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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 15.1897

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Nr. 12
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Keppler, Paul Wilhelm von: Der romanische Kirchenbau, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15902#0119

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107

erwerben, mit es zu besitzen, alles zu prüfen
und das Gute sestznhalten (1 Thess. 5, 21)
— der Apostel sagt nicht: das Beste, wie
gewöhnlich citirt wird, sondern: das Gute.

„Aber man kann nicht zwei Stile zu-
gleich beherrschen." Heißt das: ein Archi-
tekt soll Einen Stil gründlich lernen und
praktisch üben, nicht zwei neben einander,
so ist das eine ganz vernünftige Weisung,
welche auch wir geben würden, und von
welcher abzngehen inan nur einem genial
angelegten Architekten erlauben dürfte. Will
aber damit ei» Zweifel ausgesprochen werden,
ob wir überhaupt heutzutage noch für einen
zweiten, den romanischen Stil, das erfor-
derliche Maß ven Zeit, Studium uiib Ar-
beitskräften ansbringen kennen, so scheint
dieser Zweifel doch unbegründet. Unsere
Kenntniß der alten Stile hat doch gegni
früher durch rastloses Fortarbeiten eine weit
solidere Basis gewonnen; der Unterricht der
technischen Hochschulen und Baugewerk-
schnlen hat sich sehr vervollkommnet; die
allen Denkmale sind durch Abbildungen
aller Art uns nahe gebracht; die Hilfs-
mittel des theoretischen und praktischen Kunst-
stndiums haben sich enorm vermehrt; die
Zahl der kirchlichen Baumeister gleichfalls.
Es ist nicht abznseben, warum wir uns
in den romanischen Stil nicht eben so g>>t
sollten einlernen können, wie nur allmählich
den gothischen uns wieder zu eigen gemacht
haben. Es ist gar nichts nölhig, als daß
man den romanischen Stil endlich frei gebe
und Acht und Bann von ihm nehme.

Wir können ja doch schon aus dem
Grunde uns dem Studium des romanischen
Stils und der praktischen Einlernnng in
denselben nicht entziehen, weil die roma-
nische Periode uns eine stattliche Reihe von
Denkmälern hinterlassen hat, deren Pslege
tvir zu übernehmen, deren Restanrirnng wir
zu besorgen haben. Und so tveit sind tvir
ja doch wenigstens, daß niemand mehr ver-
längert darf, man solle romanische Kirchen
golhisch ausstattcn und restauriren.

Wir vermögen in der That in der gleich-
zeitigen Pflege des gothischen und roma-
nischcn Baustils nicht mir keine Gefahr
und kein Unheil zu erblicken, sondern ledig-
lich einen großen Bortbeil. Wir würden die-
selbe begrüßen, weil eine gewisse Konkurrenz
auch hier gilt wirken wird, tveil die aus-
schließliche Nachbildung Eines Stils viel

! leichter in geistloses, schematisches Nepro-
j dnziren ans artet. Wir begrüßen sie im
Interesse der Abwechslung, dem wir eitle
Berechtigung durchaus zuerkennen, um so
mehr, da die Aehnlichkeit der Verhältnisse
und Bedürfnisse und die fast überall ge-
bieterisch anftretende Nothwendigkeit, git
sparen, für unser» hentigeil Kirchenbau die
vom gothischen Stil dargebotene Möglich-
keit zu variiren eben wieder sehr stark
eineitgt.

Somit plaidiren wir, das ist unserer
langen Rede kurzer Sinn, für Frei-
g e b n n g des r o m a n i s ch e n K i r ch e n -
b a n e s n n d A it f h e b n n g de s M o n o -
p o l s f ü r d e n g o t h i s ch e n , d a ö w e d e r
a n S st i l i st i s ch e n, n o ch ans ä st h e -
t i s ch e n, n o ch a u s p r a k t i s ch e n G r ü u -
den zu rechtfertigen ist. Wir ver-
sprechen uns von dieser Bankonzession auch
für den romanischen Stil eine heilsame Be-
frnchtnng und Auffrischung unseres heutigen
Kirchenbanwesens und ein breiteres uiib so-
lideres Fundament für „den großen, hehren
Bau der Zukunft", als es die eigensinnige
Beschränkung auf die Domäne der Gothik
zu bieten vermag.

Wir haben Gelegenheit, von den Plänen
des katholischen Architekten Christoph Hehl
für eine protestantische GarnisonSkirche in
Hannover Einsicht zu nehmen?) Das ist
ein romanischer Bari, auf den mail sich be-
rnsen kann, als ans einen großartigeti,
praktischen Beweis dafür, daß die romanische
Architektur auch heute noch lebensfähig ist.
In der Diözese Nottenlnirg, bereit kirch-
liches Bauivesen, Dank vor allein der er-
leuchteten Einsicht ihres Bischofs, im Ganzeil
eiii ivohlgeregeltcs ist, war der romanische
Stil nie geächtet itiid er hat manchen treff-
lichen Neubau erstellt, >vie beispielsweise
die Kirchen voir Lauterbach, Hohenberg,
Urach, Blanbeuren. An ben letzteren beiden
Orten gab man dem romanischen Stil den
Vorzug, iveil die protestantischen Kirchen
derselben tüchtige altgothische Bauten siild,
mit welchen in eine zll Vergleichungen her-
anssordernde Koitkurrenz zu 1 vcten die dispo-
niblen Mittel dtlrchaus widerriethen. Ich

^) Leider hat den genialen Meister bei Aus-
fiihrnng des Baues durch Einsturz der Thurme
ein furchtbares Mißgeschick betroffen. Mächte
ditrch dasselbe seine Schaffensfreudigkeit nicht
gelähmt iverdeu'
 
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