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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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Nr. 4
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Rueß, Bernhard: Das neue Kloster von Schussenried, [1]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0039

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31

Klosterbauten. Der Plan zu seiner Erstellung
wurde gefaßt unter dein baulustigen Schöpfer von
Pfarrhöfen, Kirchen und sonstigen tüchtigen Bau-
werken, unter dem Abt Sinrd Fr ick (1733
bis 1750). Gegen Ende der Regierung dieses
Klostervorstandes war die eigentliche Mönchs-
wohnung reparaturbedürftig geworden. Der Prä-
lat hat deshalb am 20. März 1748*) den ihm
unterstellten Ordensmännern einen Riß des zu
renovirenden Konventsbaues vorgelegt und sie
darüber abstimmen lassen, ob man nach diesem
Bauriß ein Modell fertigen solle. Die Mönche
waren mit dem Vorschlag einverstanden und nach
Ostern wurde das Modell vorgezeigt. Inzwischen
war jedoch der Gedanke der Ausbesserung blos
des alten Konventbaues in den Hintergrund ge-
treten und die Lust zu einem vollständigen Uloster-
neubau erwacht. Abt Siard zog nun mit seinen
Mönchen verschiedene Projekte in Erwägung, es
wurden Pläne und Modelle vorgelegt. Besondere
Beachtung fanden zwei, beziehungsweise drei Vor-
schläge. Dieselben sind verkörpert in dem Holz-
modell, welches noch int Bibliotheksaal aufgestellt
ist, und in einer Zeichnung, welche jetzt in unserem
Besitz befindlich, bis zu seinem Tode dem Glafer-
meister Sebastian Kiene gehört hatte und anno
1806 von R. Amann aus Luzern als Kopie ge-
fertigt worden ist. Ein anderer ihr verwandter,
etwas erweiterter Plan des Klosters hängt im
Rathhaussaal zu Schnssenried.

Das Modell zeigt das neue Kloster als ein
gewaltiges Viereck. In den Klosterhof sollte eine
neue, mit zwei Thürmen versehene Stiftskirche
ztt stehen kommen, und zwar etwas nördlich von
der gegenwärtigen. Der Haupteingang des Gottes-
hauses wäre mitten in der äußeren Front des
westlichen Klosterslügels angebracht worden. Dieses
Holzmodell statnmt vom Erbauer der Steinhäuser
Wallfahrtskirche, vom Architekten und Stueeator
Dominikus Zimmermann, welcher auch Bürger-
meister zu Landsberg in Bayern war?) — Die
Zeichnung und der Plan sodann, welche beide wir
oben erwähnten, sind einander ziemlich ähnlich.
Beide Entwürfe stellen nicht bloß die eigentlichen
Klosterräume nebst der Kirche dar, sondern sie
beziehen auch die Wirtschaftsgebäude, Werkstätten
und Dienerwohnungen in die Gruppe der pro-
jektirten Neubauten ein. Sie präsentiren einen
geradezu riesigen Bautenkomplex. Wenn man
alle diese von der Hauptstraße „Bahnhof-Schussen-
ried—Roppertsweiler" bis zur Straße „Oelberg—
Turnplatz" in Aussicht genommenen Neubauten als
erstellt annimmt, dann begreift man, wie vor
mehr denn 100 Jahren ein St. Gallener Tourist* 2 3)
schreiben konnte: „Wenn dieses Stift (nemlich
Schufsenried) einst dem schönen Plane nach, den
man uns vorzeigt, ansgeführt wird, so muß es
eines der h e r r l i ch st e n in Deutschland abgeben."
— Nachdem Risse und Modelle besichtigt und
beurtheilt waren, haben sich anno 1740 die Bau-

ch Diarium des P. Nothelfer. Seite 162.
Der Kürze wegen citiren wir diese Quelle iit Zu-
kunft mit den Buchstaben D. N.

2) D. N. 347.

3) Süddeutsche Klöster vor 100 Jahren. Reise-
tagbuch v. P. Nepomuk Hauntinger. Seite 17.

Projekte zu einem förmlichen Beschluß verdichtet.
Der 0. April 1740 ist nemlich der bedeutungs-
volle Tag, an dem in der Kapitelsitznng der Vor-
schlag, ein neues Kloster zu bauen, gemacht und
einstimmig gebilligt worden ist.) Mit den Vor-
arbeiten wurde sofort der Baumeister Jakob Emele
von Roppertsweiler betraut. Roch am gleichen
Tag hat er das in Aussicht genommene Bauwerk
ansgesteckt?) Weil aber den Norbertinern das
Unternehmen eines Klosterneubaues mit Recht als
schwierig vorkam, so wollten sie vor allein sich des
göttlichen Beistandes versichern. Den Segen des
Himmels glaubten sie am besten auf ihr Vor-
haben herabzuziehen durch die Erstellung eines
Gotteshauses unmittelbar vor dem Ban einer
neuen M ö n ch swohnung. So kam es, daß sie
noch vor Inangriffnahme des Klosterneubaues die
Kirche in Muttensweiler (im jetzigen Oberamt
Biberacht von Grund auf neu aufführen ließen.
Dieser Muttensweiler Kirchenbau wurde dem
Meister Emele übertragen und damit anno 1750
begonnen. Den 23. Juni dieses Jahres fand die
Grundsteinlegung statt und gegen Ende Juli des
folgenden Jahres konnte bereits die Benediktion
des Heiligtums vollzogen werden. Sowohl durch
die Fertigung des Planes und Risses zu diesem
Kirchengebäude als namentlich durch die gewandte
Förderung des Baues hatte Emele das Vertrauen
der Chorherren in so hohem Grade gewonnen,
daß er beit 28. (nicht 20.) August 1750 mit
Stimmenmehrheit zum B a u m e i st e r auch des
neue n K l o st e r s angenommen worden ist?)

Inzwischen, nemlich den 8. Februar 1750, war
derjenige Prälat, unter welchem der Plan des
Neubaues zur Reife gekommen war, gestorben.
Es ist somit dein ungemein baufreudigen Abt
Siard Frick nicht vergönnt gewesen, den seiner
Anregung entsprungenen und mit feinem Wappen
geschmückten Bauwerken auch noch ein neues
Ordenshaus von ungewöhnlicher Ausdehnung und
hoher Schönheit beizufügen. Vielmehr gieng die
Ausführung des Bauplanes in die Hände feines
Nachfolgers, des Abtes Nt a g n u s KI e b e r (1750
bis 1756), über.

Literatur.

Praktisches Handbuch der kirchlichen
Baukunst einschließlich der M a l e r e i und
Plastik. Zum Gebrauche des Klerus und
der Bautechniker bearbeitet von Georg
Heckuer, Pfarrer in Neustift und ehe-
maliger Baumeister. -Mit 186 in den Text
gedruckten Abbildungen. Dritte, gänzlich
umgearbeitete und vielfach ergänzte Auf-
lage. Frei sing 1897. Herlagsanstalt
und Druckerei I4r. Franz Paul Datterer.
Preis M. 4.

Der Verlag des vorliegenden Werkes, dessen
erste und zweite Auflage in der Herder'schen

1) D. N. Seite 166.

2) Annotationes P. Jnnocentii Müller. Seite
272.

ch D. N. Seite 170.
 
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