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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 9
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Detzel, Heinrich: Die Wandmalereien zu Zell bei Oberstaufen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0088
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12. Die Geburt C h v isti, mit welch
gut erhaltener Darstellung die dritte Reihe
unseres Cyklus beginnt, zeigt die heilige
Jungfrau in blauem Gewände, allein ohne
den hl. Joseph, vor dem Kinde knieend,
das in der Krippe ans einem weißen Tnebe
liegt. Drei Engel singen das ,,gloria in
excelsis“, das sie mit Noten versehen ge-
meinsam auf einem Sprnchbande tragen.
Int Hintergründe erblickt man die Er-
scheinung des Engels bei den Hirten. Als
Inschrift lesen wir: orietur stella ex
jacob.

13. D i e B e s ch n e i d n n g C h r i st i
ist insofern eigenthümlich dargestellt, als
die heilige Jungfrau, deren Gestalt hier
allein erhalten war, im Innern eines
Gebäudes sich befindet, während die Hand-
lung selbst außerhalb desselben sich voll-
zieht. Die Vornahme der Beschneidnng,
bei welcher der hl. Joseph das Kind hält,
ist nach einzelnen wenigen noch vorhandenen
Resten ganz im Charakter der übrigen
Darstellungen ergänzt. Oben steht: vo-
catum est nomen ejus jesus.

14. D i e heiligen drei Könige
vor dem C h r i st n S k i n d. Durch Ein-
setzen des Fensters ist auch dieses Bild
zur Hälfte zerstört worden unb mußten
die drei Könige vollständig ergänzt werden,
während dagegen das Bild der heiligen
Jungfrau vorzüglich erhalten blieb und die
ganze Zartheit der mittelalterlichen Anf-
fasfnng bekundet. Die Inschrift lautet:
Videmus stellam in Oriente.

15. D i e Flucht n a ch A e g y p t e n,
die gewöhnliche, einfache Komposition war
ziemlich zerstört und zeigen die fast mo-
dernen, runden Köpfchen der Madonna
und besonders des Kindes hier ziemlich
deutlich die neue Darstellung. Oben die
Inschrift: fugerunt in aegyptum.

16. D e r B c t h l e h e in i t i s ch e Kin-
dermord zeigt ebenfalls die im Mittel-
alter herkömmliche Darstellung: der König
Herodes (neu ergänzt) sitzt auf einem
Throne, während zwei Soldaten die Kinder
mit gewaltigen Schwertern durchstechen
und eine Mutter verzweiflnngövoll ihr
Kind einem der Soldaten zu entreißen
sucht. Das Blutige und Grausame der
Handlung ist also hier schon ziemlich stark
betont.

Diese letzte Darstellung, der Bethle-

hemitische Kindermord, schließt unfern
Cvklns ab, bildet aber zugleich den Ucber-
gang zu einer andern Bilderreihe, die an-
scheinend mit unserem Marienleben in gar
keiner Beziehung steht. Doch gehören
beide Cyklen, das Marienleben und das
Martyrilim der ersten Glanbensboten zu-
sammen: beide wollen Zengniß ablegen
für Christus, den verheißenen Erlöser,
der eine, indem er seine wunderbare Ge-
burt ans Maria, der heiligen Jungfrau,
erzählt, der andere, indem er zeigt, daß
schon die ersten Anhänger des Erlösers,
vor allen die heiligen Apostel, denMartyrer-
tod für den Glauben an Christus ge-
storben sind.

II. Der zweite Gemäldecyklus an der
südlichen Chorwand enthält die Apostel-
martyrien, da§ Martyrium des hl. Stepha-
nus und des hl. Albanns und eine weitere
Darstellung ans dem Patronat des hei-
ligen Stephanus, zusammen 15 Bilder.
Auch hier sehen wir die einzelnen Kompo-
sitionen in drei Reihen unter einander,
aber je von rechts nach links, angefangen
von der Mitte des Polygonen Chorabschlnsses,
sich hinziehen. Jkonographisch betrachtet
ist dieser zweite Cyklus noch interessanter
als der erste: das Marlyritim der zwölf
Apostel ist ans dieser Zeit und in dieser
Gegend jedetifalls höchst selten, vielleicht
ein Unikum. Wohl ist die Darstellung
der zwölf Apostel schon bei den alten
Christen sehr beliebt und sie hatten die-
selben namentlich in ihrer Gesamtzahl,
als „Kollegium", oft znm Gegenstand ihrer
Schöpfung gemacht. Allein es geschah
dies Anfangs meistens in symbolischer
Weife, wie ja überhaupt der Charakter
dieser Knnstperiode ein vorherrschend sym-
bolischer ist. Auch nachdem im 4. Jahr-
hundert der Uebergang dieser symbolischen
Darstellungen der Apostel zu denen der
Personen geschehen ist, finden wir wohl ihre
Darstellung sowohl in Gesannntheit als auch
in biblischen Svenen, aber nie, daß das
Martyrium oder der Tod eines Apostels
auch nur angedentet wäre. Später, im
Mittelalter, erschienen die Apostel be-
kanntlich auf allen größeren Kirchennten-
silien, als Altären, Kanzeln, Relignien-
schreinen, Grabdenkmälern, dann ans ben
historischen Bildern, wie dem jüngsten
Gerichte, der Sendung des heiligen Geistes
 
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