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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Probst, Josef: Ueber die Sterzinger Skulpturwerke des Meisters Hans Mueltscher in Ulm
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0017
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11

der ansehnlichen Klosterkirchen der See-
gegend. Es ist auch nicht die Werkstätte
in Ulm benannt nnd die Möglichkeit
nicht auszuschließen, daß mehrere Werk-
stätten daselbst schon damals bestanden
haben könnten. Aber immerhin fühlt man
sich unwillkürlich der Annahme hinge-
zogen, daß jener „Meister ans Ulm" wohl
kein anderer als Hans Mneltscher, gebürtig
ans Neichenhofen, gewesen sein dürfte,
Die, verglichen mit den Holzschnitzereien
der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
außerordentlich spärlichen Werke ans der
ersten Hälfte desselben lassen beit Gedanken
nicht anfkommen, daß die diesbezüglichen
Werkstätten damals schon zahlreich gewesen
fein könnten, sondern das Gegenteil. Wenn
aber diese Fährte nicht ganz trügt, so
würden die betreffenden Statuen jedenfalls
in die Frühzeit der Ulmer Werkstätte fallen.

Sehr interessant ist unter solchen Um-
ständen eine Publikation von Paulus
über drei Statuen von Bronn weil er
bei Reutlingen (Kunst- und Alterthums-
denkmale im Königreich Württemberg.
Schwarzwaldkreis S. 262; Abbildungen
daselbst S. 245 und 247). Diese Fi-
guren, die jetzt in Stuttgart sich befinden,
wurden zuerst von Prof. Keppler in seinem
Buch Württ. kirchliche Kunstalterthümer
1888 angeführt, die dazumal noch in
Bronnweiler sich befanden, zwar ohne Ab-
bildungen, jedoch mit der Charakteristik:
„Anfang des 15. Jahrhunderts; sehr schöne
Gesichter und feine Drapirung, beson-
ders die Kopfschleier"; zugleich ist auch
die Zeit der Erbauung des Chors daselbst
1415 angegeben. Paulus, der die so
wünschenswerthen photographischen Abbil-
dungen zu geben in der Lage ist, äußert
sich über dieselben: „die Hvlzstatne der
Maria und zweier trauernden Frauen,
im Uebergang von der Frühgothik zur
späteren, noch ganz mit dem Schönheils-
hanch der Straßburger und Freiburger
Schule, aber noch milder, von bewunde-
rungswürdig lebendigem Faltenwurf und
anmutsvoller Bewegung; ein Werk, des
besten Meisters würdig, kaum von den
größten spätgothischeu Künstlern wieder
erreicht."

Man vergleiche nun die auf photogra-
phischer Grundlage gefertigten, deshalb
treuen Abbildungen der Bronnweiler und

Eriskircher Statuen, so ergiebt sich eine
geradezu überraschende Uebereinstimmnng,
nicht bloß in der gesammten Erscheinung, son-
dern auch im Detail der Draperie der
Gewänder, auch des Schleiers und sogar
des Gesichtsansdrucks.

Das kann nicht ein Zufall sein; man
kann auch nicht sagen, daß es Gemeingut
aller damaligen Werkstätten der Holz-
schnitzerei gewesen sein könnte. Die Werk-
stätte des Lukas Moser von Weilderstadt,
aus welcher der bekannte Altar in Tiefen-
bronn (1431) mit Gemälden und Holz-
schnitzereien hervorging, bietet solche Ueber-
einstimmnng durchaus nicht dar, so daß
Bode sich sogar veranlaßt sieht, die Ent-
stehungszeit wenigstens der S ku l p t u r e n
dieses Altars in eine ganz andere Periode
zu versetzen (Geschichte der deutschen Plastik
S. 179). Wir glauben zwar, daß Bode
darin entschieden zu weit geht; allein eine
Vergleichung mit der Photographie in
Münzenbergers: Schnitzaltäre Deutschlands
läßt die Unterschiede gegenüber der Bronn-
weiler und Eriskircher Statue deutlich ge-
nug hervortreten. Ebenso läßt eine Ver-
gleichung mit dem Holzschmtzwerk aus
Mühlhausen bei Cannstatt e wo Paulus:
Kunst- und AlterthumsdeukrMe W. I
S. 154) eine nur beschränkte Ueberein-
stimmung mit demselben wahrnehmen.

So nahe sich nun die Annahme zum
voraus legen mag, daß die Bronnweiler
Statuen in einer Werkstätte der ganz be-
nachbarten Stadt Reutlingen entstanden
sein möchten, so spricht doch die einläßliche
Vergleichung dafür, daß für Bronnweiler
und Eriskirch die gleiche Werkstätte,
vielleicht die gleiche Hand angenommen
werden müsse. Es bedarf keiner weit-
läufigen Motivierung, daß nicht in allen
Städten, in welchen die Baukunst und
andere bildende Künste eine bedeutende
Höhe errungen hatten, alsbald auch die
Werkstätten für Holzschnitzerei sich
hätten einfinden müssen. Wenn das nicht
geschah, oder so lang cs nicht geschah,
mußte das vorhandene Bedürfniß durch
Bezug von anderwärts her gedeckt werden.
Für diesen Fall aber legte sich am nächsten
die Mueltscher'sche Werkstätte in Ulm.

Wir fassen unsere Anschauung in ihren
Resultaten so zusammen, daß, wie die
genannte Werkstätte gegen das Ende ihres
 
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