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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 9
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Keppler, Paul Wilhelm von: Der romanische Kirchenbau, [2]
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Detzel, Heinrich: Die Wandmalereien zu Zell bei Oberstaufen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0087

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76

gangs trägt? Warum duldet uud ver-
werihet man die Frühgothik? Weil man
eben in ihr etwas findet, !vas die Hochgothik
trotz ihrer höheren Vollendung nicht mehr
hat uud nicht überholt hat, was ihr auch
neben der Hochgothik einen selbständigen,
bleibenden Werth gibt. Wie nun, wenn
es mit dem romanischen Stil sich ähnlich
verhielte?

Derselbe verehrte Gegner und exclusive
Gothiker, welcher es gerade so komisch
findet, wenn man heute noch romanisch
bauen wollte, wie wenn man am Ende
deS 19. Jahrhunderts noch Wattsche
Dampfmaschinen konstruiren wollte, läßt
in einein anderen Brief sich anders —
wirklich wesentlich anders vernehmen.
„Sie werden mir", heißt cs Zeitschrift IV,
284 s., „vielleicht entgegenhalten, daß ich
den Bauten des romanischen Stils ja selbst
eine Schönheit zugesprochen habe, welche
die spätgothischen Pfarrkirchen nicht haben.
Das ist richtig, steht aber mit dem
eben (über die Alleinberechtigung der
Gothik) Gesagten gar nicht im Wider-
spruch. Der Glanz des Goldes ist schön
und das Farbenspiel ine sounenbcstrahlteu
Thantropfen ist ebenfalls schön; schön ist
das Lichtspiel der Meeresflnth im Mon-
denschein und schön ist die wilde dunkle
Bergschlucht; aber all diese Schönheit ist
beschränkt. Voir der unendlichen ewigen
Schönheit fällt ein Strahl ans die irdi-
schen Gebilde, aus das eine mehr, ans das
andere weniger, ans das eine so, auf das
andere anders. Der romanische wie der
gothische Stil habet! beide ihre eigenen
Schönheiten, alle Schönheiten vereint
besitzt keiner, wir müssen nur fragen,
welcher von beiden höhere Schönheit
besitze."

Hier sind ja werthvolle Zugeständnisse
gemacht. Also eine absolute Vollkommen-
heit will der Gothik nicht zugesprochen
werden; es wird anerkannt, daß der ro-
tuanische Stil ihren Vorzügen doch nicht
bloß Mängel gegenüberznstellen habe, ja
daß auch ihm Schönheit und Schönheiten
eigen seien. Wie man aber durch die
obige Betrachtung sich in seiner exclusiven
Haltung bestärkt fühlen kann, ist mir doch
ganz räthselhaft. Anö den obigen Sätzen
und schönen Vergleichen ergibt sich doch
ein ganz anderer Schluß. Wenn auch

die Schönheit der Gothik nur eine rela-
tive ist, so darf man sie nicht lediglich
wegen ihres Plus an Schönheit zur abso-
luten Herrscherin erheben wollen, und man
darf nicht a limine den Gedanken als
lächerlich und unlogisch abweisen, für unser
heutiges kirchliches Banen sich sowohl die
Schönheiten des golhischen wie die des
romanischen Stils nutzbar zu machen.

(Fortsetzung folgt.)

Die Wandmalereien zu Dell bei
Gberstaufen.

Von Pfarrer Detzel in St. Christina.

(Fortsetzung.)

9. Die V e r m ä h l n n g d e r h e i l i g e n
Jungfrau mit dem hl. Joseph zeigt die
gewöhnliche Komposition und die Inschrift:
desponsatio tua gaudium anuntiavit
mundo. Der Hohepriester steht am Fuße
des Altares und Maria uud Joseph kuieen
vor ihm; Joseph ist im Begriffe, der hei-
ligen Jungfrau den Ring an den Finger
zu stecken. Die Figur der hl. Jungfrau
ist neu, da auch hier in die nördliche
Chorwand zwei schmale Fenster eingesetzt
wurden, während ursprünglich nur die
südliche Chorwmud von Fenstern durch-
brochen war. Auch die nächste Darstelluug,

10. M a r i ä V e r k ü n d i g n n g, ist
durch das später geöffnete Fenster halb
zerstört worden und nur das Bilb der
hl Jungfrau ist noch stehen geblieben;
sie sitzt vor einem Betpulte und ist ver-
wundert oder fast mehr erschrocken, indem
sie die Hände ausbreitend sich gegen die
Erscheinung des Engels wendet. Oben
steht: virgo circumdabit puerum.

11. „M a r i ä Hei m s u ch u n g" ist
eines der zartesten Bilder des ganzen
CykluS, gut erhalten und voll heiliger
Innigkeit. Wir sehen hier jene einfache
uud feierliche Auffassung der älteren Kunst,
wornach wir die beiden heiligen Frauen
allein ohne jede Begleitung finden. Nichts
mischt sich hier in die Feierlichkeit des
Momentes des Zusammeutrefsens, in wel-
chem Elisabeth die heilige Jungfrau als die
Mutter ihres Herrn anerkennt und wo
Maria in prophetischem Geiste die Worte
ausruft, welche als Inschrift gewählt sind:
Beatam me dicent omnes generationes.
 
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