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Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

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Nr. 12
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Rief, ...: Die Spitalkirche in Ehingen a. D. und ihre Altäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0123

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— 108

drei Säulchen, je ein glattes vor zwei gewunde-
nen, der sichtbare Theil des Drehtabernakcls
bietet ebenfalls, aber zurücktretend, drei Oktogonal-
flächen. All' diese Flächen wie auch acht Flächen
an dem Sünlengestühl zu beiden Seiten des
Tabernakels find lebendig durch Einsätze geglie-
dert mit Zinkverzierungen und, wenn man sie,
ivas an besonderen Tagen geschieht, umdreht, mit
reichstem Religuienschmuck. Die Sedilienwand ist
durch vier gewundene Pilaster in fünf Theile ge-
theilt, wovon der mittlere nach oben durch einen
geschnitzten Baldachin hervorgehoben ist; eine
entsprechende Bekrönung überfängt die drei mitt-
leren Theile, die zwei äußeren Theile sind niedriger
gehalten unb durch geschmackvolle Schweifungen
nach oben abgeschlossen. Die sehr zierliche Kanzel
ist ebenfalls mit gewundenen Säulchen an der
Brüstung geschmückt; je zwei slankiren je einen
Engel mit Evangelistensymbolen, lieber dem
Schalldeckel erhebt sich ein Rundtempelchen mit
vier Paaren von Säulchen, zwischen denen vier
Franziskanerheiligenfigürchen stehen, während St.
Franziskus die Mitte einnimmt.

Der Architektur reiht sich würdig der Skulp-
tur e n s ch mu ck an. Alle Blicke zieht in erster
Linie das große Muttergottesbild des Hochaltars
auf sich. Es ist das einzige Steinbild der Kirche,
20 Zentner schwer. Es ist die statua Mariana
Thaumaturga, das Gnadenbild der lieblichen -
Mutter, der mater amabilis, das einst von den j
Grafen von Berg, welche vom 10. Jahrhundert I
bis 1443 Ehingen beherrschten, und welche die
alte Frauenkapelle an der Stelle unserer Kirche
gebaut haben, gestiftet worden sein soll unb an
das sich auch die bekannte Sage von den ivunder-
baren Ochseil knüpft, welche das Bild in der
Nacht cuif den Frauenberg jauch Ochsenberg ge-
nannt) gezogen haben sollen. Die Oberamtsbe-
schreibung nenilt es ein Renaissancebild; es ist
aber sicher gothisch und zwar nicht spätgothisch;
es gehört auch seinem Kunstcharakter nach in die
letzte Zeit der Grafen von Berg. Man ivird
durch das Gesicht an die Madonnenbilder der
allen niederdeutscheil Malerschlilen erinnert lind
die Behaildiling des Geivandes ist die gleiche wie
bei den Steinstglireil an beu frühgothischen
Kirchenbauten. Das schölle, ovale Gesicht ist von
der klaren und stark hervortretenden Stirne be-
herrscht ruid von sanften dunklen Locken lieblich
umrahmt. Die feine Nase unb die kleinen zarten
Lippen erhöheil die Lieblichkeit des Ganzen. Es
ist namentlich das Volk, das sich voll diesem Bilde
fesseln läßt. Der Leib ist etwas kurz gehalten.
Die Gewandfalten sind einfach und fließend. Die
Wirkung des Bildes wird erhöht durch seine Auf-
stellung in der sehr schöllen Nische, ivelche sich
hinter unb über dein Tabernakel majestätisch auf- !
baut und von einem Fenster mit gelbein Glas ■
von hintenher beleuchtet ist, dessen goldener
Schimmer besonders voil der vergoldeten muschel- >
förmigeil (an die große muschelsörmige lieber- !
krönung des Hochaltars in Marchthal erinnernden! j
oberen Umkränzung derselben verstärkt ivird und i
sich ruhig über die farbigen Seitendraperien der- '
selben und über die Engelchen verbreitet, ivelche j
paarweise zur Rechten und zur Linken theils stehend j
Spruchschilde vor sich haben, theils schwebend j
die Draperien zurückhalten, theils aus Wolkeil !

■ schauend mit dem Jesuskind und dem Kops der
Madonna eine sehr harmonische Reihe bilden,
lieber der schönen Nische erscheinen unter geschnitz-
ten Lambreguins zwischen den hübsch zurückge-
zogenen Falteil einer geschnitzten Draperie dornen-
umwunden und roscnumrankt die zwei heiligsten
Herzen. Darüber schwebt die Talibe des heiligeil
Geistes uild zu oberst, ebenfalls vom goldenen Schein
eines dahinter befindlichen Fensters umschimmert,
und von Engelköpfen in Wolken umgeben, die
j mächtige Gestalt Gott Vaters. Zu beiden Seiteil
stehen oder knieen über dem Hauptgesims vier
flott geschnitzte Engel in den lebendigsten, aber
; nicht zu keck voltigirenden Beiveguilgeil und in
züchtiger Bekleidung, Spruchschilder oder Füll-
: Hörner haltend. Dieser gesummte plastische Schmuck
des Hochaltars ist so reich, das; der Altar aus
' den ersten Blick fast überladen erscheint. Aber
das beherrschende Hervortreten des Madonnen-
bildes in der großeil von den ruhig gehaltenen
inächtigen Säulen flankirten Nische bringt Ruhe
ins Ganze unb diese Ruhe wird gehoben durch
die iinposailten Gestalten des hl. Joseph und des
hl. Joachim, ivelche zu beideil Seiten der wunder-
baren Tochter und der gottbegiladigten Braut
zwischen den Säulen stehen. Der Künstler hat
seine Aufgabe sehr wohl begriffen. Entsprechend
der Erscheinung der Madonna hat er allch diese
Gestalten etwas iils Breite geschnitten. Bewegung
unb Ruhe halten sich das Gleichgewicht. Der
kräftige Faltenwurf der Gewänder und diemarkigen
Gesichter geben den Gestalten etivas Jinponirendes.

Auf dem vorderen Seitenaltar der Epistelseite
j stehen die non frommen Betern wie voll Kunst-
; verständigen mit viel Liebe unb Freude betrachte-
1 ten Gestalten der hl. Elisabeth unb der hl. Klara,

; als weibliche Vertreterinnen des zweiten lind
! dritten Ordens des hl. Franziskus. Tie hl. Klara
mit wunderlieblichem Gesicht schaut mit inniger
! Liebe aus die Monstranz, die sie in der Haild
hält, die hl. Elisabeth reicht mit dem Ausdruck
der Milde lind Barmherzigkeit einein in verkleiner-
tem Maßstab, aber iu trefflicher naturalistischer
j Haltung zu ihren Füßen kauernden Bettler eine
| Gabe. Beide Gestalten siild voll Bewegung lind
Leben. — Denselben entsprechend stehen alis dem
Altar der schmerzhaften Mutter, als Vorbilder
für die Laienbrüder des hiesigeil Franziskaner-
konvents der hl. Tidakus mit ziemlich großem
Kreuz, iveil er ein besonders frommer Betrachter des
Leidens Christi war, unb der hl. Paschalis Bay-
loil, der bekannte „heilige Schäfer" mit dem Lamm
zu seinen Füßen lind, weil er sich dlirch Verehrung
des heiligsten Altarsakraments besonders ans-
zeichnete, mit Kelch und Hostie in der Linken.
Beide Gestalten geben den Typus von Franzis-
kanerlaienbrüdern getreu wieder und siild trefflich
geschnitzt bis aus die naturgetreuen lleberschnei
duilgeil der Sehnen unb Adern an den Händen.
Bei den vier letztgenannten Heiligen sind die
Franziskanergewänder zu berechneter Wirkung
nur im Großen herausgearbeitet. Auf den Hanpt-
gesimsen auch dieser zwei Altäre siild je zwei Engel
mit Füllhörnern angebracht, ebenso tüchtige Ar-
beiten, >vie die vier Engel auf dem Hochaltar.

Alle Altäre lind die Kanzel sind mit reichen
geschnitzten (an den Bekrönungen nur trüglich ge-
malten) Barockornainenken geziert, mit konveren
 
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