Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 17.1899

DOI Heft:
Nr. 12
DOI Artikel:
Rief, ...: Die Spitalkirche in Ehingen a. D. und ihre Altäre
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15904#0126
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Haupt den aus der Renaissance hervorgegangenen
Stilarlen eigen, wie namentlich viele Treppen-
hallen, Festsäle und Bibliothekräume beweisen.
Marmor und Marmorimitation, Statuen, Urnen,
Kandelaber, Stuck und Holzschnitzerei, Vergoldung
und glänzende Farbenpracht der Gemälde mußten
Zusammenarbeiten, um einengroßar igen Gesammt-
eindruck hervorzubringen. Man denke an die
prächtigen Jnnenräume der Schlösser des 18. Jahr-
hunderts, man denke an die Kirche in Zwiefalten
oder an Bibliotheksäle wie in Schussenried, Wib-
lingen und Ochsenhausen. Wenn Harmonie die
Seele der Schönheit ist, so sind auch die Meister,
welche in unserer Kirche gearbeitet haben, von
kräftigem künstlerischen Bewußtsein durchdrungen
gewesen. Ein für Formenharmonie empfäng-
liches und Formenakkorde suchendes Gefühl wird
da höchlich befriedigt, ob nun das entzückte Auge
mit weitem Blick das ganze Ensemble auf ein-
mal umfaßt oder ob es in horizontaler Bewegung
die Reihe der Heiligengestalten überschaut, deren
Mitte die Maler amabilis einnimmt, oder von
der Gestalt Gott Vaters aus über die Reihe der
so bewegten Engelbilder hinschweift; ob der Geist
die Hauptgesimse oder die dieselben tragenden
Säulen, ob er die nach vorn in harmonischem
Zug immer höher sich erhebenden Altarbekrönungen
oder die unteren Theile der Altäre an sich vorüber-
ziehen läßt. Sehr harmonische Bilder bieten sich
auch dar, wenn man auf die an den Schisss-
wänden angebrachten Werke schaut. An der Nord-
seite stimmen zwei Altäre mit drei Beichtstühlen
zusammen, über denen je zwei Stationenbilder,
welche die Fenster unten flankieren, die Wirkung
erhöhen. Dasselbe Gesamtbild zeigt die Süd-
seite, aber noch gesteigert durch die Kanzel zwischen
den beiden Altären. Der obere Theil der Kanzel
mit dem Tempelchen erscheint vor dem Fenster
sehr wirkungsvoll. In der Anordnung der Ge-
mälde findet ebenfalls eine große Korresponsion
statt, selbst noch bei den Bildern an den Empo-
ren. Doch wir sind ohnedies schon zu ein-
gehend gewesen.

Nicht weniger wirkungsvoll ist die Harmonie
der Farben. Wer sich an den frostigen Kon-
trast erinnert, in welchem vor der Restauration
die fast schwarz gewordenen Altäre zu der öden
weißen Tünche der Wände und zu dem bleiweiß-
sarbigen Anstrich standen, welchen etwa in den
zwanziger Jahren ein ehrsamer Glasermeister den
Heiligengestalten so sattsam gegeben hatte, daß
die Farbenthränen an denselben heruntergelaufen
waren, wer sich an diesen Kontrast erinnert,
welcher durch die starre Beleuchtung noch ver-
schärft wurde, der traut kaum seinen Augen mehr.
Was sind das jetzt für warme Farbentöne! Was
ist das für ein grün-goldig schimmerndes und
mildes Licht, das durch die neuen, aus Butzen-
scheiben bestehenden und nur mit schmalen far-
bigen Bordüren, mit Früchte- und Blattornamen-
ten umrahmten Fenster sich über den ganzen
Raum ergießt. (Zur vollsten Zufriedenheit wur-
den diese Fenster geliefert von der Firma Val.
Saile, kath. Kunst- und Kirchenglaserei in Stutt-
gart.) Es ist niemand hier, wie es leider oft
anderswo geschehen ist und noch geschieht, der
Gedanke gekommen die freundliche, sreudeweckende
zum festlichen Gottesdienst mit seinem Gloria in
excelsis den am besten stimmende Lichtherrlich-

keit eines lveiten Raumes, wo alles sich freudig
ins heitere Reich der Farben losringt, durch satt-
farbige verdunkelnde Vollglasgemälde zu zerstö-
ren. Wer in eine Barockkirche solche Gemälde
setzt, begeht eine Sünde gegen die Kunst und
hat die Tendenz dieses Baustils nicht begriffen.
Die Tünche der Kirchenwünde und -Wölbungen
ist leicht ins Gelbliche abgetönt und nur schmale
sattere Streifen umrahmen die Fenster, den
Triumphbogen und die Kanten der Stichkappen-
wölbungen, wodurch im Chor ein dem Auge sehr
wohlthuendes Linienspiel entsteht. Mehr Farbe
wäre eine Verirrung gewesen. Diese Ruhe läßt
die Altäre erst zur rechten Wirkung kommen.
Direktor Kolb in Stuttgart hat hier wie sonst
sicher das Richtige angerathen.

Vor allem zeigen alle Holzarbeiten ein herr-
liches Farbenspiel. Nachdem die verdunkelnde
Verkrustung gründlich abgeschliffen war, hat alles
durch einen farblosen Firniß iBrunolin) einen
sanften Glanz erhalten. Die verschiedenen Far-
bentöne des Holzes vom Gelben ins Braune
kommen so zu wärmster Geltung und über diesen
Tönen heben sich die prachtvollen Masern aufs
Wirkungsvollste ab. Die Entdeckung dieser M a -
fern — sie waren unter der dunkeln Kruste
fast unsichtbar geworden — gab die Anregung
zur Restauration der Kirche. Sie sind in den
hübschesten Umrissen an der Kanzel, der Scdilien-
wand im Chor, besonders aber in die schönen
architektonischen Glieder der Altäre über und
unter den Säulen eingelegt, ivechseln mit einge-
ätzten und mit Jntarsien-Ornamenten ab und
geben dieser Kirche einen ganz eigenartigen Vor-
zug gegenüber von allem, was wir je gesehen.
Die Farbenwirkung des Holzes wird dadurch be-
deutend gesteigert. Als Vorbild dienten wohl
ohne Zweifel die Masereinlagen an der Kanzel
in Obermarchthal. Den armen Franziskanern

bot sich da ein Mittel, ohne zu großen Aufwand
etwas eigenthümlich Schönes schaffen zu lassen.
Wäre dieses Mittel nicht auch heute wieder an-
wendbar? (An den Beichtstühlen in Schussen-
ried sind, wenn uns die Erinnerung nicht täuscht,
auch kleinere Masereinlagen.)

Den geschnitzten Bildern und Ornamenten hat
die Restauration die Farbe des Elfenbeins ge-
geben. Wer die prachtvollen Elfenbeinkunstwerke
im Münchener Nationalmuseum oder im grünen
Gewölbe zu Dresden kennt, weiß, welche Wir-
kung die großen Elfenbeinschnitzer durch Ver-
einigung von Holz- und Elfenbeinschnitzerei er-
zielt haben. Hier stechen die Farben noch hübscher
gegen einander ab. Aber diese heiligen Fran-
ziskaner sollten doch braune Gewänder haben,
wird radelnd bemerkt. Wir meinen jedoch, das
oberste Gesetz der Kunst sei die Schönheit. Nun
sagt aber schon Lessing, daß Gold aus Gold bro-
dieren ein ekler Geschmack sei. Von den braunen
Farben des Holzes der Altäre würden sich ja
nie geschnitzten Bilder gar nicht abheben, und
wenn diese Heiligenbilder aus Marmor gemeißelt
oder aus Erz gegossen oder ganz vergoldet wären,
so würde niemand den braunen Habit vermissen
und so wohl auch nicht, wenn sie aus Elfen-
bein geschnitzt wären. Ja freilich — aber hier
herrscht ja Täuschung und Betrug. Sie sind ja
aus Holz und nur mit Elfenbeinfarbe angestrichen.
Die Kunst soll aber nicht täuschen wollen, spricht
 
Annotationen