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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 1
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Denkmäler christlicher Kunst im Osten, [1]
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vielthürmige Stadt ehrwürdiger Kirchen,
birgt in seinen Manern unzählige Schätze
der Kunst, namentlich jener Kunst, die einst
allein zur Ehre Gottes herrliche Werke ge-
schaffen hat. Eine Wanderung durch die
Straßen der Stadt, der Besuch der alters-
grauen Kirchen ist ein Hochgenuß für den
Freund der Kunst, ein Blick von dem hohen
Thurm von St. Marien zaubert vor nn-
serem Blick eine wundervolle Scenerie, die
an längst entschwundene Zeiten erinnert!
Da ragen zu unseren Füßen Thürme und
Thürmchen der alten Frauenkirche, einer der
größten Kirchen der Welt; da ist St. Ka-
tharinen, mit der vielzackigen Thnrmkroue
und dem ergreifenden Glockenspiel, mit
dem sie die Stunden des Tages begleitet;
da ist St. Peter, St. Johann, die frommen
Jungfrauen St. Barbara und St. Bri-
gitten, da ist St. Anna und Elisabeth und
dort — wie ein mächtiger Festnngsthurm
grüßt uns St. Nicolai! Diese Kirche
ist, nach der St. Katharinenkirche, die
älteste Danzigs und verblieb im Besitz der
Katholiken; einst gehörte sie den Domini-
kanern, daher auch Dominikaner- oder
Schwarzmönchentirche genannt, und wurde
im 13. Jahrhundert von pommerellischen
Fürsten gegründet und erbaut. In den
Stürmen der Religiousbewegnug war sie
stark gefährdet, da einer der Dominikaner,
Pancratius Klemme, sich der sogenannten
Reformation anschloß; während der viel-
fachen Belagerungen der Stadt durch Po-
len, Schiveden und Franzosen hat das
alte Bauwerk stark gelitten und in der
letzten Zeit mußte man an umfassende
Reparaturen denken. Die Kirche ist im
gothischen Stil erbaut, dreischissig nnb be-
sitzt außer dem Hochaltar 20 Seitenaltäre
im Renaissancestil. Beim Renovieren des
Presbyteriums fand man vor einigen Wo-
chen unter dem Putze alte Wandmale-
feien, die leider zur Zeit nicht zu sehen
sind, da man sie mit Leinwand znm Schutz
gegen Staub verdeckt hat; glücklicherweise
sind im rechten Seitenschiffe ebenfalls
Wandmalereien bloßgelegt worden, so daß
eine Benrtheilung derselben möglich ist.
Es scheint, daß die ganze Kirche mit Wand-
gemälden früher geschmückt ivar, die man
später mit Kalk übertüncht bat. Die er-
wähnten Malereieii im Seitenschiffe stellen

Spuren ans dem Leiden Christi dar; links
des Seitenaltars ist ein Theil der Kreuzi-
gung genau zu erkennen, rechts ist wahr-
scheinlich die Geißelung dargestellt gewesen.
Bon den Krenzigungsspuren ist zur Zeit
nur ein kleiner Theil bloßgelegt worden,
und zwar erblickt mein den Leib des Hei-
landes etwa vom Hals bis unterhalb der
Kuiee, zu beiden Seiten sind die Köpfe
der Jnngfrau Maria nnb des hl. Johannes
sichtbar; die auf der reckten Seite bloß-
gelegte Stelle zeigt die Gestalt eines Hen-
kerknecktes in der im Mittelalter üblichen
Tracht, mit erhobener rechteii Hand, bis
an die Kniee; zu seinen Füßen das Haupt
des Heilandes, mit Nimbus, dahinter sieht
man noch in deutlichen Umrissen einen
Kops; es ist auch möglich, daß die Sceue
beit Moment darstellt, wo der Heiland
unter der Last des Kreuzes niedersinkt;
der Henker holt zum Schlage ans, wäh-
rend Simon von Cyreiie dem Niederge-
sunkenen Hilfe leistet; an einem Seiten-
pfeiler, neben den erwähiiten Bildern, ist
noch ein Kopf mit Nimbus und die rechte
Hand, die zil derselben Figur gehört,
sichtbar. Vor allem ist zil bemerken, daß
der nackte Leib Christi (das Lendentuch ist
fast nicht zu unterscheiden) und die Ge-
stalt des Henkers eine sehr gute Zeichnung
und Modellierung der Körperfvrmeii zeigen;
in den Köpfen der Jungfrau Maria nnb
des hl. Johannes spiegelt sich gewisse An-
mnt nnb harmonische Proportion ab, so
daß sicher ein nicht unbedeutender Meister
der Urheber jener Passionsbilder ist. So-
iveit ans den leider nur geringen Spuren
der Wandmalereien geiirtheilt werden kann,
stammen die Bilder ans dem Ende des
15. oder bem Anfang des 16. Jahrhun-
derls lind erinnern durch die bewegte Kom-
position lind gutes Naturstudiuni an die
N ü rnberger Schule. Die Malereien
mochten etwa kurz vor der sogenannten
Reformation entsAuden jein und sind,
nachdem die Kirche zeitweise in protestan-
tische Hände gefalle»' ist, übermalt wor-
den. Die Farben sind noch ziemlich frisch
erhalten, namentlich das Blau des Kopf-
lnckcs der seligen Jungfrau und der Fleisch-
ton des Leibes Christi; auch die Nimbeu
und die Farbe der Kopfhaare jinb recht
gut zu ullterscheiden. Die Figiir auf dem
 
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