstwerke ans dem
Mittelalter, die trotz der zahlreichen Plün-
derungen 'und Brände, denen er im Laufe
der .cheiten ansgesetzt war, sich bis ans
diese Zeit erhalten haben. In dieser Skizze
wollen wir vor allem zwei Kunstwerke
betrachten, die in hohem Grade das In-
teresse des Archäologen und Kunstkritikers
erwecken: das sogenannte „Goldene Thor"
und das Neliquiar des hl. Adalbert. Der
Dom selbst ist ein ehrwürdiges, interessan-
tes Bailwerk. Die Anlage desselben läßt
noch jetzt mit Sicherheit daraus schließen,
daß er im romanischen Stil erbaut wurde;
in dem Chornmgang, dem Presbyterium
und den Seitenschiffen lassen sich Spuren
des Ueberganges der Gothik in die Re-
naissance erkennen; in der Ornamentik
herrscht der Zopfstil vor, da die ehrwür-
dige Kathedrale ilach einem furchtbaren
Brande 1700 im Geschmack der Zeit restan-
rirt wurde, lieber die Naumverhältnisse
erwähnen wir noch, daß die Kirche 200
Ellen lang, 80 Ellen breit und 92 Ellen
hoch ist; 24 mächtige Pfeiler, von denen
7 ans behauenen Steiilen, der Rest alls
Ziegeln besteht, tragen das Gewölbe; die
beiden Thnrme, die schmucklos, ernst, fast
düster die ebenfalls schmucklose Fassade
flankiren, sind 145 Ellen hoch. Betritt
man den Don: von Süden ans, so gewahrt
man ein mächtiges Thor, welches den Vor-
raum von der Kirche trennt. Dieses Thor
war stets und ist noch heute der Gegenstand

eifrigen Forschens und Streites unter den
Kunstkennern. Die Traditioil erzählt, daß
König Boleslaus Chrobry (der Tapfere)
um das Jahr 1000 das goldene Tbor,
auch Königspforte genannt, als Beutestück
ans der russischen Stadt Kiew gebracht
hat. Stolz schlug der König beim Ein-
zug in die eroberte, reiche Stadt mit dem
Schwerte in das Thor ein; die Spur des
Schlages, eine mehrere Centimeter große
Vertiefung, wird noch gezeigt; auch das
Schwert des Königs bekam eine Scharte
und ließ seitdem „das schartige Schwert"
HL^crerbiec). Mit dieser Legende begnügte
man sich Jahrhunderte lang, ohne sich um
die Bedeutung der Reliefs ans dem Thore
zu kümmern. Erst neuere Forschungen
ergaben die Unhaltbarkeit der Sage; die
Forscher kommen zwar darin überein, daß
die Reliefs Ereignisse aus dem Leben des
hl. Adalbert, Apostels der Polen, darstellen,
doch über den Ursprung des Kunstwerkes
herrschen verschiedene Ansichten. Die An-
nahme polnischer Archäologen, daß das Thor
ein Werk polnischer Meister sei, hat keine
Wahrscheinlichkeit für sich, da in Polen
im Mittelalter, ganz besonders aber in
der frühen mittelalterlichen Knnstperiode,
welcher das Kunstwerk angehört, nachweis-
lich von einheimischer Kunst, vielleicht mit
Ausnahme der sog. Kleinkunst, nid)t die
Rede sein kann. Eine nähere Betrachtung
lehrt, daß wir ein Werk romanischer Kunst
vor uns haben; ein Vergleich mit ähnlichen
Kunstwerken zeigt ausfallende Aehnlichkeit
mit den Werken, die ihren Ursprung dem
hl. Bernward von Hildesheim (f 1023)
und dessen Schule verdanken; die eiserne
Thür zu Hildesheim mit ihren 10 Relies-
bildern, das Thor zu Augsburg zeigen
analoge Ornamentik und Ausführung. Das
Gnesener Dointhor ist ans Erz gegossen,
jeder Flügel 10 Fuß 4 Zoll hoch, 2 Fuß
8 Zoll breit; der linke Flügel ist etwas
kürzer und 1 Zoll schmäler; auch in der
Patina differiren die beiden Flügel; acht-
zehn Reliefbilder, die auf dem linken Flügel
von unten nach oben, ans dein rechten von
oben nach unten gehen, stellen das Leb en
und das Martyrium des hl. Adal-
bert dar. H Charakteristisch istdasPslan-

0 Bekanntlich ist der Heilige am 23.April 997
bei Fischhansen ermordert worden.
 
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