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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 11
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Probst, Joseph: Vergleichende Studien über den Johannescyklus des Hochaltars in Blaubeuren
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0112

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100

die Zeit drängte, auch nach ganz unter-
geordnete Kräfte für nothdürftige Aus-
führung von Nebensachen herbeigezogen wur-
den. Jedenfalls steht fest, daß solche starke
Abweichungen sich nicht weiter vcrsÄgen
lassen; sie sind isolirt und beschränken
sich ans die angeführten Nummern. Doch
geht soviel daraus hervor, daß die Ge-
mälde sichtlich p a a r w eise (je zwei
Nummern zusammen) angesertigt wurden.
Diesen nicht unwichtigen Umstand haben
die kunstverständigen Anktoritäten that-
sächlich dadurch anerkannt, daß dieselben
die Gemälde paarweise citiren.

Bischer, um ein Beispiel anznführcn,
citirt zusammen die Nummer 9 und 10,
ferner: 1 unb 2 und wncder zusammen
7 und 8. Im Latise der speziellen Unter-
suchungen werden wir noch daraus hin-
zmveisen haben, daß die paarweise Ver-
thcilnng überhaupt Regel war int ganzen
Cyklns. Die weitere und wesentliche
Ausgabe tvird aber nun diese sein müssen,
daß ans Grundlage einläßlicher Ver-
gleichungen die in dem Cyklns wirklich
vorhandenen, deutlich unterscheidbaren
Gruppen bezeichnet und für das Ver-
ständniß des Lesers und des Besitzers des
genannten Werkes b e g r ü n d e t werden.

Wenn hiemit die Notwendigkeit einer
möglichst concreten Begründung ausge-
sprochen wird, so will damit keineswegs,
auch nicht indirekt, der Vorwurf ausge-
sprochen werden, als ob die Urtheile der
Kunsthistoriker grundlos wären. Diese,
unter denen sich ja gewiß recht viele durch
Kenntnisse und Blick ausgezeichnete Män-
ner befinden, gewannen lebhafte Eindrücke,
an welche sich naturgemäßJdeenassocialionen
anknüpsten, so daß sie mit mehr oder
weniger Bestimmtheit ein Urtheil fällen
konnten, das in ihrer Auffassung begrün-
det ist; aber wer von den Lesern vermag
diese Jdeenassociationen jit crrathen oder
denselben zu folgen? Das Unbefriedigende
liegt in der Natur der Sache selbst, in
der ganz beschränkten Möglichkeit für den
Leser, dem Gedankengang des Kunsthi-
storikers zu folgen.

Diesem bei dem früheren Zustand der
Kunstgeschichte fast unvermeidlichen Uebel-
stand kann nur durch die Verbreitung von
wirklich getreuen Reproduktionen abgeholsen
trerben, die auch dem lernbegierigen Leser

erreichbar sind. Darin liegt die hohe
Bedeutung und zugleich Empfehlung für
die schon bestehenden und, wie zu hoffen,
künftig noch erscheinenden Werke kleineren
oder größeren Umsangs.

Der Stau:Punkt, dem der Verfasser bei
der Verglcicknng der vorliegenden Repro-
dnklionen wie auch der Originalgemälde
eingenommen hat, läßt sich so präzisieren.
Der Schlüssel, ob eine oder mehrere
i Hände sich bethciligt haben, muß in der
j D a r st e l l n n g des hl. I o h a n n c S des
TänfcrS liegen. Diese Figur kehrt in dem
CyklnS oft wieder. Wenn der Typus
desselben immer der gleiche wäre, so
würde die Vermnthnng für die Einheit-
lichkeit der Arbeit, nicht bloß in dem
Plan der ganzen Serie, sondern auch in
der AnSsührnng der einzelnen Theilge-
mälde sprechen; wenn aber der Typus
dieser Figur selbst greifbare Unterschiede
darbietet, so spricht die Vermnthnng zum
Voraus für eine Mehrheit der ansführen-
den Persönlichkeiten. Es erwächst dann
die Aufgabe, diese Unterschiede concret zu
fixieren und dieselben auch bei den anderen
mitvorkonnnenden Figuren sowie in der
Composition und im Nebenwerk weiter zu
verfolgen.

Eine Darstellung der wirklichen Gestalt
deö Täufers erfolgt ans dem Gemälde-
Paar 5 und 6. Bei dem letzteren (Joh-
hannes predigt in der Wüste) ist ans den
ersten Blick ausfällig die muskulöse Be-
schaffenheit der Extremitäten, besonders
auch der Hände desselben. Die mittel-
alterliche Kunst neigt gewöhnlich mehr
zur Magerkeit hin und besonders bei dem
! ascetischen Wüstensohne ist dieselbe Regel.
Bei 5 (Johannes zieht in die Wüste)
kommt diese Eigenschaft weniger znm Aus-
druck, was bei dem kindlichen Alter nicht
befremden kann; aber einige Einzelheiten
beweisen, daß beide Darstellungen von
der gleichen Hand herrühren: das Ge-
wand, das bei beiden ganz gleich behan-
delt ist, was bei späteren Darstellungen
in solcher Weise nicht mehr vorkommt.
Sodann ist bei beiden Figuren eine ganz
seine gegabelte Stirn locke von dem üb-
rigen Haarwnchse-abgetrennt. Ferner ist
zu bemerken, daß auch die übrigen Figuren
robuste Leute sind, wie sich ans der Bildung
der Köpfe und Hände crgiebt. Orien-
 
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