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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0051

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Durchaus nicht zu ermitteln ist die Frage,
w a n n und w o jue r ft die eigentliche Glas-
malerei d. h. die Glasmalerei mit einbrennbaren
Farben auftrat. Bisher wurde so ziemlich all-
gemein von den meisten Schriftstellern der allbe-
kannte Brief des Abtes Gozbert als das älteste Zeug-
nis; überdas Vorkommen von Glasmalerei angenom-
men und Tegernsee als der Erfindungsort derselben
bezeichnet. Allein schon in der Lebensbeschreibung
des 809 gestorbenen heiligen Ludgerus wird ein
Wunder dieses Heiligen erzählt, in welchem deut-
lich von den im Fenster enthaltenen Bildern die
Rede ist. In der zweiten Hälfte des 9. Jahr-
hunderts tauchen sodann fast gleichzeitig, zuerst
in Deutschland, kurz daraus in Frankreich
Nachrichten von gemalten Fenstern auf. Es ist
nicht unwahrscheinlich, daß damals, ja bereits vor
809, das Malen mit Farben auf den farbigen
Glasmosaiken begonnen hat, vermuthlich zuerst
mit gewöhnlichen Farben; erst nachdem sich die
llnhaltbarkeit dieser Versuche herausstellte, wird
man nach einbrennbaren Schmelzfarben geforscht
haben, wobei die Kunst der Töpfer den Weg wies
(S. 69). Tegernsee ist also nicht, wie viele
Schriftsteller annehmen, der Erfindungsort der
Glasmalerei, denn gerade der als Beweis hierfür
angezogene Brief des Abtes Gozbert widerlegt
diese Behauptung. Dagegen steht nichts im Wege,
die Tegernseeer Fenster für Glasmalereien der
bekannten, von Theophil beschriebenen Technik, zu
halten, denn wir wissen bestimmt, daß unter Abt
Gozbert's Nachfolger, unter Abt Beringer (1003
bis 1012) eine Glashütte in Tegernsee bestand.

Die folgenden Abschnitte behandeln mehr die
Technik der Glasmalerei und ihre Anwendung in
den verschiedenen Epochen dieser Kunst, also das
Glas und die Malfarbe, das Silber- oder Kunst-
gelb der Alten, dann die Farbengebung und die
Patina auf Glasgemälden und zuletzt die innere
Eintheilung und die Ausschmückung der Fenster.

Die zweite Hälfte des Buches beschäftigt sich
mit bcn erhaltenen Denkmälern der Glasmalerei,
zunächst mit solchen in Deutschland, Oesterreich
und der Schweiz. Selten sind diese Denkmäler noch
aus dem 12. und 13. Jahrhundert, schon zahlreich
dagegen aus dem 14. Jahrhundert, da die Gothik
vielmehr als der romanische Stil eine dekorative
Ausfüllung der weiten Lichtöffnungen erforderte.
Der Verfasser hält sich bei Aufzählung der letztern
mehr als bei denen der frühesten Periode an die
örtliche Lage der Standorte. Glasgemälde aus
der Zeit vor 1000 besitzen wir nicht. Die muth-
maßlich ältesten erhaltenen Denkmale Deutsch-
lands stehen in der südlichen Mittelschiffwand des
Domes zu Augsburg, die wohl aus der Mitte
des 11. Jahrhunderts stammen. Etwas jünger,
aber nicht später als aus dem Anfang des
12. Jahrhunderts, find die Fenster in Platt-
ling (Nieder-Bayern) und in Veitsberg,
einem Dorfe bei Weida im Großherzogthum
Sachsen-Weimar. Dem 12. Jahrhundert gehören
u. a. an einige Medaillons im Germanischen Mu-
seum zu N ü r n b e r g, ein Bild in N e u w e i l e r
im Elsaß und dann verschiedene Fenster im Münster
zu Straßburg und besonders schöne Stücke in
St. Kunibert zu Köln. Die ältesten Glas-
gemälde in Württemberg gehören wohl alle

erst dem 14. Jahrhundert an. „Im Schlosse zu
Friedrichs Hafen ist eine stattliche Reihe alter
Denkmäler aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
untergebracht. Pfarrer Detzel hat dieselben liber-
sichtlich beschrieben (Sonderabdruck aus dem
XX. Heft der „Schriften des Vereins für Geschichte
des Bckdensees nnb seiner Umgebung"). Der
gleichen Zeit lind derselben Werkstätte entstamlnen
sieben Apostel, ein Prophet und sieben Darstell-
ungen aus dem Leben Jesu und der heiligen
Jungfrau; die Tafeln befinden sich im obern
Gange des Schlosses, Mir ein Bild ist im Kiosk
Ihrer Majestät der Königin aufgestellt. Detzel
vergleicht die Gemälde mit beit Arbeiten von
Königsfelden. Zwei weitere Scheiben, welche die
hl. drei Könige und den Bethkehemitischcn Kindcr-
mord enthalten (im Kiosk), weist er in das letzte
Viertel des 14. Jahrhunderts, zwei Evangelisten,
Matthäus und Markus (oder Lukas), sowie die
Gesetzgebung auf dem Berge Sinai und Moses
und Aron in die Zeit um 1400."

Alte Glasgemälde aus dieser Zeit finden wir
außerdem noch in unserem Lande: in Heilig-
kreuzthal (OA. Riedlingen), 20 Heiligenbilder
aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, in Oft-
dorf (OA. Balingen), in Bebenhausen,
Reste im Maßwerk des mittleren Chorfensters,
in der Franziskaner- und Dionpfiuskirche in
Eßlingen, Eglosheim, G r o ß g l a t t b a ch ,
K i r ch h ei m (OA. Neresheim), H all, sehr merk-
würdig Glasmalereien aus der Mitte des 14.
Jahrhunderts in einem Chorfenfter, in Kreg-
l i n g e n (OA. Mergentheim) und in S ch ö n t h a l
(OA. Künzelsau). Nach der Aufzählung der er-
haltenen Denkmäler führt der Verfasser auch
Namen deutscher Glasmaler aus der Frühperiode
an. „Es darf uns aber nicht sonderlich wundern,
wenn verhältnißmäßig wenige Namen alter Meister
der Frühzeit auf uns gekommen find. Die Kiinst-
ler des frühen Mittelalters, meistens fromme
Mönche, begnügten sich in ihrer gottessürchtigen
Demuth mit dem erhebenden Bewußtsein, ein
gottseliges Werk vollbracht zu haben." Zuletzt
kommt eine gedrängte Aufzählung der wichtigsten
Werke der Frühperiode in Frankreich, England,
Italien, Spanien und Belgien. Im Schlußwort
weist der Verfasser auf den folgenden Band hin,
der die Eintheilung in die Zeit der Blüthe (1400
bis 1550), des Verfalles (1550—1800) und des
Wiederauflebens (nach 1800) beibehaltcn werde.

Wir brauchen den Verfasser wohl nicht zu ver-
sichern, daß wir der Erscheinung des folgenden
Bandes mit ebenso großem Interesse entgegen-
sehen, als wir den vorliegenden durchgeprüft
haben. Niemand würde wohl auch besser im
Stande gewesen sein, ein solches Werk zu ver-
fassen, als Di-, Oidtmann, dem eine ansehnliche
Anzahl alter Glasmalereien vom Anfänge des 13.
Jahrhunderts bis zum Schlüsse des 14. Jahrhun-
derts in seiner Linnicher Werkstätte zur Ausbesse-
rung anvertraut war, dem dadurch eine sorgfältige
Erforschung der künstlerischen und technischen Ein-
zelnheiten ermöglicht war und dem so das Stu-
dium anderer Denkmäler in den Kirchen wesent-
lich erleichtert war. Wir möchten das Werk, das
erste dieser Art in Deutschland erscheinende, zur
Anschaffung für jede Kapitelsbibliothek unserer
 
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