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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr.2
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Wappenbild in Londorf
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Denkmäler christlicher Kunst im Osten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0022

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— 14 —

leituug des Damian Hariard von Hatt-
steiu dürfte gute Dienste dabei leisten.

Denkmäler christlicher Run st im
Osten.

2. Die Kirche auf Hela.

Von Danzig aus ist in einigen Stunden
per Dampfer das Fischerstädtcheu Hela
zu erreichen, welches auf der Spitze der
sechs Meilen langen Halbinsel gleichen
Namens liegt. Einst sollte Hela eine
mächtige Seestadt gewesen sein, so erzählt
die Sage. Da versank eines Tages die
Stadt mit ihren Einwohnern, Kirchen,
Thürmen nnd Palästen ans ben Grund
des Meeres — noch jetzt ertönen von
Zeit zu Zeit die Glocken der versunkenen
Kirchen. Eine Kirche ist allerdings noch
ans Hela zu sehen, die wirklich ans einer
besseren Zeit stammen muß; davon zeugt
der Bau nnd einige Knnstschätze, die er
noch in seinen Maliern birgt. Die Kirche,
jetzt lutherisch llnd unlängst renoviert,
ist im gothischen Stil erbaut, etwa im
15. Jahrhundert, mit polygoncm Chor,
zwei Seitenschiffen, ohne Langhaus: auch
das Gewölbe fehlt und ist durch Holz-
täfelung ersetzt. Durch die modernisirende
Nenovirling ist dem Kirchlein das Ehr-
würdige, Charakteristische genommen wor-
h'u; es sollten auch bei der Restauration
derselben viele Holzschnitzereien, Figuren ec.
lmbarmherzig vernichtet und verbrannt wor-
den sein. Das, was übrig geblieben, ist
wenig, doch werthvoll genitg. Vor allem
bemerke ich mit Staunen über dem Hoch-
altar eine sehr gelungene Kopie des so-
genannten „großen Ecce llomo-Bildes" *)
von Rembrandt. Das Bild ist auf Holz
gemalt nlld besteht auö drei Tafeln, circa
2 Meter hoch, 1 ',2 Meter breit; die Kopie
ist außerordentlich sorgfältig ausgeführt,
liamentlich was teil Gesichtsausdrnck der
Person aubelrisst; der innere Kamps ans
dem Gesicht des Pilatus, der fanatische
Haß der vor ihm stehenden Juden, die
milde Resignation deS Heilandes, alles
wußte der unbekannte Meister seinem Vor-
bilde genau nachzumachen; die Köpfe der
leidenschaftlich bewegten Menge im Hinter-
gründe sind verwischt; das Bild bedarf
einer Renovirung von berufener Hand.

0 Das Original ist eine Nadirnng.

Oberhalb dieses werthvollen Bildes, wel-
ches, ivie man mir sagte, mit 3000 Mark
gegen Feuergefahr versichert ist, befindet
sich ein Medaillon mit der Darstellung
der Verklärung deS Herrn nach Rafael.
Wie kommen diese Kunstwerke nach dem
armen Fischerdorfe? War Hela wirklich
einst eine mächtige Seestadt? Diese Frage
drängt sich noch mehr auf, wenn mau über
der Sakristeithür eine Kopie deö „Abend-
mahlbildes" von Lionardo da Vinci er-
blickt. Den Hintergrund der Scene bildet
statt des perspektivischen Saales eine einfache
dunkle Wand mit drei quadratischen Fen-
stern; es scheint, daß das Gemälde ein-
mal übermalt respektive von ungeübten
Händen „renovirt" worden ist. Außer
herrlichen Leuchtern aus Messing, von
denen einer ganz besonders die Aufmerk-
samkeit auf sich lenkt: er stellt St. Georg
im Kampfe mit dem Drachen dar, ziert
die Kirche ein schöner Kronleuchter, eben-
falls ans Messing, wahrscheinlich hollän-
dische Arbeit (Amsterdam?) aus dem 17.
Jahrhundert. Im rechten Seitenschiffe be-
findet sich ein mittelalterlicher Dreislügel-
altar, Holzschnitzerei aus dem 15. Jahr-
hundert, der dadurch anssällt, daß die
Figur des hl. Andreas dreimal darin
vorkommt und zwar einmal geschnitzt und
zweimal auf den Seitenflügeln gemalt;
dieser Altar ist die einzige Holzschnitzerei,
die bei der Restauration der Kirche dem
Untergänge glücklicherweise entronnen ist.
Ein altes Taufbecken aus Stein, das
leider mit Cement überkleidet ist und ein
steinernes Waschbecken, welches, in die
Sakristeimauer eingemauert, mit einer
Rinne, die nach dem Kirchhof mündet,
verseben ist, beschließen die Reihe der
Knnstdenkmäler in der Kirche des welt-
vergessenen Hela.

Wer die alte Kirche erbaut, wer diese
Knnstschätze dort znsammengetrageu, ist
nicht zu erfahren. Haben die kühnen
Seefahrer aus fremden Landen die Schätze
nach ihrem Vaterland gebracht, sind sie
als Slrandbeute den Fischern in die Hände
gefallen, die damit ihr Gotteshaus schmück-
ten? — Wer weiß es — immerhin bleiben
sie inmitten dieses armen Fischerdorfes ein
Genuß für den Kunstfretiud, eilt Räthsel
für den Forscher.

v. Krzesinski, Die. ttreot.
 
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