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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 7
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Kümmel, Konrad: Eugen Keppler †, [2]
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Pfeifer, Franz Xaver: Zur Frage des Proportionskanons in der mittelalterlichen Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0071

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62

inneren individuellen Gehalt jedes dieser
Meisterwerke schwäbischer frommer Knnst.
Und ihre Sprache zu verstehen, ihr
Schweigen reden zu machen, so wie es
der Entschlafene verstand, das ist nicht sehr
vielen gegeben, dazu besitzen wenige die
nötige Vorbildung besonderer Art. Da-
durch aber, daß E. K. in diesen Krnzifix-
betrachtnngeu den Satz sich zu eigen ge-
macht und erhärtet hat: „nebst Fiesole hat
unsere schwäbische Schule den schönsten
Typus des leidenden und sterbenden Hei-
landes geschaffen", hat er sich ein ganz
besonderes Verdienst um unsere vaterlän-
dische alte, fromme, katholische Knnst er-
worben. Möge es dem „Archiv" beschie-
den sein, diese herrliche Studie im gleichen
Geiste vollendet zu erhalten; möchte der
Bruder des Verstorbenen die Feder anf-
nehmen, die dem uns so bald Entrissenen
mitten in der Thätigkeit entfallen ist, und
durch Vollendung der Arbeit den: Bruder
das schönste literarische Denkmal in den
Blättern setzen, die er durch die letzten
Jahre redigiert hat!

In amplexu Crucifixi — mitten in
diesen Arbeiten ist Eugen Keppler vom
Tode abberufen worden zum Schauen des
Sohnes Gottes von Angesicht zu Angesicht.
Gewiß sind die Vorarbeiten, die Studien
und Reflexionen für die Kruzifix-Artikel
auch eilt werthvoller Beitrag zur Vorbe-
reitung auf sein eigenes Sterben gewesen,
um so mehr, als Eugen Keppler hiebei sich
tiicht bloß ins Mysterium der Passion
hineingedacht und hineingelebt, sondern
auch bei den großen Schmerzen, die er
während der letzten Zeit seines Lebens
heroisch trug, hiueiugelitteu hat. So darf
der Ausspruch des Apostels auf ihn wohl
angewendet werden: „Gewiß ist dieses Wort:
tvenn wir mit Ihm sterben, werden wir
mit Ihm leben, wenn wir mit Ihm dulden,
werden wir mit Ihm herrschen". 2 Timoth.
2, 11. __ _ K. K.

Zur JTage des pdroportiouskauons in
der mittelalterlichen Architektur

liegt eine weitere wichtige Publikation vor u.
b. T.:

Das Hüttengehei m u iß v v m g e r e ch -
ten ©teinmei?engranb in seiner Ent-
wicklung und Bedeutung für die kirchliche
Baukunst des deutschen Mittelalters dargelegt
durch Triangulaturstudien an Denkmälern aus
Hessen und ben Nachbargebieteil von Dr,

Alhard v. Dra ch, Professor an der Uni-
versität Marbitrg. Mit 28 lithogr. Tafeln und

36 ©. Text. Marburg 1897, Elivert'sche Ver-
lagshaudlnilg. Preis 14 M.

Im Vorwort theilt der Autor mit, daß seine
Schrift veranlaßt sei durch zivei Veröffentlich-
ungen von G. Dehi o, Professor der Kunstgeschichte
an der Straßburger Universität: Untersuch-
ungen über das gleichseitige Dreieck
als Nornt gothis cherB anprvportioneu.
(Stuttgart, 1894; vrgl. „Archiv"1894 S. 91) und :
Ein P r v p v r t i o n s g e s e tz der a n t i f e u
Bank uu st u n d s e in N a ch l e b e n im M i t t e l -
alter xtixb in der Renaissance, (ebenda
1895). Die zivcite Schrift Dehio's ist, wie
schon der Titel zeigt, umfassender als die erste;
sie verfolgt die Anwendung des gleichseitigen
Dreiecks in den Grundrissen und Aufrisseii von
Baulverken von der antiken Zeit bis herab zur
Renaissance. Das Werk von Dr. Drach aber
unterscheidet sich von den beiden vorhin genannten
Schriften Dehios hauptsächlich in zivei Punkten;
für's erste nämlich stellt sich der letztere Autor
die Aufgabe, nachzuweiseu, daß in der mittel-
alterlichen Kirchenbaukunst außer dem gleich-
seitigen Dreieck noch eine andere Dreieckform,

lvelche er als -^-Dreieck bezeichnet, als Grund-
lage der Triangulierung angewendet worden
sei. Das betreffende Dreieck ist nicht gleich-
seitig, sondern gleichschenklig und hat an der

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Spitze einen Winkel von 45°. Der Ausdrucks-

Dreieck hat also den Sinn, daß der Winkel an
der Spitze der vierte Theil der ganzen Dreieck-

winkelsumme sei, denn -45°. Ein solches

Dreieck ist also etlvas steiler als das gleich-
seitige lind stimmt insofern mit der eigen-
thümlichen Tendenz der Gothik zu hohen und
steilen Formen überein. Sodann unterscheidet
sich die Schrift Drachs von den Publikationen
Dehio's auch darin, daß die Bauwerke, an
I denen die Triangulation nachgewiesen >vird,
andere sind; es sind nämlich Baudenkmäler
von Hessen und den Nachbargebieten aus der
Zeit des romanischen und gothischen Baustiles.
Recensent hat bei der Lektüre sowohl des
Werkes von Drach, das hier zunächst in Be-
tracht kommt, als auch der ztvei Publikationen
von Dehio drei Fragen sich gestellt, nämlich:
1. ist der Nachweis geliefert, daß in jenen
Bauwerken, ivorauf die bezeichneten Schriften
Bezug nehmen, die Triangulation grundsätzlich
oder systematisch angeivendet sei? 2. Wenn
dies der Fall ist, ivurde die Triangulation ans
ästhetischen Motiven angewendet, oder hat sie
überhaupt eine ästhetische Bedeutung? 3. Ist
mit den Proportionen, die aus der Triangu-
lation unmittelbar folgen, nicht vielleicht noch
eine andere, die vielleicht nicht beabsichtigt war.
z. B. die des goldenen Schnittes verbunden?

Ad 1. Der Beweis für die absichtliche und
systematische Anwendung der Triangulation
mit den zivei bezeichneten Dreiecksarten ivird in
dem Werke des Herrn v. Drach auf doppelte
Weise geführt, zuerst im Bonvort durch zwei
Dokiimente, eine in verkleinertem Facsimile
iviedergegebene schematische Zeichnung eines
 
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