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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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Nr. 9
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Keppler, Paul Wilhelm von: Raphaels Sposalizio, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0094

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der Predella eines Altarbildes iit S. Maria
Nuova 51t Fano. Auch Raphaels Spo-
salizio wurde von den Franzosen von
seinem, heiligen Besttnunnngsorte weg-
gerissen; 1798 bewog der französische

Kommandant, Graf Giuseppe Lecchi nüt
dem Sabel in der Hand den Magistrat
von Perugia es ihm zu schenken; er ver-
kaufte es 1801 an den Grafen Giachimo
Sannazaro in Mailand; von diesem erbte
es 160-1 das Ospedale maggiore dieser
Stadt und von da kam es 1853 um den
Preis von 52,000 Francs an die Brera.
Es ist auf eine Holztafel gemalt, oben
abgerundet, 1,69 m hoch, 1,14 m breit.
In der Brera wurde es sofort einer gründ-
lichen Restauration unterzogen und glück-
lich von einer schlinunen Uebermalung
befreit, welche ihm am Ende des vorigen
Jahrhunderts angethan worden war. Zwei
allsgezeichnete Stiche, der eure voll Longhi
1812 illld ein neuem' voll Rudolf Steng
(Schüler Kellers, der die Disputa stach)
trugen hauptsächlich seinen Ruhm in die
Ferne; der erstgenalinte ist noch nach beut
übermalten Bild, der zweite nach beut
wieder hergestellten Original gefertigt.

In deil Hauptlinien des äußeren Auf-
baues deckt sich Raphaels Composition
ganz mit der des Perugino, nur daß
ersterer die Jnngfrail mit ihrelir Gefolge
zur Rechten, Joseph nüt den Freiern zur
Linken des Hohepriesters postirt, Perugillo
ilmgekehrt. Bei beiden spielt sich die
heilige Scene lücht ill, sondern vor dem
Telnpel ab. Die Mitte der Scelie ist
ben drei Hauptfiguren eingeräumt. St. Jo-
seph fft eben int Begriffe, deli Ring feiner
heiligen Braut cm den Finger zu stecken,
und der Hohepriester vermittelt dies, in-
dem er die Halid der Braut unb des
Bräutigams erfaßt und beide zusammen-
gibt. So vollziehen die priesterlichen
Hände lilid die Hände der Verlobten den
Akt der Vermählung; dem Symbol dieser
VermähluMg aber, bem Verlobungsring,
dessen Besitzes der Dom voll Perugia sich
rühmte, gibt Raphael ben Ehrenplatz in
seinem Bilde, indem er ihn genau zum
Mittelpunkt desselben macht.

Während der Hohepriester bei Perugino
ziellltich hart lind steif zlvischen ben beiden
Verlobten steht, bringt Raphael eine sanfte
Bewegung in seine Haltung, indem er

dessen Haupt unb Oberkörper leise uach
Joseph, unb gleichzeitig das Antlitz nach
Maria Hill wendet. Jil seinen Zügeil
verbindet sich die Wtirde des Greisen mit
der Andacht und Sammlung des Priesters,
die Hoheit des Arntes mit wohlwollender
Güte und inniger persölllicher Theilnahme
an bem Bunde der Beiden voll Gott für
einander beftimmten Personen, ©eine
Gewandung ist ein malerisches Phantasie-
kostüm, weder ill Schnitt noch ill Farbe
archäologisch richtig; er trägt ein dunkel-
grünes Ober- und Untergewand mit brei-
tem Ziersaum, darüber eine Art Pluv«le
voll derselben Farbe, um den Leib ein
Cingulunr mit reicher Stickerei, über der
Brust das rothe Ephod, all Agraffen unb
Quastell auf den Schultern befestigt illld
als Kopfbedeckung (Miznephet) einen zilr
Tiara erhöhten Turban.

Die ganze Aufmerksanrkeit aber unb
die volle Bewunderung zieht nuf sich die
geflissentlich von ihrer Umgebung nlög-
lichst losgelöste und freistehende Gestalt
der heiligen Jungfrau, hochgewachsen, voll
würdevoller nub zugleich annluthiger Hal-
tung, das Halipt fällst geneigt, volil Lieb-
reiz der Jligelldschöliheit unb voln Schim-
mer der Reinheit und Tllgelid ganz uiir-
ftossell. Sie trägt rothes Kleid mit hell-
blauem Malltel, der voll der lillken Schul-
ter herabfällt und voll der Hand zil-
salnlilengefaßt ben Unterkörper fast gcrnz
eülhüllt. Der Brautschleier ist als schma-
les lveißes Band über ihr Haupt gelegt
unb ins Haar verflochten, fließt bmtit
über die Schultern herab lind ist über
der Brust zil einem Knoten verschlungen.
Voll Andacht illld geistiger Sammlilng
heftet sie ben Blick auf den Ring unb
streckt sie ihm die Hand entgegen, llicht
mit zager Schüchternheit und Befangen-
heit, sondern mit entschlossenem Eingehen
ill Gottes Willen, sich klar bewußt, daß
dieser Ring ihr Gelübde der Jungfräulich-
keit llicht löst sondern besiegelt, Gott aufs
neue sich ganz anvermählend, inbem sie
mit diesem Manne getraut wird.

Die männliche Gestalt unb das ernste
Antlitz des hl. Joseph verräth llichts voll
weltlicher Hochzeitssreude, fonbent bekundet
nur, wie tief er in seiner Demuth ergriffen
ist voll Gottes lvullderbarer Fügung, die
seinen Stab erblühell ließ unb ihn zum
 
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