Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Detzel, Heinrich: Ein Gang durch restaurirte Kirchen, [7]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0028
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

werfe». Einzelne Gemälde wurden von
ihm fast ganz lind in der unverständigsten
Weise übermalt. Dazu kam, daß trotz
dieser „Renovation" das Dach der Kirche
nur schlecht unterhalten und Schnee und
Regen der Eintritt gestattet war. Die
Folge war, daß sich nicht nur neue Risse
und Wasserfleckeu au den Decken zeigten,
sondern daß vom mittleren Hauptgemälde
im Langhause sogar ein gewaltiges Stück
herunlerfiel, andere Theile aber los wur-
den und jeden Tag herunterzufallen drohten.

Eine neue Restauration war daher
dringend geboten, und es ist das Verdienst
des neuen Pfarrherru Schäfer, daß er
alsbald nach Antrilt seines Amtes im
Jahre 1805 schon eine solche einleitete.
Mau schritt zuerst au die Untersuchung
der Gipsdecke und fand, daß von dem
13 Meter langen und 9 Meter breiten
Hauplbilde kaum noch der dritte Theil
erhalten werden könne, da schon von An-
fang an die Art und Weise der Ver-
pntznng des Plafonds eine mangelhafte
war. Diejenigen Stellen an der Decke,
welche noch haltbar schienen, aber für
später eilt Hcrnnterfallen befürchten ließen,
wurden mittelst Holzschrauben, deren Köpfe
kleine, runde Blechstücke bilden, befestigt,
also gleichsam angenagelt, und eö mußten,
um für alle Zukunft volle Sicherheit 311
haben, gegen 3000 solcher Holzschrauben
in die Gipsdecke hineingetrieben werden.
Diese Arbeiten führte Gipsermeister und
Stnccalenr Benkel mann von Sanl-
gan ans, und betrugen die Kosten für
sämmtliche Gipserarbeiten 1200 Mark.

Was nun die eigentliche Restauration,
d. h. die Ausmalung der Kirche lind die
Renovirnng der Fresken betrifft, so wnr-
deil diese Arbeiten dem Maler Viktor
Mezger in Ellwangen übertragen, der
im Sommer 1895 zunächst das Schiff
der Kirche fertigstellte. Es sind in den
letzte» Jahren der Frage der Ausmalung
linserer Kirchen einläßliche Erörtertlngen
geividmet wordenI tind kauten hiebei be-
sonders drei Arten der Bemalung zur
Sprache. Bei einem Theile der restan-
rirten Kirchen bestehe die ganze Bemalung

0 Kuhn, lieber die Beiualuug der Kirchen.
Würzburg 1893. Bergt, hiezu: „Archiv" 1894
S. 17 ff

in der Uebertünchnng der Decke mit Kalk-
milch, der Wände mit einem schmutzig
grauen, grünen oder gelben Steintoit, des
Sockels mit dnnkelgranem, dunkelblanent
oder dunkelbraunem Tone. Ein anderer
Theil der restanrirteit Kircheit sei nur
mit halben Farbentönen bemalt und werde
dieser Art der Bemalung voit deit meisteit
Gebildeten ans dem Geistlichen- und Laien-
stand, auch von den meisteir Halbgebildeten
das Wort geredet. Es entsprächen über-
haupt diese beiden genannten Arten von
Bemalung der Kirchen in halbeit Tönen
tind Farblosigkeit so ganz der Halbheit
und Charakterlosigkeit im täglichen Leben.
Nur eine dritte Art von Bemalung der
Kirchen, eine solche mit vollen, satten
oder ganzen Farben sei die allein richtige,
die allein für ein Gotteshaus geziemende,
und es wird diese Art der Polychromie
nicht bloß für die romanischen und gothi-
seben Bauwerke, sondern auch für den
Barock-, Rococo- nnb Zopfstil gefordet.
Man braucht nun nicht zu den Farben-
schenen zu gehören, zu denjenigen, die
„sich ans Vornrtheil gegen die Polychromie
und ans mangelnder Selbständigkeit des
Geschmackes in die Schönheitsbegeisternng
für die halben Farben hineinstndirt
haben", so sagt doch schon ein normal
gebildetes Knnstgefühl, wo immer ein
solches vorhanden ist, daß die extravaganten
Formen der Spälstile doch nicht in gleicher
Weise malerisch behandelt werden können,
wie die monumentalen, charaktervollen Ban-
formen des romanischen und gothischen
Stiles. Es hieße den ganzen Charakter
dieser Spätarchitektnr trügerischer Weise
verändern wollen, wenn man hier mit
einem vollen Blau, Roch oder Grün han-
tiren würde. Oder sollten etwa die vollen
Farben den Zweck erreichen, den schon
vom Baumeister übermäßig stark ange-
wcndeten Gliederungen des Zopfes, den
langgewnndenen Schnörkeln und willkürlich
verzerrten Figuren, den phantastischen
Frucht- und Blumengewinden und all den
anderen Uebertreibnngen einen monumen-
talen Charakter anfzndrückenV Das Gegen-
theil würde erreicht: Das Phantastische

würde ins Unsinnige gesteigert. Hat es
ja schon die Renaissance gefühlt, daß ihre
Architektur eine andere polychrome Be-
handlung erheische, als die romanische und
 
Annotationen