Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Kümmel, Konrad: Die Kirchlichen Metallarbeiten, [9]: eine systematische Darstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0028

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
22 _

Ein einzigartiges Schmiedewerk ist die
Kolossalsäule, die inan bei Delhi in Jn-
bieit fand; sie ist 16^2 Zoll dick, geschlnie-
detes Eisen, 22 Fuß über der Erde hoch
und steckt so tief in derselben, daß ment
bei 26 Fuß unter der Erde noch nicht ihr
Ende erreicht hatte. Welche Kräfte müssen
nöthig gewesen sein, unt diesen Koloß aus
rohen Eisenklumpelt zu founien und zu einem
Ganzen zusamtnenztthäntmern! Die Ent-
stehung dieses Werkes ist in das 9. Jahr-
hundert vor Christus datirt. Int Alter-
thurn waren die Hauptgegenstültde der
Schmiedekunst selbstverständlich die Waffen,
besonders Schwerter. Damaskus ist schon
zu den ältesten Zeiten (Nebnkadnezar) dies-
bezüglich berühntt gewesen. Später grün-
dete Diokletiatt dort eine Waffenfabrik.
Ebenso berühntt Waren die attischett Messer.
Glaukos voll Chios galt als der berühm-
teste Schmied des Alterthums; er erfand
die Löthnng des Eisens. Die Schilde,
Geldkasten der Römer n. s. w. von Eisen
gaben bald Gelegenheit zur Kuustetitfal-
tnug. Ihre eigentliche Entwicküntg hat
die Schntiedekunst erst seit dent Eltde
der Völkerwanderung genommen. Auf
der eilten Seile waren es die Waffen und
noch mehr die Schienenrüstnngen des Mittel-
alters, auf der attdereu Seite die kirch-
lichen Utensilien, Portale, Beschläge, Gitter,
Schlösser lt. s. w., welche der Schntiede-
fuittt eilt goldenes Zeitalter brachten. Die
Nürnberger und Augsburger Harmisch-
schntiede hatten den größten Ruhm; später
kanten die Toletaner und Solinger Waffen
auf. Als der bedeutendste und geschickteste
Eisenschmied und Eisenarbeiter überhaupt
wird in der Geschichte der technischen Künste
Thomas Rücker in Augsburg (unt 1570)
genannt ; er schmiedete z. B. einen Thron
für Kaiser Rudolf II. und einen Wagen
für die Erzherzogin Johanna von Oesterreich
aus Eisen, die ihresgleichen nicht mehr
hatten. Eilt anderer, Gottfried Lepgeber
ilm 1645 in Nürnberg thätig, schmiedete
größere plastische Werke aus Eisen, z. B.
Statuen, sogar große Reiterfiguren. End-
lich soll noch Dinglinger (ch 1785) er-
wähnt werden.

Für die Kirchen kanten hauptsächlich die
Beschläge von Portalen, Schränken u. s. tv.
in Betracht, auch Gitterwerk. Die erstereu
sind meistens ebenso solid, als reich ge-

halten. Die damaligen Schmiede betrach-
teteit ihre Beschläge als eilte Art Panzer
von Eisen auf und unt die Holzthürelt
mit) Kasten, und so kommt es meistens,
daß das Beschläge fast ganz die Oberfläche
überdeckt, nur daß dieser Eisenpanzer ge-
schntackvoll durchbrochen ist. Die Thür-
bänder Zeigen oft wunderbare schöne Ar-
beitelt. Arabesken, Köpfe, ganze Menschen-
und Thierfiguren hat die schwielige Hand
des mittelalterlichen Schmiedes dareilt- und
darausgehauen, und merkwürdiger Weise
kennt man, so reich Deutschland an solchen
herrlichen Schmiedeknnst-Arbeiten ist, nur
wenige Meister mit Namen. Peter Heit-
le in (der Erfinder der Taschenuhrelt) und
Hans Ehe m a lt lt in Nürnberg sind neben
den oben Angeführten die Bekanntesten.
Geschmiedete kleinere nnb größere Leuchter
aus Eisen, Fenster-, Thür- und andere
Gitter geigen durchaus den Charakter der
gothischen Zeit, welcher sie entstammten;
dazu kamen die Insignien der Zünfte, welche
in beit Zunftstuben oder außen alt den-
selben aufgehängt wurden. Eilt berühmtes
Gitter alter gothischer Schmiedearbeit ist
am Grab der Scaliger in Verona zu sehen.
Doch tragen die Gitter jener Zeit immer
noch die strenge Form des eigentlichen
Gitterstabswerks nnb die Verzierungen glie-
dern sich mehr oder welliger reich in die-
selben bescheiden ein. Das geht noch her-
auf bis zur Renaissance. Von da an aber
erhebt sich die G i t t e r s ch m i e d e k u n st zu
einem Spezialfach ersten und höchsten
Ranges. Wesentlich trug dazu bei, daß
in selten Zettelt das Stab eisen als
Schmiedematerial eingeführt wurde, welches
wegelt feine» geringsten Gehalts an Kohle
im Feuer fast knetbar weich wird. Solch'
eilt herrliches Material war eine förmliche
Herausforderung der Virtuosen unter der
Schmiedezunft. Und linn — im 16. und
17. bis 18. Jahrhundert beginnt eine
Periode derselben, welche für immer Staunen
nnb Bewunderung erregen wird. Eilte
Uebnng und Tradition der betreffenden
Jnltungen, welche sich auf 1000 Jahre
zurückdatirte, befähigte die Arbeiter von
damalszurLösungderschwierigstenAufgaben
und unter ihren Händen itetfm das Eisen
jene wundervoll lveichen Formen an, die
mehr der Kunst des Modelleurs, als der
Hand des Schmiedes zltgetrant werden
 
Annotationen