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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 7
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Kümmel, Konrad: Eugen Keppler †, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0069

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60

der Frei b u r g e r. Schöneres kann wohl
überhaupt kaum über ihn gesagt werden.
Da entfesselt E. K. die Wucht des vollen
Werkes seiner Redekunst zum Hymnus
auf diese frühlingsfrische Prachtblüthe der
deutschen Gothik, und es quillt und rauscht,
cs singt und klingt sein Lob im reichsten
und entfesselten Strom der Rede dahin.
Wer einmal Kepplers Charakteristik der Py-
ramide dieses Münsterthnrines gelesen hat,
der wird sie nie wieder vergessen. Und
doch fußt seine dithyrambische Begeisterung
immer wieder ans dem Boden solidesten
Erkeuuens und Wissens. Wie feinsinnig,
z. B. charakterisirt er gerade hier die Gesetze
der Optik, welche für die Verhältnisse der
einzelnen Thurmtheile wie für die kaum
sichtbare Wölbung des Pyramidenprofils
maßgebend gewesen sind! Man erschauert
innerlich vor der ästhetischen Harmonie
und Größe, die in diesen Werken Gestalt
angenommen hat. Der feinfühlige und be-
geisterte Aesth etiler Eugen Keppler
zeigt sich hier auf seiner Höhe; man merkt
es jedem Satze an, wie er sich förmlich
freut, sprechen und verkünden zu können,
das, was ihm Studium und Betrachtung
über die Schönheit der mittelalterlichen
Kunst erschlossen haben.

Einen größeren Umfang als die ge-
kennzeichneten elf Artikel nimmt die zweite
Abtheilung seiner Arbeiten ein. Das sind
jene, welche sich mit den Untersuchungen
der mittelalterlichen Kunst-Symbolik
befassen. Und dies ist nun die Speziali-
tät des Verstorbenen. Nicht weniger als
33 Artikel im „Archiv" sind diesem Thema
gewidmet, davon haben drei Arbeiten all-
gemeines Gepräge, zwei zeigen an speziellen
Objekten (Taufstein in Frendenstadt und
der Thnrmfries in Hirsau) die Verwerthuug
seiner Kenntnisse. Es läßt sich hier ein
Fortschreiten von der kritischen Polemik
bis znm positiven System leicht erkennen.
K.s5 Artikel über „Ableitungen von Christ-
lichem ans Heidnischem", seine erste Arbeit
fürs „Archiv", sind zunächst apologetischer
Art. Sie sind eine energische Zurück-
weisung der Modesucht gegnerischer Ge-
lehrter, wie auf dem Gebiet der Geschichte,
der Liturgik u. s. \v. so auch auf dem der
Kunst, das Christenthum als eine natürliche
Weiterbildung deö Heidenthnms hinznstellen,
eine Mode, welche das Entzücken jedes „farb-
losen" Generalanzeigers-Redakteurs ist,
und welcher unbewußt tausend gute Leute

ahnungslos huldigen. In seiner köstlichen,
humorvollen und überlegenen Art führt er-
den Hauptvertreter dieser Richtung, den
Engländer Blnnt, an zahlreichen Beispielen
geistvoll und glänzend ab und beweist, wie
zwar das Christenthum an Heidnisches an-
knüpft oder daß den heidnischen Symbolen,
welche die christliche Kunst aufnahm, ein-
fach eine allgemeine religiöse Wahrheit
zu Grunde liegt, wie aber zwischen Heid-
nischem und Christenthum auch in der Kunst
eine Kluft ist wie zwischen Natur und Ueber-
natur, Erde und Himmel. Es ist ein Ge-
nuß, zu lesen, mit welch förmlichem Be-
hagen E. K. den Engländer abthut, wie
er seine ganze Beredsamkeit entfaltet, wobei
er bald mit scharfem Beweis, bald mit
treffendem Witz eingreift; wie er dem
Gegner folgt bis in die letzten Falten und
die tiefsten Schlupfwinkel seiner Aufstel-
lungen und ihn mit einem Scharfsinn und
einer Beredsamkeit widerlegt, Punkt für
Punkt, bis selbst in die letzten Möglich-
keiten hinaus, daß man unwillkürlich ver-
sucht ist, sich den unhaltbar verlorenen
Mister Blunt als Catilina Nr. II. vorzu-
stellen, welcher von der rhetorischen Wucht
und unwiderleglichen Beweisführung E.
K.s vernichtet und gerichtet dasteht.

Derselbe Geist waltet in den gleichfalls
noch mehr polemisch gehaltenen Artikeln
über den Hirsaner Bilderfries (am Thurm).
Es ist die Briefform hier gewählt, und
schon die souveräne Wahl dieser gewiß nicht
sehr leichten Art, kritische Fragen aus-
zufechten, zeigt den Mann, der seiner
Sache sicher ist, der so fest im Sattel
sitzt, daß er im Gefühl seiner Ueberlegen-
heit sich gestatten darf, ein Stück besten
Humors dreinzugeben. Es zeigt sich diese
Sicherheit erst recht darin, wenn er nach
Anführung der mehr oder weniger will-
kürlichen Deutungen der allerdings sehr-
schwer zu erklärenden Figuren nun selber
eiusetzt, und zwar nicht mit bloßen sub-
jektiven Annahmen, soirdern mit Auf-
stellungen, hinter welchen das Material
der schwersten Dctailkenntniß steht. Da
muß man sich sagen: endlich ist einmal
der viel umstrittene FrieS aus dem Geiste
jener Zeiten und Männer heraus erklärt,
welche ihn geschaffen haben! Das ist ivahr-
lich nicht bloß Künstelei und Deutelei,
das ist positives, schwerwiegendes Wissen:
alle Achtung davor. Dasselbe Detail-
verständniß mittelalterlicher Kunstformen
 
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