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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 16.1898

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Nr. 12
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Drexler, Eugen: Albrecht Dürers Stellung zur Reformation, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15903#0125
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obern such teil das Aergste zu verhüten,
konnten aber der ganz voll Sinnen? ge-
konlinenen Volksntenge gegenüber nichts
ailsrichten. „Eine Menge wollte Wunder
Gottes an sich verspüren lind gerieth über
diese überirdischeil Gefühle in Entzückung.
Einige der Hilfesuchenden, an welchen sich
die Wuliderkraft nicht lebendig hatte er-
zeigen ivotlen oder die zll der Atutter
der Gnadeil nicht hindurchdringen konnten,
befiel Zittern unb Zagen und die fallende
Krankheit. Sie wälzten sich auf dem
Boden, schrieen lliid geberdeteil sich so un-
menschlich, daß die weltliche lind geistliche
Obrigkeit deiil Unwesen gu steuern sich
zur Pflicht gemacht hatte. Ein Form-
schiieider jener Zeit, der Augenzeuge ge-
wesen zil fein scheint, hat diese Scene
bildlich ilild die Begeisternug des Volks
deil Akteil getrell in einem Holz-
s ch n i tt e d ar g e st e l l t"So weit nnfer
Gewährsmann Gemeiner.

Es siild War nlehrere Kilnstblätter be-
kailiit, welche theils das Gnadenbild,
theils die Wallfahrtskirche darstellen, aber
der Ostendorfersche Holzschnitt stimnlt so
auffalleiid Zug für Zug mit den in der
Chronik erzählten Begebenheiten überein,
daß der Verfasser nur diesen im Auge
haben kann. Aus denlsetben ist die Fassade
des vorläilfigen Holzbaues zil sehen; nur
der Thurm, ans deiil eine Fahne mit dem
Marienbilde iiiid zwei gekreuzten Schlüsseln
(Stadtwappen von NegenHurg) weht, ist
ans Backsteiilen aufgeiührt. Eiil dicht-
gedrängter Zug voll Pilgern bewegt sich
inil die Kapelle. Der vordere Theil der
Prozession kommt eben rechts hinter deiil
Gebäude hervor. Voraus wird die Kirchen-
fahile und eine baunlhohe Weihkerze mit
angehängter Widmungstasel getragen.
Daiiil folgen bekränzte Juilgsrauen mit
brenilenden Lichtern, hiilter ihnen ist der
Klerus sichtbar. Den Zug schließen auf
der linken Seite der Kapelle Männer in
bürgerlicher Kteiduilg, mit langen Stäben
in beit Händen. Eine bunte Menge drängt
sich in die Kirche hinein, bepanzerte Ritter,
zwei mit grotesken Felleil bekleidete Ge-
stalteil nild ein Hanfe Bauernvolk, jedes
feine Gabe darbringend, Getreide, Milch,
Eier, Fische u. s. w. All den Wänden

b Gemeiner a. n. O. 2. 386.

des Kirchleins hängen, trophäenartig zu-
saiumeilgebunden, als Weihgefchenke die
verschiedensteil Gegenstände, meijt land-
wirthschaftliche Geräthe. Vor dem Por-
tale, durch welches an der gegenüber-
liegenden Wand das Gnadenbild sichtbar
ist, steht ans freiem Platze eine Säule
mit einer Marienstatue, an deren Sockel
zahlreiche brennende Wachskerzchen ange-
klebt sind. Hilfsbedürftige aller Art,
welche wegen des Gedränges iiicht in die
Kirche selbst gelangen konnten, haben sich
mit flehendeil Geberden mit die Statue
gelagert. Im weiteren Umkreise aber ist
der Platz mit Menschen bedeckt, welche
sich in Krämpfen auf dem Boden wälzen
oder wie tobt auf dem Gesichte liegen.
Im Vordergründe kniet ein Mädchen, in
Ekstase die starren Augen auf das Bild
geheftet. Ein Kind, das, ivie es scheint,
beim Anblick der schrecklichen Verheerung
ebenfalls die Fallsucht überkommt, wird
von zwei Frauen gehalten. — Der Holz-
schnitt scheint für die Vertheilung unter
die Wallfahrtsleute bestimmt gewesen zu
sein. Eine unter dem Bilde angebrachte
schwülstige lateinische Inschrift feiert die
Entstehung der Kirche:

»O insignem et dextram eccles[iae]
mutationem, qua iudaica superstitionis
synagoga Ratisbonn[ensis] in aedem
Deo sacram iuxta imaginem hanc est
conversa, ubi lapis perpetuae virgini-
tatis sanctae et undecuiique pulchrae
Mariae, diu a perfidis reprobatus, nunc
factus caput anguli, a Christi fidelibus
passim et catervatim magno ac inaudito
devotionis fervore confluentibus pia
et debita veneratione colitur miraque
operatur.« r)

Wie Dürer in den Besitz dieses Holz-
schnittes kam, ist unbekannt. Bei diesen
wenig erbaulichen Vorkommnissen kann es

') Deutsch: „O ausgezeichnete und für die
Kirche glückbringende Wendung, daß die —• jüdi-
sche Synagoge des Aberglaubens in Regensburg
in ein Gott geweihtes Haus nach obigem Bilde
ist verwandelt worden, wo der Stein der immer-
währenden Jungfrauschaft der heiligen und all-
seitig schönen Maria — so lange von den Un-
gläubigen verworfen und nun zum Ecksteine ge-
ivorden — von den Christgläubigen, die einzeln
und schaarenweise mit großem und unerhörtem
Andachtserfer zusammenströmen, mit frommer
und pflichtschuldiger Hingabe verehrt wird unb
Wunder wirket."
 
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