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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 7
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Pfeifer, Franz Xaver: Zur Frage des Proportionskanons in der mittelalterlichen Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0073

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64

Kvnstrnktivnsfignr unterscheidet sich aber von
der in modernen Werken; sie enthält ein Qua-
drat , welches durch Theilnng einer Seite nach
deni goldenen Schnitt in zivei Rechtecke zerlegt
ist. Die Langseite beider Rechtecke ist die

Quadratseite, das eine aber hat als Breitseite
den Major, das andere den Minor der Qua-
dratseite. Bezeichnen ivir die Langseite mit L,
die Breite mit B, den Major mit M, den
Minor mit m, so entspricht das größere Rechteck
der Formel B=L— m, das kleinere der Formel
B—L—M. Beide Rechteckformen sind also aus
dem Quadrat durch den goldenen Schnitt

abgeleitet. Ich tverde nun zeigen, daß diese
beiden Rechteckformen in den Abbildungen dieses
Werkes öfters Vorkommen.

Die Formel A = L—m besagt, man erhalte
ans der Langseite des betreffenden Rechteckes
die Breite, tvenn nach vollzogener Theilnng
der Minor von der Langseite abgezogen ivird.
Mit dieser Formel nun stimmt so exakt als
inan es nur fordern kann die Titelvignett
des Werkes, welche Marburg mit Umgebung
darstellt. Die Langseite mißt genau 100 mm.
Der dazu gehörige Minor (nach vollzogener
Theilnng) ist 38,2 mm; es bleiben also nach
Abzug von 100 mm 61,8 mm, so daß zu 62 mm
nur noch Ls mm fehlt. Soviel aber, 62 mm,
mißt genau die Breitseite oder Höhe der Vig-
neite. Ich komme nun zum Nachweis des
Rechteckes nach der Formel B — L — m in den
abgebildeten Grundrissen.

Auf Tafel VI Fig. a ist der Grundriß der
Stiftskirche von Hersfeld abgebildet. Derselbe
enthält drei längliche Rechtecke; das größte ist
das Langhaus, eilt bedeutend kleineres Rechteck
ist der Theil des Chores, der zivischen dem
Querschiff und der halbkreisförmigen Chor-
nische liegt; das dritte Rechteck ist das Trans-
sept. Zwei nun diesen Rechtecken, nämlich das
des Lmighanses und das des Chores, ent-
sprechen der Formel B — L—m, wobei die Di-
mensionen des lichten Jtttiern der Messung zu
Grunde liegen, d. h. ivenn man die Länge
der bezeichneten Rechtecke nach dent goldenen
Schnitt theilt itnd den kleineren Theil abziebt,
erhält man die Breite. Ich will beit Beweis
beispielsweise an dem Rechteck des Chores
führen. Dieses mißt in der Zeichnung 39 mm,
theilt man diese Strecke nach dem goldenen
Schnitt, so ist der kleinere Theil bis ans eine
geringe Differenz 15 mm; ziehen tvir 15 von
39 ab, so bleiben 24 mm nnb soviel mißt die
Breite jenes Rechtecks und verhält sich zur
Länge wie Minor zu Major. Dasselbe gilt
von dem Rechteck des Langhauses. In dem-
selben Grundriß kommt dieselbe Proportion
noch in anderer Weise vor; mißt man im
Lichten die ganze Länge der Mittelaxe des
Baues von dem Punkte wo das Langhaus be-
ginnt bis znnt Punkte C im Halbkreis der
Chornische, so beträgt sie 174 mm. Zieht man j
hievon wieder den Minor ab, so bleiben !
106,4 mm nnb fast genau so viel beträgt die j
innere Längenansdehnung des Transseptes. Ich j
gebe, obwohl dein Grundriß ein Maaßstab bei- ;
gefügt ist, nicht die Maaße des Bantverkes I
selbst, sondern des Grundrisses an, iveil bei !
der Kleinheit des Maaßstabes Brnchtheile von !

Metern nicht mehr sicher zu bestimmen sind.
Ich fand noch mehrere andere Grundrisse, in
welchen das Langhaus - Rechteck der Formel
B—L—m bis auf sehr kleine Differenzen ent-
spricht; dies gilt von dem mit a bezeichneten
Riß auf Tafel VII, ferner vom Grundriß der
Stiftskirche zu Königslutter Tafel X. In
Grundriß a Tafel VIII entspricht der rechteckige
Theil, der vom Eingang bis znm Qnerschiss
reicht, jener Formel dann, tvenn die Mauer-
tverke mitgemessen tverden.

Die zweite der obigen Formel B— L—M
sagt, man erhalte ans der Länge die Breite,
tvenn man die Länge nach dem goldenen Schnitt
theilt und den größeren Theil abzieht. Auch
für diese Formel fand ich Beispiele in den Ab-
bildungen dieses Werkes; das Schönste ist das
auf Tafel XXII Fig. f abgebildete und trian-
gulierte Fenster, dessen rechteckige untere
Parthie von der Linie bei C,, bis AB 168 mm
mißt. Zieht man nach vollzogener Theilnng den
Major ab, so bleiben fast genau 64 mm und
dies ist die durch die Triangulierung ein-
gezcichnete Breite. Ein zweites Beispiel für
die Formel B—L—M ist das ans Tafel XXIV
a abgebildete Grabdenkmal, tvenn bloß die
Höhe nnb Breite der Mannesgestalt, in tvelche
die Triangulierung eingezeichnet ist, als maß-
gebend berücksichtigt tvird.

Die zivei soeben nachgeivieseneit Rechteck-
formen kommen übrigens schon in Grundrissen
altägyptischer Tempel, sotvie auch in mehreren
Grundrissen der beiden obenertvähnten Werke
Dehio's vor. Es ist jedoch hier nicht der Ort,
den Nachweis zil führen; nur das sei noch
ertvähnt, daß Dehio in seinem ztveiten Werke
auf der lebten Tafel LX das bekannte Bild
Raphaels Lo Sposalizio in verkleinertem Maaß-
stab wiedeigegeben und mit zivei gleichseitigen
Dreiecken, tvelche senkrecht übereinander stehen,
die Triangulierung eingezeichnet hat. Das
untere größere Dreieck reicht von der Basis des
Bildes bis zur Schwelle der Pfvite des oben
dargestellten Tempels, das obere kleinere reicht
von der Tempelbasis bis zum Knppelgetvölbe.
Ich habe nun durch Messung gefunden, daß die
Basis des unteren Dreiecks zu der des ober»
und in Folge davon and) die Höhe des erste»
zur Höhe des ztveiten ivie Major zu Minor
sich verhält. Ja sogar das längliche Rechteck
der Eingangspforte des Tempels entspricht der
Formel B—L — m. Man kann fragen, was
hier das Primäre und tvas das Sekundäre ist, ob
die Triangulierung oder der goldene Schnitt?

Lycealprofessor Dr. Fr. X. Pfeifer in Dillingen.

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