Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

DOI Heft:
Nr. 3
DOI Artikel:
Kümmel, Konrad: Die Kirchlichen Metallarbeiten, [9]: eine systematische Darstellung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0029

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
möchten. Die Gitterwerke und Gitterformen
der Spätrenaissance, des Barocks und Ro-
koko sind Meister- intb Wunderwerke der
Technik, insbesondere ausgezeichnet durch
die Art, mit welcher die einzelne Theile
ineinandergeschweißt waren. Im Rokoko
übertrifft die Schmiedearbeit an technischer
Bravour alles weitaus, was je in der ganzen
Geschichte der Kunst in dieser Branche ge-
leistet worden ist. Das sind keine eisernen,
spröden Gitter mehr, das ist ein berücken-
des Netzwerk voll Leichtigkeit, Duft, Zier-
lichkeit und bunter Fülle; jedes Material
ist überwunden und jeder Schwierigkeit
spottet die Hand des Schmiedes; der Laie
ist entzückt über diese Pracht ltnb Fülle,
der Fachmann von heute aber steht mit
stiller Bewunderung und Rührung vor diesen
Zeugen begeisterter Kunstthätigkeit zur Ehre
Gottes und zmn Schmucke seines Heilig-
thums — und fragt umsonst nach dem
Rainen der großen Künstler mit den schwie-
ligen Händen unb dem rußigen Angesichte:
sie sind zu bescheiden gewesen, um ihre
Namen der Nachwelt zu überliefern, und
ihre Zeitgenossen fanden die Kunstfertigkeit
und die Werke derselben siir so selbstverständ-
lich, daß sie gar nichts Außerordentliches
mehr daran sahen.

Gleichzeitig mit den großeil Gitterwerken
in den Kirchen (besonders Gitter zunr Ab-
schlüsse des Chores, der Seitenkapellen,
auch des ganzen Schiffes gegen die Vor-
halle, der Galleriebrüstungen in beit Barock-
kirchen, der Thürfüllungen u. s. w. u. s. w.,
auch oft ziir Abgrenzung eines Altars oder
sonstigen Heiligthums innerhalb der Kirche)
entstanden auch kleinere Eisenschmiedar-
beiten, wie z. B. die Grab kreuze, die
Glocken träger, Dachstuhlbekrönungen,
Oberlichtgitter, und von weltlicher Art die
Jnnungszeichen, Schilde u. s. w. — alle
mit großer technischer Fertigkeit intb oft
wunderbarer Schönheit gearbeitet. Zu
letzterer gesellt sich der Reichthum an
solchen Arbeiten. Man sehe in den alten
Klöstern, Kirchen, Schlössern, u. s. w.
einmal nur sich, intb man staunt über den
Reichthum der verwendeten Schmiedear-
beiten. Man denke nur z. B. an die ge-
schweiften, reich verzierten Fenstergitter in
besseren Häusern des letzten Jahrhunderts,
an die Treppenbrüstungen, Einfahrtsthore
Laternen rc. Wieviele dieser Arbeiten sind

verschwunden, weggeräumt von Unver-
stand oder Spekulation, selbst aus Kirchen
— Meisterwerke, für die man heute Zehn-
uud Hunderttausende erhielte — und trotz-
dem: welcher Reichthnnl an Kunstschmiede-
arbeiten ist inrmer noch da! Besonders
Süddentschland nnb Oesterreich (Tirol nicht
zuletzt) ist reich an herrlichen Werken dieser
Art. Unser eigenes Land, speziell das Ober-
land mit seinen Klosterbauten aus der Zeit
seitdem 30jährigen Kriege bietet übergenug
des Charakteristischen und Wundervollen.
In Kepplers „Kunstalterthümer" sind an-
geführt : Aus romanischer Zeit noch die
Löwen- oder Pantherköpfe in Alpirsbach,
Sindelfingen, Denkenoorf, Reichenbach,
Maulbronn, Tübingen (Stiftskirche). Aus
gothischer Zeit noch sehr viele Beschläge
an Kirchen-, Sakristei-, Thurmthüren;
die reichsten nnb schönsten in Eglosheim
und Markgröningen, OA. Ludwigsburg,
Schmalfelden, OA. Gerabronn, Rieden,
OA. Hall, Rottenburg (St. Moriz), Leou-
berg, Marbach, Lienziugen, OA. Rtaul-
bronn, Backnang, Tübingen (Stiftskirche),
Herrenberg; eine sehr schöne Haltstange
in Jsny, OA. Wangen (evang. Kirche).
Gute Beschläge der Spätzeit in Ober-
marchthal, OA. Ehingen, und Amtzell,
OA. Wangen.

Treffliche Werke, aber alle dem Barock-
oder Zopfstil angehörig, sind die schmied-
eisernen Chorgitter, ein Hauptschmuck ins-
besondere der Klosterkirchen des vorigen
Jahrhunderts. Vrgl. Schönthal, Zwie-
falten, Obermarchthal, Weingarten; dann
Biberach, Geislingen, Weikersheim, Nür-
tingen, Urach, Unterkochen, OA. Aalen.

Außerdem ist dort hingewiefen ans her-
vorragend schöne Grabkreuze aus Schmiede
arbeit in den Oberänttern Ellwangen,
Rottweil, Spaichingen, Ulm, Waldsee,
Wangen sowie auf die Prachtexemplare
im Alterthums-Museum in Stuttgart
und Rottweil, Cannstatt, Hinznang,
Rohrdorf (Wangen) und Lichtenstern.
Das große Staatswerk von Paulus hat
gleichfalls verschiedenes und auch dankens-
werthe Abbildungen von älteren, romani-
schen und gothischen Schmiedewerken, ferner
Wirthshausschilde u. f. w. in seinen Jn-
ventarband 511111 Neckarkreis, weniger zum
Schwarzwaldkreis; leider aber hat es auch
nicht ein einziges der Prachtchorgitter des
 
Annotationen