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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

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Nr. 4
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Kümmel, Konrad: Die kirchlichen Metallarbeiten, [10]: eine systematische Darstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0040

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34

Zeichnung erheblich klarer gemacht wird. Mit
der Malerei hat diese Knnstschmiedearbeit
auch das gemeinsam, daß sie in ihren
Ausrissen von dem Charakter der reinen
Flächendekoration fortschreitet bis zu per-
s p e ft toi s ch e n Konrpositionen. Man ver-
gleiche z.B. das Chorgitter von St. Gallen,
das nichts sein will, als eben die Belebung
einer ebenen Fläche dnrch Stäbe lutb Gitter-
werk, mit dem von Weingarten! Das
letztere stellt in feinem Mitteltheil eine voll-
ständig korrekt gezeichnete architektonische
Halbkreisnische mit Kuppelwölbung dar;
dieselben sind durch Gurten und Gesimse
gegliedert nnb haben Felder und Fenster;
alles ist in der besten perspektivischen Ver-
kürzung gegeben ; die beiden Seitentheile
des Gitters bilden je einen scheinbar tief
in den Chor hineingehenden gewölbten
Laubengang — und doch ist das ganze
Gitter vollständiges Flächenwerk. Noch
viel lebendiger und kühner ist der perspek-
tivisch-architektonische Aufriß des Zwie-
saltener Gitters gemacht. Hier sind die
beiden Seitentheile vollständig plastisch ge-
dachte Portale, deren Umrahmung schein-
bar weit vor den Thüren vorspringt, deren
Krönung in den wildesten Rokokowindungen
sich weit vor- oder zurückznschieben scheint,
deren Krönung eine täuschend imitirte voll-
ständig runde Vase bildet; das Mittelstück
zeigt einen noch kühneren aber iveit gra-
ziöseren Aufsatz, der im scheinbaren
Halbrund endet, während die Seitentheile
als je auf das Eck gestellte Säulenbasen mit
kannelirten Säulen und Verkröpfungen an
die regelrecht gebaute Attika u. s. w. er-
scheinen, welche wie schützend zu beiden
Seiten des Altarchors weit vorspringend
gedacht sind. Und doch ist das alles nur
Täuschung durch den perspektivischen Ausriß;
das Gitter ist vollständiges Flächenwerk
und läuft schmrrgerade unter den: Chor-
bogen dnrch von der einen Mauerecke zur
andern.

Nur selten imb in kleineren Werken, z. B.
Laternen, komplizirten Gestellen für Tauf-
becken, Leuchtern, Thürenbekröunngen u.s. w.
geht das Schmiedekunsthaudwerk etwas aus
diesem feinem elementaren Charakter heraus.
Aber auch sie impfen auf dem Prinzip der
Wirkung durch Kontur und Silhouette aus-
gebaut sein, wenn sie etwas gelten sollen.
Ebenso selten sind eigentliche reliesartige

größere Arbeiten der Schmiedekunst; wie
z. B. Frucht- und Blüthengnirlanden,
Figuren u. s. w.; es ist mehr Virtuosität
darin, als wahre Kunst. Die Grab kreuze,
Junungsschilde und Abzeichen sind fast
durchweg als Flächendekorationen gedacht.
Es ist auch gar nicht denkbar, daß die
Schmiedekunst aus anderem Wege einen
künstlerischen Erfolg erzielen kann. Denn
in dem Augenblick, in welchem ihre Stab-
und Linienformen sich nicht mehr auf eine r
Fläche zeigen, verwirren sich die Linien
und es ist ein Gesamtbild nicht mehr
möglich. Deshalb mögen z. V. der ge-
schmiedete Thron und Wagen von Tho-
mas Rücker in dem einzelnen Theile,
bz. B. die Wände, Räder u. s. w.) sehr
schön gewesen sein und mag die Zusammen-
schweißung des Ganzen von enormer Vir-
tuosität der Technik zeugen: als wahre,
reine Kunstwerke dürsten sie doch kaum
anzusehen sein. ' Und ebenso ist das
Schmieden einer ganzen oder halben
Rnndfignr mehr als ein Bravourstück der
Technik, denn als eine Errungenschaft der
Kunst anzusehen. Für solche Werke sind
nicht der Hammer oes Schmiedes, das
glühende Eisen und der mächtige Ambos
gegeben, sondern entiveder die Form und
das Ciseliereiseu des Kunstgießers oder
Kugel und Hammer des bedächtigen T re i b-
künstlers. Jedem das Seine und alles
in seinen eigenen Grenzen. -

Damit haben wir den Zweig des
K u n st s chmiedens behandelt. Nun folgt
der noch wichtigere, weil vor allein das
Edelmetall in der Kleinkunst umfassende
Zweig der edlen Treibfnnft, der dritte
und letzte, aber bedeutungsvollste der Me-
tallbearbeitnng im Sinne der wahren
Kunst. Ehe wir demselben näher treten,
seien zwei Wünsche ausgesprochen.

Der erste betrifft die Juventari-
sirung und geschichtliche Behandlung
der künstlerischen Schmiedearbeiten im
Dienste kirchlicher Zwecke aus den ver-
schiedeuen Zeitaltern, besonders in der
gothischen und Renaissance- bezw. Spät-
kunst. Es wäre ein großes Verdienst,
wenn in einem eigenen Werke die edle
Schmiedekunst von Anfang an behandelt,
die bedeutendsten Meister mit Namen,
Daten und Werken angeführt, die Ent-
wicklung des Kunsthandwerkes in technischer
 
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