Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Archiv für christliche Kunst: Organ des Rottenburger Diözesan-Kunstvereins — 18.1900

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Bach, Max: Ein altvenetianisches Gemälde in der Stuttgarter Galerie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15905#0023

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
!

Ein altvenetiamsebes (SentaRe in
der Stuttgarter Galerie.

Von Max Bach.

Das älteste Gemälde, ivelches die Stutt-
garter Staatsgalerie besitzt, ist ein altvene-
tianisches Kirchenbild des Maestro Paolo
Veneziano; es wird in allen früheren
Katalogen bezeichnet, als „der Sturz des
Heidenthnms" und erst das neueste (1899)
oon Lemcke renidirte Verzeichniß fügt hinzu:
„ Sibylle und Oktavianns, dein die Madonna
erscheint". Damit ist für ben Beschauer
schon angedeutet, daß wir iit dem vorge-
stellten Sujet doch etwas anderes zu er-
feiuteit haben als die kurze frühere Be-
zeichnung angab.

Es lohnt sich der Mühe dem Bilde
einige Aufmerksamkeit 511 schenken, zumal
es durch seine Inschriften auch das Inte-
resse des Archäologen in Anspruch nimmt.
Das Bild wurde 1862 für die Galerie
erworben und bald darauf brachte der
„Schwäbische Merkur" aus der Feder
Pros. Dr. Haakhs eine Beschreibung des
Gemäldes, worin derselbe die schon ange-
führte Bezeichnung zu begründen sucht.
Haakh hat jedoch die archäologische und
kirchengeschichtliche Bedeutung desBildes nur
zum. Theil erkannt und beschreibt das Bild
lediglich vom kunsthistorischen Standpunkt.

Das Bild ist aus Holz gemalt 92 cm
hoch und 77 breit. Wir erblicken oben
in einem runden Rahmen die thronende
Maria mit dem Kind in alterthümlicher
Auffassung, darüber Gott Vater mit aus-
gestreckten Armen mit der Taube, in den
Zwickeln Engelschaaren. Unten links sieht
man einen prächtigen Palast mit offenen
Arkaden und einem hohen Thurm im
gothisireuden venetianischen Stil, keine
romanische Basilika, wie Haakh auuimmt.
Rechts ist eine byzantinische Kirche mit
Kuppel und Thurm dargestellt, in deren
Innern inan die heidnischen Statuen vom
Altar stürzen sieht. Die ganze Kirche
zeigt überall Risse und droht dem Ein-
sturz, davor stehen drei bärtige Männer
mit sichtlichen Gebärden äußerster Be-
jtürzung, der vordere ist schon im Um-
sinken begriffen. Zu der Mitte ist ein

I Brunnen, welcher von drei nackten Knaben
getragen wird, zivei Drachen speien das
Wasser in die Schale, welche die Zuschrift

trägt: PAVI.VS CVM ITEI0, außer-
dem, kaum noch erkennbar, die Jahreszahl
MCCCLVIIL Bor dem Palast kniet ein
König in betender Stellung inschriftlich
bezeichnet als OCTAVIAN, neben ihm
erscheint eine Dame in schwarzer kirch-
licher Tracht mit weißem Kopftuch und
langem Mantel, welcher inwendig mit
Pelz gefüttert ist. Die Figur, welche als
SIBILLA bezeichnet ist, hält eine Schrist-
rolle und bentet mit der rechten Hand
ans die gegenüberliegende Scene, lieber
die Bedeutung des Bildes geben weiter
die Zuschriften Ausschluß, welche einer-
seits ans dem Schriftband, welches dao
Jesuskind hält, anderseits an dem Brun-
nen in mittelalterlicher Alajuskelschrist
angebracht sind. Sie lauten mit Aus-
losung der Abkürzungen:

PVER . ET . DE VS . SVM . EX .
DEO . VIVENTI . SINE . TEM-
PORE . MACVLA . NATVS. -
IN . DIE . NATIV1TATVM . XPI .
IHV . AVDIV1T . OCTAVIANVS .
IN . PALATIO . VOCEM . DICEN-
TEM . HEI . EST . ARA . CELI .
DIXIT . OVE . EI . SIBILA . HIC .
PVER . MAIOR . TE . EST . OVI.
STAT . IN . SINV . VIRGINIS .
IN CIRCVLO . AVREO . SOLIS .
IDEO . IPSVM . ADORA .

An dem Brunnen steht: EONS . AOVE .
IN . LIVOREM . DVLCEM.RÖME.
VERSVS . EST . QVA . XPS .
DE MARIA . VIRGINE . NATVS .
EST . — TEMPLVM . PACI(VM) .
IN ETERNVM . CORVIT . OVAN-
DO . VIRGO . FILIVM . DEI . PE-
PERIT.

Der Gedanke des Bildes, sagt Haakh,
erklärt sich aus der im christlichen Alter-
thnm und Mittelalter herkömmlichen, schon
durch Eusebius und Augustinus bezeugten
Deutung der vierten Ekloge Virgils, der
Messias-Ekloge, welche selbst auf das Lied
von Cumä (die Aussprüche der cnmäischen
Sibylle) sich stützend, von der nahe bevor-
stehenden Geburt eines Wunderkinds eine
neue und goldene Zeit beginnen läßt.

Das ist nun insofern nicht genau, da
wir ja in dem Bild zunächst die Vision
des Kaisers Angnstns dargestellt finden,
welche sich in dem Gemache desselben ans
 
Annotationen