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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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Nr. 9
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Der romanische Kronleuchter in der Stiftskirche in Comburg, [2]
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Hafner, Otto: Der Oelberg in der Stadtpfarrkirche zu Mengen, [1]: eine kunsthistorische Studie
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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0101

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90

fenstern. Als Abschluß ist darüber ein
vierseitiges Dach mit glänzender Kugel
auf einem schmalen Untersatz. Aus den
durchbrochenen Boden st ü cf e n sehen wir
wieder in romanischen Ornamenten (Gold
aus Schwarz) einen springenden Hund,
Störche (2 Paare mit offenem Schnabel),
einen netten Dachshund, Enten, fliegende
Gänse.

Die letzten 4 Thürme, 3., 6., 9. und
12. sind von runder Grundform mit einem
Durchmesser von 28 Ü2 cm. Die Vorder-
sassaden sind von den schmälern Seiten-
theilen durch Ecksäulen getrennt. In der
durchbrochenen Füllung des Unterbaus
sind männliche Heiligenfiguren, wieder in
getriebener Arbeit, nach vorn vier Heilige
in Mänteln (der auf dem letzten Thurm
mit einer Lilie iu der Rechten), nach innen
vier heilige Frauen in Mänteln, die Rechte
allf der Brust, eine in der Linken einen
Stab haltend, die letzte mit einem oblongen
Gefäß. Die Seitentheile sind mit herr-
lichen, reichlich wechselnden Blumen in
Arabeskenstreifen, Gold auf Schwarz, ge-
ziert. Dieser Unterbau trägt eine gol-
dene Kugel, darüber ein oblonges Stock-
werk, schon ciselirt, darüber eine Kugel
nüt kelchartigem Aufsatz als Abschluß.
Die B o d e n s l ä ch e n sind kreisrund,
durchbrochen, mit romanischen Orna-
menten (ineinandergeschobene und in sich
verschlungene ganze und halbe Kreise und
Vierecke) mit Vögeln, eine prachtvoller,
reicher und schöner als die andere, wahre
Muntstücke, herrliche Augenweide. Es ist
eine wahre Lust, diese Mannigfaltigkeit,
Einfalt, Anmut und Würde, die jeder
Beschreibung spottet, in der Nähe zu be-
trachten; man kann sich kaum au diesem
Reichthum satt sehen.

Der Kronleuchter wird von 12 S t a n-
g e ii von Eise n getragen, welche zu
vier sich vereinigen und durch vergoldete
Kugeln unterbrochen sind, und hängt an
einer starken eisernen Kette. Den Ver-
einigungspunkt der vier Stangen mit der
Kette bildet eine Halbkugel, welche nach
unten das Brustbild Christi zeigt
(mit der Rechten segnend), nüt der Um-
schrift: „Ego sum lux mundi“ („Ich bin
das Licht der Welt"). Eine Vorrichtung
auf dem Dachboden der Kirche ermöglicht
das Herablasseu des Kronleuchters zur
Besichtigung bei hohen oder zahlreichen i

Besuchen von Vereinen. A n g e z ü n d e t
werden die 48 Kerzen dDselben mittelst
Leiter regelmäßig dreimal ine Jahre zunr
Gottesdienst während der Nacht: am

Weihnachtsmorgen, anr Splvesterabend
und zur Auferstehungsseier am Char-
samstag. In der früher bemalten roma-
nischen Kirche (clr. das Epigramm ans
Neustetter oben) mit ihrem großen Kirchen-
schatz, reich an Silber und Gold (clr.
„Archiv" 1896 Nr. 7) und dem vergoldeten
Antependium (clr. „Archiv" 1698 Nr. 2)
ans der Zeit des Kronleuchters mag der
Schein der 48 Kerzen desselben schöner
wiederstrahlt haben als heute, wo er
inuner noch eine Menge voll Besuchern
anzieht. Abgebildet ist dieser berühmte
Kronleuchter in Schnaase's Kunstgeschichte
und bei Bock, Kronleuchter 1864.

Einen Gedanken oder vielmehr Frage
können wir bei Beschreibung des Kron-
leuchters nicht unterdrücken: Soll diese
Zeit, welche einen solchen Ueberreichthunr
an Figürchen, Blumen und Arabesken,
Thiergestalten mit feinem Humor, aus-
gesührt mit bewunderungswürdiger Phan-
tasie, mit Kraft uitö Schwung der Linien,
mit Einfalt und Anmuth, nüt Weichheit
und Zartheit in der Formengebung, mit
unermüdlichem Gestaltungssinn und treffen-
der Symbolik ans Licht gezaubert hat,
ein „finsteres" Mittelalter genannt wer-
den? Hat unsere „helle" Neuzeit ein
ähnliches Prachtstück und Kunstwerk ans-
zuweisen?

Der Oelberg in der 5tad!pfarrkirche
zu Diengen.

Eine kunsthistorische Studie von Or. Otto H asner
in Tübingen.

I.

Mengen hat in seiner Stadtpfarrkirche zu
U. L. Frau eine trotz der stilwidrigen Verände-
rung iin 17. und 18. Jahrhundert immerhin recht
ansehnliche hochgothische Basilika. Den östlichen
geraden Abschluß des südlichen Seitenschiffes bildet
die Oelbergskapelle. Darin besindet sich un-
mittelbar hinter dem Altar aussteigend eine Grab-
legung, und darüber, durch ein massives Gewölbe
getrennt, eine Oelbergsdarstellung. Nach letzterer
wird das Ganze „Oelberg" genannt. Das
Material der figürlichen Darstellungen ist nicht
Holz oder Stein, sondern gebrannter Thon,
der bemalt ist.

Zur besseren Orientirung schicken wir voraus,
daß die beiden Holzsculpturen aus der Epistel-
und Evangelienseite, recht tüchtige Arbeiten aus
dem 17. Jahrhundert, Katharina von Siena und
Thomas von Äquin, aus dem Dominikanerinnen-
 
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