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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 9
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Brinzinger, Adolf: Der Maler Johann Baptist Enderle: von Donauwörth (geb. 1724 gest. 1798) und seine Fresken im Augustinerkloster zu Oberndorf a. N.
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0094

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83

links die Verkündigung der Geburt Christi au
die Hirten auf deiu Feld. Oben in der Ecke
links, in der jeDgen evangelischen Stadlpfarr-
kirche, steht: B. Enderle inv. et p. d. h. Baptist
Euderle hat es entworfen und gemalt. Seit-
wärts die Flucht nach Aegypten, im Hintergrund
das Architekturbild von Bethlehem. Hirten
wandern zum Stall, ein Mann trägt eine
Laterne, mit einem Knaben und Hund. Die
8 Weisen sind dargestellt zuerst den Stern er-
blickend, daun mit Kamelen und Gefolge zur
Krippe ziehend, in prächtigen orientalischen
Kostümen. An 4 Ecken sind '4 Evangelisten in
Okerfarben. In der jetzigen evangelischen Stadt-
pfarrkirche sind Matthäus mit dent Engel und
Johannes mit dem Adler. Im Magaziuranut
daneben sind die 2 Gegenstücke: Markus mit
dem Löwen, Lukas mit dem Opferstier.

c) Im Betsaal der jetzigen evangelischen
Stadtpfarrkirche ist das künstlerisch beste dritte
Freskogemälde, 1778 zuletzt gemalt, die
Kreuzigung Christi. Mitten stehen 3 Kreuze:
Christus, Cvsmas und Dismas. Christus im
Verscheiden, der rechte Schächer mit verzerrten
Gliedern, dem linken zerschlagen die Soldaten
die Gebeine. Unten Maria und Johannes,
links der Hauptmann mit der Wache, rechts
Soldatengrnppeu. Am Fuße des Kreuzes steht
die lateinische Inschrift Joh. 12, 32. An den
Seitenwänden sind 4 alttestamemliche Vorbilder
des Kreuzestodes Christi: 1. Isaaks Opferung,
Genesis 22, 8. Abraham mit Isaak, der das
Holz znm Opfer trägt. 2. Die eherne Schlange
in der Wüste erhöht, Numeri 21, 9. Die zu ihr
aussehaueudeu Gebissenen werden geheilt. 3. Der
aussätzige Hiob mit Satan, Hiob 2, 8. Hiob
von Satan mit dem Aussatz geschlagen. 4. Joseph
von seinen Brüdern als Sklave verkauft, Gene-
sis 37, 28. An der obern Wand vor dem jetzi-
gen Altar der evangelischen Gemeinde sind neuere
Malereien vom Jahre 1816: ein Engel mit der
Bibel und die Schriftstellen Römer 13, 14 unb
Galater 6, 16, ferner das teckisehe Stadlwappen,

2 Basen und eine Inschrift, tvelche sich auf die
Widmung des Betsaals an die evangelische Ge-
meinde unter König Wilhelm I. bezieht. Die
Stuceaturen dieser Deckenbilder, die mit Blumen-
guirlandeu und Früchten spielenden Putii, die
zierlichen Eierstabeinrahmnugen sind von reizen-
der Aumnth, sämmtlieh 1777 von Stuccator
Andreas Heckel aus Miudelheim gefertigt, wel-
cher für seine Arbeiten (laut Archiv Stuttgart)
„1800 Gulden erhielt und ein Douceur von drei
Louisdors". Euderle erhielt 800 Gulden unb

3 Louisdors Douceur, nebst Kost und Wohnung
im Kloster. Er malte auch 3 chronologische
Schilde nach Angabe des Prior Sauer, tvelche
die Jahreszahl 1777 ergeben, das Bvllendungs-
jahr der Kirche. Für die im Jahr 1779 zuletzt
geuialten 51 Ordensheiligen im Kreuzgang uird die
Sakristeimalerei, tvo n ch Joachim und Anna
und eine Darstellung Jesu im Tempel teilweise
erkennbar sind, erhielt Euderle 140 Gulden.
1806 iiu^August ereilte die Kirche ihr trauriges
Schicksal. Sie wurde säkularisirt und später
größteutheils zu einem Magaziit für die
1812 im Augustinerkloster errichtete königliche

Gelvehrfabrik bestimmt; in der halbeit Höhe ein
Boden eingezogen und ein Theil 511111 Betsaal
der damals neu sich bildenden evangelischen Ge-
meinde eingerichtet. Die Kirche ist jetzt ruinös
1111b verwüstet, die 51 Ordensheiligeu wurden
übertüucht. Nur Enderles 3 große Fresken
zeugen noch von der entschwundenen Pracht.
Ein Künstler soll sie auf 40,000 Bl. geschätzt
haben. Der Stil dieser Angustinerkirche zeigt
das Rokoko Ludwigs XV. Das malerische
Prinzip herrscht über das architektonische. Die
Dekoration, das Ornament herrschen, nicht mehr
Säulen und Bögen lvie im Barockstil, vielmehr
Pilaster, Rahmen und Füllungen. In anmulhi-
gem zierlicheut Linienspiel hat Enderle diesem
Stil entsprechend seine Deckengemälde kompouiit.
Es sind lebhaft bewegte Figuren, aber doch
ernste heilige Bilder, graziöse elegante Gestalten,
die Zeichnung beachtenswerth, die Farbe heute
noch nach 100 Jahren licht und rosig, die Technik
flott, zitweilen virtuos, in Effekten greller Be-
leuchtung, in perspektivischen Kunststücken und
Verkürzungen gewandt. Einstens von unten
betrachtet in der einschiffigen breiten Halle der
Klosterkirche tvaren diese Deckengemälde sicherlich
von noch größerer Wirkung als jetzt, >vo ein
Boden in der Hälfte der Kirche eingezogen ist.
Andreas Heckel hat btefelbcn mit reizenden
Stuceaturen umrahmt. Das Andenken des vor-
trefflichen Meisters Johann Baptist Enderle
wieder aufzufrischen tvar der Ziveck dieser unserer
bescheidenen Arbeit.

Literatur.

EinVer in ä ch tniß v 0 n A n s e l m F e u e r-
bach. Vierte Auflage. Mit neu bearbei-
tetem Verzeichnis; seiner Werke und einer
Photogravüre nach einem Selbstbildnis;.
Wien, Karl Gerold 1897. 218 S. Preis:
5 Mk.

Man kann dies Buch zur Lektüre empfehlen.
Es ist der ergreifendste Künstlerromau, den man
sich denken kann, und er hat vor andern das
voraus, daß jedes Wort Wahrheit athmet.
Ein moderner Maler, eine der achtbarsten unb
adeligsten Erscheinungen in der Künstlerwell,
erzählt hier seine eigene Lebensgeschichte, in
ausgezeichneten Bekenntnissen, in tvelcheit eine
durchaus originelle Individualität ihre Tiefeit
erschließt, und in (vom Herausgeber bei-
gefügten) Briefen an die Mutter, der er Rechen-
schaft gibt von den innersten Regungen seines
Herzens und an deren Brust er seilt bitteres
Weh ausweiut. Welch eine Lebensgeschichte!
Eine ununterbrochene Kette £11 sehlgeschlagenen
Hoffnungen, zertrümmerten Lebeusplänen, herb-
sten Enttäuschungen, unverdienten Zurücksetzungen
und quälenden Existenzsorgcn; ein stetes Fluten
und Ebben von hvchgeschwelltcn Er Wartungen
und tiefster Niedergeschlagenheit, von frendigeut
Optimismus und schmerzlicher Resignation,
von felsenfestem Vertrauen auf sich selbst und
auf die Zltkunft und verzweifelnder Mtithlosig-
keit, — ein Ebben und Fluthen, das erst mit
dem letzten Schlag seines Herzens endet, da er,
 
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