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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

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Nr. 12
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Rief, ...: Die Spitalkirche in Ehingen a. D. und ihre Altäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0122

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Es sind acht Holzaltäre im Barockstil. Der
Hochaltar 8. Matri Amabili sacrum, statuae
Marianae Thanmaturgae sedes (alle derartigen
Bemerkungen sind Greiderers Oermania Kran-
ciscana entnommen) ist von dein Ehinger Kaplan
Joseph Gietinger 1726 gestiftet. Auf der Evan-
gelienseite steht im Chor gegenüber einer statt-
lichen hölzernen Wandverkleidung, welche sich
hinter den Sedilien befindet, ein Credenzaltar.
Dann folgen auf der Evangelienseite an der Wand
des Triumphbogens die ara S. Matris dolorosae
von 1730, eine Stiftung des gleichen Kaplans,
und weiter zurück, ganz an die Schiffsmauer ge-
stellt, der Altar des hl. Franziskus Seraphrkus,
1727 von Kaplan Baumann gestiftet, und der
St. Annaaltar, eine Opfergabe der Frau Anna
Renata Roesch. Den genannten Seitenaltären !
entsprechen in den gleichen Stellungen auf der
Epistelseite der Dreikönigsaltar von 1729, An- j
toniusaltar (1729) und der Altar des hl. Petrus ^
von Alkantara (1730), Stiftungen der Kreuz-
wirtin Franziska Will, des Ulmer Patriziers Joh.
Bapt. Kraft, des Admistrators des Ritterstandes,
(Ehingen war nämlich die erste der vier vorder-
österreichischen Direktorialstädte und einer der
Bororte der schwäbischen Reichsritterschaft) und
des Pfarrers Franz Karl Beller von Jllerberg.

B o m a r ch i t e k t o n i s ch e n A u f b a u
eines Barockaltars ist man gewohnt, nicht viel
Gutes vorauszusetzen. Aber man betrachte ein-
mal mit empfänglichem Sinn die Architektur
dieser Altäre und man wird bald überzeugt sein,
das; sich hier viel mehr Erfindungsgabe zeigt als
bei sehr vielen Altären, ivelche gegenwärtig in
die Kirchen gestellt werden, und bei denen eine
Reihe von Laden verschiedener Größe oft nicht
einmal harmonisch zusammcngestellt werden, um
initunter recht steife lind leblose geschnitzte Bilder
aufzunehmen. Am wenigsten spricht hier der
Credenzaltar an. Er sieht wie eine arme Kopie
der vordersten Seitenaltüre in Obermarchthal
aus. Zwei gewundene Läulen, mit steifem Reblaub
liild Traubeil überwunden lind nicht über Eck ge-
s: ellt, flankieren das Altarbild, uild in der Bekrönung
wiederholt sich das Gleiche in kleinerem Mahstab.

Die anderen Altäre dagegen verraten einen
originellen Meister. Die Postamente, ivelche die
Mensa flankieren, darüber die Hoheit Gestühle,
welche die Säulen und Pilaster trageil, danit
diese selbst mit ihreil korinthisirenden Kapitellen,
die Verkröpfungen über den letzteren und vor
allem die Hauptgesimse und endlich die Be-
krönungen bilden je zusammen drei Tppeil archi-
tektonischeil Aufbaus, welcher in seiner harmo-
nischen Zusammenstimmung bei aller Mannigfal-
tigkeit der Glieder bei beit vier Hinteren Altären
schön, bei den zwei vorderen Seitenaltären sehr
schön lind beim Hochaltar majestätisch genannt
werden muß. Keine Säule ist gewunden, bei
keiner finden sich Kerben oder Wülste oder Schild-
chen, keine ist mit Blatt- lind Rankenwerk über-
sponnen; alle sind ganz glatt und sollen offenbar
Ruhe lind Ernst in das sonstige barockale Leben
bringen und dadurch den Blick auf die Altartasel
ziehen. Sanfte Verjüngling gibt denselben sehr
angenehm wirkende Prosillinien, die Nußbaum-
fournirung ist so umgelegt, daß hellere und
dunklere Streifen in schönen Spiralen empor-

laufen. Die saubere Arbeit mag bei der da-
maligen Herstellungsweise und Behaildlung der
dicken Fourniren in Anbetracht der Verjüngung
ihre Schwierigkeiten gehabt haben. Bei den vier
Hinteren Altären laufen auf jeder Seite zwei
Säulen im stumpfen Winkel voll der Pilasterum-
rahmung der Altartafel vor, von denen die vordere
über Eck gestellt ist. Bei den zwei vorderen
Seitenaltären bilden vor den Pilastern je drei
Säulen sehr hübsche Säulenkomplexe, welche da-
durch noch wirkungsvoller werden, daß je am
Fuß der vordersten, allerdings bis auf die Hälfte
ihrer Dicke ausgeschnittenen Säule eine sehr schöne
Heiligenfigur steht. Beim Hochaltar sind je zwei
Pilaster und drei Säulen so geordnet, daß
zwischen zwei vortretenden Säulen vor den zu-
rücktretenden Gliedern die mächtigen Heiligen-
gestalten Platz haben und man nicht zu dem
immerhin sehr bedenklichen Mittel, die Säulen
anzuschneiden greifen mußte. Wie diese Säulen-
und Pilasterordnung dem Chor zu immer reicher
wird, so ist es auch bei den Kapitellen über
den Säulen und Pilastern. Es folgen nach ein-
ander Kapitelle blos mit Akanthuslaubwerk, dann
solche mit dareingefügten Muscheln und am Hoch-
altar schauen je drei hübsche Engelköpfchen aus
j dem Blattwerk hervor. Die Verkröpfungen
! über den Kapitellen zeigen in ihren vertikalen
i und horizontalen Profillinien eine freie und har-
! monische Abwechslung, sehr geeignet, die reichen
! und herrlichen Licht- und Schattenwirkungen der
! Hauptgesimse ausklingen zu lassen. Diese H au pt-
gesimse sind besonders bei den drei lhier ab-
gebildeten) vorderen Altären so schön, daß wir in
keiner von den größeren schwäbischen Barockkirchen
etwas so Schönes gesehen haben. Geradlinige
1 Kanten, konvexe und konkave Bogenlinien, Drei-
viertelskreise und Karnieskurven sind zur schönsten
Harmonie zusanimengeschlosfen. Ta ist alles
markig und kräftig und doch weich und fließend,
da sticht nichts, das Auge verletzend, in die Lust
wie die rosendornförmigen Hauptgesimsnus-
ladungen an den Altären in Weißenau, nichts ist
hart und starr, nichts arm und öd, wie man es
so vielfach in Barock- und Zopfkirchen sieht. Das
, Hauptgesims des Hochaltars erinnert an den et-
was spateren Hauptaltar in Wolsegg. Ebenso
schön wie die Hauptgesimse und in korrespon-
dirender Wirkung zu denselben ist namentlich bei
den vorderen Seitenaltären das Gestühlwerk
unter den Säulen. Endlich machen auch die B e-
krö nungen über den Hauptgesimsen auf das
Auge den wohlthuendsten Eindruck durch das har-
monische Spiel der zahlreichen Ecken und Kanten
und der langgezogenen Voluten. Die bekannten
ziellosen Giebelanläufe sind mit bewußtem Kunst-
; gefühl ganz vermieden. In feinen, aber doch den
! Gesammtcharakter streng wiedergebenden Accorden
! klingt die architektonische Musik nach den ruhigen
Wölbungen hin aus.

Sehr geschmackvollen Aufbau zeigen auch die
• drei Tabernakel des Hochaltars und der vorde-
> ren Seitenaltäre, sowie die Kanzel und die Wand-
' Verkleidung hinter den Sedilien. Diese Taber-
nakel treten mit drei Flächen eines Oktogons
vor; die Kanten zieren schmucke Säulchen und
zwar beim Tabernakel des Hauptaltars, welcher
gebührend mächtig hervortritt, sind es jedesmal
 
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