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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

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Nr. 12
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Schöninger, Artur: Die Spätgothik in Schwaben, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0116

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102

beit. Vom Grund aus im Achteck ge-

plant und aufgebaut ist der Thurm der
Stadtkirche §u Balingen eine ganz eigen-
artige Erscheinung, kräftig gegliedert und
doch stark emporschießend, leider mit wenig
passendem Abschluß. Der Achteckthurin
bildet zugleich deu Achteckschluß des Chors.

Während die spätgothischen Kirchen zu
Cannstatt, Nürtingen, Göppingen (Ober-
bosen), Blaubeuren, Schorndorf (mit herr-
lichem Chor) im Saufe der Zeit verändert
und des Gewölbes beraubt wurden, zeigen
die Alexanderkirche zu Marbach und die
äußere Kirche Set. Michael zu Waiblingen,
die völlig erhaltenen, zunr Theil noch be-
ulalten Gewölbe der spätgothischen Zeit.
Auch diese beiden Kirchen könnte man
typisch nennen ob ihrer spätgothischen Eigen-
art. Die Stiftskirche zu Herreuberg, ein
ursprünglich frühgothischer Vau, hat im
Langhaus spätgothische Gewölbe. Gerade
in diesen Gewölben der spätgothischen
Kirchen Altwürttembergs liegt ein eigener
Reiz. Die Innenausstattung der Kirchen
ist zunreist, bis ans einige Kanzeln und -
Taufsteine, versehwunden, die schönen weiten
Hallen mit den kunstvollen Gewölben und
ihren Resten alter Bemalung, ihren be-
deutungsvollen Schlußsteinen sind geblieben
als stumme und doch beredte Zeugen
einer besseren Zeit.

Es gienge über den Rahmen eines Vor-
trags' hinaus, eine genaue und erschöpfende
Darstellung oder Einzelschildernng sämmt-
licher spätgothischer Kirchenbanwerke Al:-
ivürttembergs zu geben. Nur auf deren
Neichthum und einzelne Eigenthümlichkeiten
wollten wir aufmerksam machen. Es
wären noch von städtischeil Bauten zil er-
wähnen, außerhalb des fürstlich-württem-
bergischen und des reichsstädtischeil Ge-
biets, die Kirchen in der Hohenberg. Stadt
Rottenbnrg, von deren ursprünglicher
Schöne nur die Thürme, besonders der
originelle Domthurm, reden, nach Eßlingen
der einzige vollendete, durchbrochene Py-
ramideuthurul des Laiides. In der ebeu-
falls hohenbergischen Stadt Horb gehört
die merkivürdig verschobene, zweischiffige
untere Kirche, eine frühere Franziskaner-
kirche, der Spätgothik all. Erwähnung
verdient noch die dreischisfige Hallenkirche
in Aletzingen. In den fränkischen Landes-
theilen finden sich zwei sehr beachtenswertste

Stadtkirchen ans spätgothischer Zeit, die
Stiftskirche zu Oehringen lind die merk-
ivürdig umgebaute Kirche zu Schwaigern.
Die Stiftskirche zu Oehringen ist eine
durchaus gewölbte Hallenkirche mit Quer-
schiff und dreischisfiger Krypta. Der Bau
zu Schivaigeru aber, aus einer romani-
schen Kirche erweitert, ist eigentlich zwei-
schifsig, es verschwindet aber gegenüber
denl spätgothischen Neubail das alte An-
hängsel und stellt sich beut Beschauer eine
weite netzgewölbte Halle vor mit Kapellen
zwischen den eiilgezogenen Streben uitb
einem mächtigen Chor, der noch zwei aus-
gebuchtete Kapellen hat. Es ist dies ein
Beispiel einer ganz eigenen Art, ein neues
und altes Bauwesen zu verbinden. Die
Kirche ist zugleich reich an Steiumetzar-
beiten lind alten Flügelaltären. Ihr Bau-
ineister Bernhard Sporer, der auch in
Oehringen thätig war, hat an diesem
Bauwerk sein Talent glänzend gezeigt,
es iilllß ein ebenso kühner Architekt als
gewandter Bildhauer und Steininetz ge-
wesen fein.

„Geradezuerstaunlich", sagtKeppler 1. c.,
„ist neben der stattlichen Zahl größerer
Kirchenbauten die Menge der Dorfkirchen,
welche ilil 15. und anfangs des 16. Jahr-
hunderts gebaut ivllrdell". Geiviß ein
neuer Beweis für beit Niedergang der
Kullst in dieser Periode! Nein gerade
diese Dorskirchen zeigen Ms eine Seite
der spätgothischen Kunst in deutlichster
Beleuchtung — ihre praktische Brauch-
barkeit und Verwendung für kleinere Ver-
hältnisse. Diese spätgothischen Dorfkirchen
traten zumeist an die Stelle kleiner ro-
manischer Kirchenbauten. Sie sind gerade-
zu ein schwäbisches Charakteristikum und
es mag gewissermaßen ein Verdienst der
Reformation sein, daß im württembergi-
schen Unterland so viele solcher Bauten
erhalten blieben. In katholischen Gegen-
den hat der religiöse Eifer in: Barock-
nnd Zopszeitalter ziemlich aufgeräumt mit
der Gothik. Fast alle diese Dorskirchen
haben miteinander gemein einen verhält-
nißniäßig großen, lichten, durchweg schön
gewölbten Chor, das Altarhaus, wie manche
den Chor nennen. Im Oberamt Böb-
lingen, im Zabergün, in der Maulbronuer
Gegend, im Strohgäu, im Höllischen und
Hohenlohischen, aus rauher Alb und im
 
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