Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

DOI Heft:
Nr. 5
DOI Artikel:
Rueß, Bernhard: Das neue Kloster von Schussenried, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0049

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
41

fertigen Seite des Westfkügels, welche der jetzigen
Kirche zugekehrt ist. Zuerst (südlich) kam ein
kleiner Vorkeller, dann der sog. lange Keller
(jetzt zur Kartoffelaufbewahrung benützt) und nach-
her der neue Keller (jetzt dem Direktor und
Oekonomieverwalter zugewiesen). Im Nordflügel
folgten nach einander auf der Westseite der
Küchenkeller mit einem Brunnen und eichenem
Brunnentrog ljetzt Küchenmagazin, Vesperraum,
Weinkeller, Waschabgabe, Beamtenwaschküche),
sodann der Bibliothekkeller (jetzt Küche und
Waschküche), hieran stieß ein kleinerer Keller,
welcher nach der Klosteraufhebung eine Zeit lang
als gräflicher B i e rkeller Verwendung fand (jetzt
Bügelstube), endlich der Prioratskeller (jetzt
Aufbewahrungsort für Gemüse). Im Oftflügel
befand sich der Konventskeller (jetzt zur Lage-
rung des Mostes gebraucht) nebst anderen Keller-
gelassen mit verschiedenen Namen (jetzt Wohn-
und Schlafräume für weibliches, zu wirtschaft-
lichen Arbeiten im Haus verwendetes Dienst-
personal).

Wie heutzutage, so bildete auch früher die Thüre
auf der Langseite des Westflügels den Hauptein-
gang des Gebäudes. Die Hausflur war zur
Klosterzeit viel geräumiger und großartiger als
gegemvärtig. Im westlichen Flügel (Hofgebäude)
waren keine hervorragend große Gelasse, sondern
fast lauter Fremdenzimmer von allerdings un-
gleichen Dimensionen. Nur ein den Gästen ge-
meinsamer Raum, nämlich das zu ebener Erde
befindliche „große Wasch zimmer" (jetzt Ein-
psangs-, Kassenzimmer ttitb Verwaltungsbureau)
war von bemerkenswerther Ausdehnung. — Im
Nordflügel und zwar näherhin im ersten Stock
des Pavillons lag das „kleine Tafelzimmer"
(jetzt Direktionsbureau). Daselbst stand anno
1809 eilte schöne lange Tafel mit Intarsien, die
Wände waren mit neuen Portraits geschmückt.
Ostwärts vom kleiiten Tafelzimmer waren noch
zwei Nebengelasse, iit welchen Gläserkasten und
Büffets standen und Eß- uitd Trinkgeschirre aller
Art, wenigstens während der gräflichen Herr-
schaftsdatier, zu sehen waren (Teller, Platten,
Mstkorbchen, Zuckerschalen, Kaititett, Salz- und
Senfgefässe, Schüsseln, Caraffen, Bier- und Wein-
glüser, Pokale, Kasserolen re.). Dattebeit lag die
Konventsküche (jetzt Abort, Garderobe, Ab-
theilungsküche, Jsolierraum der Männerabthei-
lung C). Auch eilt Triller (Aufzug) war vor-
handen, um die Speisen bequem in das zweite
Stockwerck befördern zu können. An die
Küche stieß das int Mittel-(Bibliothek-)Bau
liegende Refektorium (jetzt Männerabtheilung
C, Schlafsäle, Wärterzimmer) an. Während die
Grafen Sternberg im Besitz des Hauses waren,
wurde das Refektorium zu Schauspielaufführungen
verwendet und hieß Theater. Noch weiter gegen
Sonnenaufgang hin barg das Erdgeschoß des
Nordflügels die Wohnung des Pförtners.

Die Beletage des Westpavillons und des an-
grenzenden Langbaues führte den Namen der
u nt e r e it Abtei (bildet jetzt die Männerabtheilung
15). In ihr befanden sich u. a. außer einem schönen
Kruziffx zehn Päpstebilder. Auf gleicher Höhe
und zwar im Zentral-(Bibliothek-)Bau lag das
„große Tafelzimmer" (jetzt zu drei Schlaf-
sälen für männliche Kranke der B-Abteilung ein-

gerichtet) mit vortrefflichen, auf Speisen und
Früchte sich beziehenden, leider nicht mehr voll-
ständig erhaltenen Stueeaturen. Unter gräflicher
Herrschaft scheint das große Tafelzimmer in einen
Bildersaal verwandelt gewesen zu sein. Denn es
hingen daselbst 04 zum Theil sehr gute Gemälde.')

Das dritte Stockwerk des ersten (westlichen)
Pavillons sammt dent anstoßenden Zwischenbatt
hieß die obere Abtei (jetzt HerrenabHeilung A).
In ihr hieng ein werthvoller, großer Spiegel, so-
dann mehr als zehn Oelgemälde; namentlich aber
verdienen Erwähnung zwei große türkische Tische
mit Perlmutter-, Schildkrot- und Steineinlagen
nebst anderen Möbeln, mit den gleichen kostbaren
Intarsien. Von den beiden Tischen wurde jeder
zu 000 Gulden tarirt. Sie waren das Geschenk
eines Schussenrieders, welcher eine der ersten
Bedienstetenstellen am kaiserlichen Hofe erlangt
hattet) Auch die übrigen Zimmer der oberen
Abtei waren namentlich mit Malereien reich ge-
ziert. An die obere Prälatur schloß sich ostwärts
die Bibliothek an. Der ganze, von den drei zum
Ausbau gelangten Klosterflügeln umschlossene
Raum wurde der „neue Klosterhof" oder auch
„innerer Hof" benannt; jetzt trägt dieses Terrain
den Namen „Erholungsgarten der Frauenabthei-
lung A."

Daß das nette Kloster zur Zeit des Reichs-
stiftsbeftandes, aber auch noch später reich aus-
gestattet war, läßt sich schon daraus folgern, daß
laut Inventar vom Mai 1809 über 300 Gemälde
und Porträte die Zimmer und Gänge des Hauses
geschmückt haben. Von Wandmalereien sind, ab-
gesehen von der allgemein bewunderten und ge-
rühmten Bibliotheksaalverzierung noch vorhanden
das Deckenbild des ersten Stiegenhauses, welches
die Approbation der Prämonstratenser-
ordensstiftung von Seiten des Papstes Ho-
noritt-Z kl. darstellt (Inschrift: Franz Georg Herr-
mann pinxit 1754), ferner das Plafondgemälde
des zweiten Treppenhauses, welches die U eber-
gab e des weißen Ordenskleid es an St.
Norbert durch Maria bietet (Inschrift: G. B. Göz
pinxit 1758); sodann an der kleinen Kuppel der
unteren Abtei (Männer L-Abtheilung), Mariä
Verkündigung von I. G. Meßmer, an der
kleinen Kuppel auf dein Gang der oberen Abtei
(Herren A-Abtheilung) Mariä Heimsuchung
von Franz Herrmann; im zweiten Stockwerk des
Konventsbaues (jetzt Frauen -Abtheilnng B), die
Aufopferung Iesu im Tempel und im dritten
Geschoß des gleichen Baues (jetzt Frauenabtheilung
A), das Wiederfind en des 12jährigen
Jesusknab en int Tempel. Diese beiden Kuppel-
bilder find eine Schöpfung des Meisters Hölz aus
Riedlingen, tvelcher auch die vier symbolischen
Embleme in's zweite Stiegenhaus gemalt hat.

3. Die Bezugsquellen des Bau-
m a t er i a l e s.

Während der Erbauung seines neuen Ordens-
hauses war das Reichsstift Schussenried zum Ab-
nehmer für Erzeugnisse aller Art geworden. Pro-
dukte des Waldes, die Ausbeute der Steinbrüche,

') Inventarium V0N 1809 Seite 11.

2) P. Hauntingers Reisetagebuch Seite 19.
 
Annotationen